Sternekoch Moissonnier gibt Stil-TippsDarf man die Salatgarnitur mitessen?
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Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
Diesmal erklärt Vincent Moissonnier, was man mit dem beiligenden Salatblatt und der Tomate auf dem Teller macht – und noch ein bisschen mehr.
Köln – Darf man die Salat-Garnitur auf dem Tellergericht oder die Deko auf Buffet-Platten mitessen?
Es gibt hier eine ganz einfache Regel: Alles, was auf dem Teller liegt, darf gegessen werden. Das können Sie als elftes Gebot auf die Schiefertafel mit den Tagesgerichten Ihrer Lieblingsgaststätte schreiben. Ich selbst kenne wunderbare Brauhäuser in Köln mit fantastischer rheinischer Küche. Aber auf jedem Teller liegt garantiert so ein verdammtes Salatblatt mit einer geviertelten Tomate. Ganz sicher hätte diese Tomate überall anders landen wollen, nur nicht hier.
Aber ich glaube, denen in der Küche hat man das vor 70 Jahren beigebracht, und so machen sie es noch immer: Teller aus dem Schrank, Salatbouquet drauf. Das bringt Farbe auf den Teller! Aber das ist doch „ene Driss“, wie der Kölner sagen würde: Das Salatblatt ist nicht angemacht, die Tomate schmeckt nicht. Jetzt haben Sie die Wahl: essen oder liegen lassen? Ich glaube, die Antwort ist klar.
Und damit bin ich bei Regel zwei: Alles, worauf Sie Lust haben, dürfen Sie auch essen. Bedeutet umgekehrt: Worauf Sie keine Lust haben, das dürfen Sie liegen lassen. Damit bin ich dann bei der Frage, ob ein komplett leer gegessener Teller ein Zeichen der Höflichkeit ist oder ob das gierig wirkt, so dass man besser einen Rest liegen lässt.
Dazu Regel drei: Aus Prinzip oder aus Etikette etwas auf dem Teller lassen – das ist totaler Quatsch. Der Grund dafür? Ganz einfach: Regel zwei. Mit einem leer gegessenen Teller signalisieren Sie dem Wirt: Es hat Ihnen geschmeckt. Wenn Sie dennoch etwas zurückgehen lassen, ist es also eine nette Geste und ein Zeichen der Anerkennung, wenn Sie dem Service beim Abtragen mit einem kleinen, bedauernden Lächeln sagen: „Es war mir einfach ein bisschen zu viel.“ Bei uns im Restaurant kommt das Team zu mir, wenn ein Gast nicht aufgegessen hat und bittet mich, das Abräumen zu übernehmen. Ich frage dann ganz vorsichtig, ob etwas nicht zur Zufriedenheit war. In 90 Prozent der Fälle folgt dann besagter Hinweis auf die schon erreichte Sättigung. „Es war alles wunderbar, aber ich kann einfach nicht mehr.“ Oder die Gäste rücken doch mit einer Kritik heraus und sagen, was sie nicht gemocht haben. Dann habe ich die Chance, noch die Kurve zu kriegen und die Situation zu retten.
Vorsicht vor dem Holländer-Syndrom
Sie fragen auch nach Regeln am Buffet. Da gilt das Gleiche: Nehmen Sie sich, worauf Sie Appetit haben! Und wenn es die Deko ist, dann ist es eben die Deko. Allerdings werden Sie mit rohen, nicht angemachten Zutaten womöglich wenig Spaß haben. Meistens gibt es das Gleiche ja auch nochmal ein paar Schüsseln weiter, dann mit einem passenden Dressing.
„Wie geht’s?“
In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)
Fürs Buffet möchte ich Ihnen aber aus meiner Erfahrung noch Regel vier mitgeben: Vermeiden Sie das, was wir in Frankreich das „Holländer-Syndrom“ nennen! Wobei sich hier, liebe niederländische Leserinnen und Leser, selbstverständlich auch andere Nationalitäten einfügen ließen, auch die Ihrer deutschen Nachbarn. Gemeint ist jedenfalls die Unsitte, sich mit den Beständen vom Buffet gleich für einen ganzen Tag zu verproviantieren. Auf dieses Verständnis von „All inclusive“ reagieren Hoteliers und Restaurant-Betreiber mitunter etwas pikiert. Es geht hier nicht mehr um die Frage, was man auf dem Teller zurück lassen soll, sondern wie viel man sich aufladen darf.