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Revolution für Wissenschaft und WirtschaftJülich startet Super-Quantencomputer

Lesezeit 4 Minuten
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Jülich/Köln – Um 14.58 Uhr ertönte im Forschungszentrum (FZ) Jülich ein markantes Brummen, so als sei die Türklingel kaputt. Tatsächlich hatten Führungskräfte des FZ gemeinsam mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst durch synchrones Betätigen eines atomknopfroten Buzzers mit der feierlichen Inbetriebnahme eines neuen, unerhört leistungsstarken Quantencomputers eine neue Zeitrechnung für die Entwicklung des Quantencomputing in Europa eingeläutet, beziehungsweise eingebrummt.

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Der  Quantencomputer steht in einem eigens dafür errichteten, vibrationsfreien Gebäude.

Die Begeisterung des Fachpublikums in Jülich kannte kaum Grenzen, auch wenn bei der Erläuterung der technischen Details immer wieder die Grenzen der allgemeinen Verständlichkeit stark herausgefordert wurden. Das beginnt schon bei den Begrifflichkeiten: Mit dem Knopfdruck vom Montag nahm ein Quantenannealer mit mehr als 5000 Qubits seine Arbeit in Jülich auf. Der Standort ist gut gewählt: Das Jülich Supercomputing Centre (JSC) verfügt über einige der schnellsten Rechner Europas, die mit bis zu 85 Billiarden Rechenschritten pro Sekunde operieren.

Qubits sind die Schaltzentralen der Quantenrechner, sie nutzen eine Eigenschaft der Quantenwelt. Die Bits von digitalen Rechnern kennen nur die Zustände Null oder Eins, entweder fließt Strom oder nicht. Jedes Mobiltelefon, jede Digitaluhr und jeder Superrechner funktioniert nach diesem Prinzip. Qubits hingegen können gleichzeitig verschiedene Zustände annehmen, eigentlich sogar unendlich viele. Ihre Rechnerleistung ist somit exponentiell höher – wenn man mit diesen Möglichkeiten umzugehen versteht. Und da kommen die Jülicher Superrechner als Faktor ins Spiel.

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Ministerpräsident Hendrik Wüst bei der Einweihung

Der Quantenrechner der kanadischen Weltmarkt-Topfirma D-Wave Systems ist das erste Quanten-Cloud-basierte System dieses Unternehmens außerhalb Nordamerikas und soll in Zukunft eng mit den Supercomputern des JSC zusammenarbeiten – diese Verknüpfung von herkömmlicher Rechen-Power mit Quantentechnik gilt als einzigartig. Der Quantenannealer ist Teil der Jülicher Nutzer-Infrastruktur für Quantencomputing (JUNIQ).

Neues Gebäude "nur" für einen Rechner

Für den Betrieb wurde eigens ein neues Gebäude errichtet. Quantencomputer benötigen einen speziellen, vibrationsfreien Standort. Die beiden Maschinenhallen des Gebäudes verfügen über spezielle Schwingungsfundamente, um Erschütterungen abzudämpfen und eine eigenständige und unabhängige Stromversorgung – die Quanten in den Maschinen müssen konstant auf minus 273 Grad heruntergekühlt sein, um die Bewegungen der relevante Moleküle einzufrieren und – in Maßen – beherrschbar zu machen. Für das nächste Jahr ist in dem High-Techbau ein weiterer Quantencomputer geplant.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hinterließ einen stolzen Eindruck: „Die Nutzerinfrastruktur JUNIQ und die Inbetriebnahme des Quanten-Annealers in Jülich belegen eindrucksvoll die Entwicklung Nordrhein-Westfalens zum europäischen Spitzenstandort für Quantencomputing. Unsere hervorragende Wissenschaftslandschaft sowie die enge Vernetzung unserer Akteure in Wissenschaft und Wirtschaft ermöglichen es, das Potenzial dieser Technologien voll auszuschöpfen.“ Er verwies auf die Teststrecke Aldenhoven, wo autonomes Fahren für Autos und Bahnen entwickelt wird und an den Brainenergy-Park, ebenfalls in Jülich, der sich der Wasserstoffforschung verschrieben hat.

Neben Wüst gaben auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger und EU-Kommissarin Mariya Gabriel dem System ihren administrativen Segen. „Quantencomputer bieten enorme Chancen für unsere Zukunft und den Forschungsstandort Deutschland. Sie haben das Potenzial, unseren Alltag zum Besseren zu verändern – etwa mit Blick auf die optimale Nutzung unseres Stromnetzes, der Optimierung von Anlagestrategien am Finanzmarkt oder das Design wirksamerer Medikamente“, sagte die Ministerin. „Die heutige Inbetriebnahme eines Quantenannealers in der Nutzerinfrastruktur JUNIQ ist ein weiterer wichtiger Schritt, um Deutschland und Europa im Bereich des Quantencomputing international an die Spitze zu bringen.“

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Für die EU erklärte Kommissarin Mariya Gabriel: „Die Verknüpfung von Quanten- und Supercomputing-Technologien ist der Schlüssel zur Verwirklichung fortschrittlicher wissenschaftlicher Entdeckungen und öffnet Türen zu neuen Welten mit großem Innovationspotenzial.“

Für die Leitung des Forschungszentrums Jülich sprach Astrid Lamprecht von einem zukunftsweisenden Schritt: „Die Pionierarbeit bei der Entwicklung dieser Technologie wird fortgesetzt.“ Die Inbetriebnahme des neuen Rechners stehe für einen „Aufbruch in ein neues Zeitalter mit revolutionären Neuerungen.“ Die Verbindung von Quantencomputern mit Supercomputern verspreche allerhöchste Effizienz für Belange der Wissenschaft und der Wirtschaft gleichermaßen.

Spezialist für schwierige Aufgaben, etwa Verkehrsflüsse

Aus Kanada zugeschaltet war Alan Baratz, der Chef der Entwicklerfirma D-Wave. Er sagte: „In dem Maße, in dem Unternehmen und Forschungseinrichtungen wichtige Probleme identifizieren, die Investitionen in Quantencomputing erfordern, wächst die Marktchance für Quantencomputing schneller als je zuvor.“

Das neue System gilt als besonders geeignet für die Lösung von schwierigen Optimierungsproblemen – etwa um Verkehrsflüsse effizient zu steuern oder um künstliche neuronale Netze für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz zu trainieren. Die Jülicher planen den wiisenschaftichen und kommerziellen Einsatz ihres Modells für bereits erprobte Bereiche wie Finanzmodellierung, Flugplanung, Wahlmodellierung, Quantenchemie-Simulation, Automobilbau, Gesundheitsvorsorge und jede Art von Logistik.