Kreis Euskirchen – Die Regenmenge im Vergleich zum Jahrtausendhochwasser? Relativ gering! Die Sorge vor einer neuerlichen Katastrophe, vor Schäden im frisch getrockneten oder gar sanierten Haus? Umso größer! Es hat den Eindruck, dass die Bürger nun viel sensibler mit der Situation umgehen. Diesmal fielen am Sonntag im Kreis etwa 30 Liter pro Quadratmeter, im Juli waren es teilweise bis zu 180.
Die Einsätze
Nach Angaben von Wolfgang Andres, Pressesprecher des Kreises Euskirchen, verzeichnete die Rettungsleitstelle 29 Einsätze im Zusammenhang mit dem Regen. Einsatzschwerpunkte waren laut Andres Euskirchen, Bad Münstereifel und Zülpich mit mindestens je sechs Einsätzen. Meist waren verstopfte Kanäle und Gullys der Grund. Im Bereich von Burg Veynau sorgte Treibgut für Einsätze. Auch in Nemmenich und entlang des Rotbachs im Stadtgebiet Zülpich rückte die Feuerwehr wegen Treibgut aus.
Besorgte Kreisbürger
Frank C. Waldschmidt, Projektleiter der Beratungs- und Koordinierungsstelle sowie Leiter der psychosozialen Unterstützung Fluthilfe NRW der Malteser, berichtet auf Nachfrage, dass sich einige Menschen bei ihm gemeldet hätten. Am Montag seien etwa zehn Bürger in die Beratungs- und Koordinierungsstelle in Gemünd gekommen.
„Hinzu kamen Dutzende von Anrufen sowie konkrete Anfragen für Terminvereinbarungen mit unseren Therapeuten“, so Waldschmidt. Daran sehe man, dass der Bedarf für psychosoziale Unterstützung nach wie vor sehr groß sei. Den Kontakt zum Experten Waldschmidt: 02445/89 500.
App „Meine Pegel“
„Meine Pegel“ ist die amtliche Wasserstands- und Hochwasser-Informations-App mit rund 2500 Pegeln in Deutschland – ein Service von www.hochwasserzentralen.de. Mit der App kann man sich benachrichtigen lassen bei Über- oder Unterschreitung von individuell konfigurierbaren Grenzwerten an Pegeln – auch als Push-Nachricht. Pegel können als Favoriten hinzugefügt gefügt werden, und man kann die Wasserstände aller Favoriten in einer Übersichtsliste ansehen. Je nach Datenbereitstellung kann nach Angaben des Software-Entwicklers die Benachrichtigung etwa 15 bis 45 Minuten nach der Grenzwertüberschreitung eintreffen.
Die Bürgermeister
Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings postete am Sonntag bei Facebook ein Bild von einem Feuerwehreinsatz in Olef. Dazu schrieb er einige Sätze zur aktuellen Lage entlang der Olef sowie im Schleidener Stadtgebiet und versuchte die Menschen so ein wenig zu beruhigen.
Teile von Kall, Hellenthal und Dahlem waren ohne Strom
Das Unwetter führte auch zu Ausfällen im Stromnetz. Wie das Energieunternehmen e-regio auf Nachfrage mitteilte, waren insgesamt rund 1000 Haushalte am Sonntag in Teilen von Kall und Hellenthal sowie am Montag in Schmidtheim betroffen. Grund für die Ausfälle sei in beiden Fällen je ein umgestürzter Baum gewesen, der in die Freileitungen gefallen sei, so Ilona Schäfer von e-regio.
Am Sonntag von 19 bis 20 Uhr waren rund eine Stunde unter anderem die Ortschaften Sistig, Krekel, Roder, Kreuzberg, Unterschömbach, Oberschömbach, Manscheid, Zingscheid, Sieberath, Hescheld, Oberdalmerscheid, Wolfert und Wittscheid betroffen gewesen. Es sei versucht worden, zügig eine Umschaltung herzustellen, sagt Schäfer. Vereinzelt habe das jedoch bis 24 Uhr gedauert. In Schmidtheim war es am Montag aufgrund der Reparaturarbeiten immer wieder zu kurzen Stromausfällen kommen, wie Schäfer mitteilt. (jes)
Auch Bad Münstereifels Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian wandte sich am Sonntag über ihren privaten Instagram-Account an die Menschen. „Ich bin gerade von der Beobachtungstour durch unsere Ortschaften zurück“, schrieb die Verwaltungschefin. Auch die Feuerwehr, die Mitarbeiter des städtischen Bauhofs und der Erftverband seien im Austausch. „Das Regenrückhaltebecken in Eicherscheid vermeldet einen ganz normalen Ablauf. Gemäß der Wettervorhersage bleibt es in der Nacht stabil“, so Preiser-Marian weiter.
Sinzenich/Lövenich/Olef
In Olef sicherte die Schleidener Feuerwehr am Sonntagnachmittag mit Sandsäcken die Kindergarten-Container. So sollte verhindert werden, dass in die gerade erst aufgestellten Container eventuell Wasser eindringt.
Die Zülpicher Feuerwehr war unter anderem in Sinzenich im Einsatz. Dort drang Wasser aus dem Mühlenbach in ein Haus an der Kommerner Straße ein.
In Schwerfen staute sich das Wasser mitunter an den in der Flutnacht vom 14. Juli in Mitleidenschaft gezogenen Brücken über den Rotbach. Auch dort waren die Bürger in heller Aufregung. Zwischen Lövenich und der Probstmühle an der B 56 leitete die Zülpicher Wehr unter der Leitung von Daniel Wachendorf das Wasser des Rotbachs mithilfe von Sandsäcken kontrolliert in den Kanal ein, damit es sich erst gar nicht auf den Feldern ausbreiten und wie im Juli das Anwesen unter Wasser setzen konnte.
In der Euskirchener Erftaue war nach Angaben von Euskirchenern vom neuen Erft-Verlauf teilweise nicht mehr viel zu sehen. Die Erft hatte dort so viel Wasser, dass die neuen Uferbereiche überspült wurden. Auch im Schleidener Stadtgebiet standen Wiesen unter Wasser. „Ab gewissen Wassermassen ist das Überspülen bestimmter Bereich ganz normal, teilweise sogar gewollt“, so Schleidens Bürgermeister Pfennings.
In Roitzheim sorgten Gully-Fangkörbe für Ärger. „Die Straßenabläufe in der Lilienstraße wurden im Zuge der Beseitigung der Flutfolgen von den Technischen Diensten der Stadt Euskirchen geleert und wieder in Funktion gesetzt“, so Tim Nolden, Pressesprecher der Stadt Euskirchen. In dem Bereich liege jedoch im Wendehammer ein Regenrückhaltebecken des Erftverbandes. Dieses stehe über einen Kanal des Erftverbandes in Verbindung mit weiter oberhalb liegenden Becken in Kreuzweingarten und Rheder. Bei der Flutkatastrophe wurde laut Nolden die Steuerung der Erftverbandsbecken in Rheder und Kreuzweingarten zerstört. Diese müssten derzeit von Hand bedient werden, so dass es dazu kommen könne, dass die Drosselwassermengen zu hoch seien und der Kanal des Erftverbands diese Wassermengen hydraulisch nicht mehr ableiten könne.
Gilsdorf
Für die Gilsdorfer gingen die Regenfälle glimpflich aus. Laut Anwohner Ingo Renn drang das Wasser nicht in die Häuser ein. Dauerregen vom frühen Morgen bis zum späten Nachmittag – bei den Gilsdorfern weckte das trotzdem schlimme Erinnerungen. Vier Mal sind ihre Häuser in den vergangenen 14 Jahren von Hochwassern beschädigt worden. „Wir hatten alle Angst. Der Eschweiler Bach stieg kontinuierlich“, sagte Renn.
Das Wasser stand fast bis unter die Brücke an der Pescher Straße in der Ortsmitte. „Es kann nicht sein, dass wir uns jetzt auch im Winter vor Hochwasser fürchten müssen“, so Renn. Er und andere Anwohner fordern deshalb, dass der Eschweiler Bach von Stadt und Erftverband gereinigt wird. „Im Bach liegt immer noch Geröll von den Juli-Hochwassern.“
Wasserverband Eifel-Rur
Beim Wasserverband Eifel-Rur (WVER) herrscht durch den Regen keinerlei Grund zur Besorgnis. Wie Sprecher Markus Seiler mitteilt, ist die Oleftalsperre aktuell mit 13,6 Millionen Kubikmetern Wasser gefüllt – insgesamt passen 19,3 Millionen hinein, der Hochwasserschutzraum liegt aktuell bei 14,2 Millionen. Auch der Ablass aus der Talsperre in die Olef sei mit zwei Kubikmetern pro Sekunde „absolut nichts Dramatisches“, so Seiler.