Kreis Euskirchen/Berlin – In Berlin ist der Kampf um das Amt des Bundeskanzlers in vollem Gang. Auf kommunaler Ebene werden entweder Wunden geleckt, wie bei der CDU, oder es wird vor lauter Euphorie schon von der Koalition im Landtag geträumt – wie bei den Grünen. Während die Landtagswahl aber noch einige Monate entfernt ist, beginnt die Arbeit der vier Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis 92, Detlef Seif (CDU), Dagmar Andres (SPD), Markus Herbrand (FDP) und Rüdiger Lucassen (AfD), bereits in dieser Woche.
CDU
Detlef Seif hat das Direktmandat zwar gewonnen, musste aber große Verluste hinnehmen. Eine erste Analyse des desaströsen CDU-Ergebnisses auf Bundesebene fand noch am Sonntagabend im Kreishaus statt. Einhelliger Tenor: Ein Weiter so darf es nicht geben.
„Alle reden derzeit von Auftrag. Ich habe den Auftrag erhalten, die Region in Berlin für vier weitere Jahre zu vertreten“, sagt Seif, der am Dienstag in Berlin sein wird. An diesem Tag steht die konstituierende Sitzung auf dem Programm. Zudem werde man sich parteiintern mit den ausgeschiedenen und neuen Mitgliedern des Bundestags treffen. Man habe viele wichtige Dinge für die Region zu klären, so Seif, der persönliche große Ziele hat. Wie der Weilerswister bereits am Sonntag verriet, möchte er Berichterstatter für die CDU-Fraktion im Innenausschuss werden und damit die Nachfolge von Marian Wendt antreten. Gerade, was den Bevölkerungsschutz und die Katastrophenhilfe angehe, könne er aus erster Hand berichten, weil die Spuren der Flutkatastrophe im Wahlkreis noch allgegenwärtig seien.
SPD
Dagmar Andres hat gerade viel zu tun. Die Sozialdemokratin aus Erftstadt, die in Schleiden-Oberhausen aufgewachsen und in Euskirchen zur Schule gegangen ist, zieht erstmals in den Bundestag ein. „Ich packe gerade meinen Koffer“, sagt sie am Montagmittag im Gespräch mit dieser Zeitung. Am Dienstag werde sie sich – ausnahmsweise mit dem Flugzeug – auf den Weg nach Berlin machen. Künftig wolle sie mit der Bahn reisen, versichert sie. In Berlin wartet laut Andres sofort ein großes Programm auf sie. „Wir haben die konstituierende Sitzung. Und ich habe noch die eine oder andere Einführungsveranstaltung“, so die 51-Jährige. Ihren Job habe sie gekündigt. „Mit einem lachenden, aber auch einem großen weinenden Auge“, sagt Andres. Zudem habe sie erste Bewerbungen gesichtet. Schließlich benötige sie in Berlin einen wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Wahlkreis-Büros im Kreis Euskirchen und im Rhein-Erft-Kreis müssten auch besetzt werden. „Ich habe Bewerbungen von Hamburg bis Baden-Württemberg erhalten“, freut sich Andres, die zunächst bis Donnerstag in Berlin bleiben wird. Ihr Lebensmittelpunkt werde im Rhein-Erft-Kreis sein. Aber eine Wohnung werde sie sich in der Hauptstadt schon suchen. Zunächst werde sie aber im Hotel wohnen. „Ich freue mich darauf, mit den beiden anderen demokratischen Abgeordneten aus der Region für die Region zu arbeiten“, sagt Andres.
FDP
„Es waren vier spannende Jahre in Berlin, aber die kommende Legislaturperiode wird nochmals spannender“, sagt Markus Herbrand, Mandatsträger der FDP. Besondere Spannung versprechen laut Herbrand gleich drei Aspekte: Erstens müsse die Union für sich selbst herausfinden, wie sie mit ihrem massiven Einbruch umgehen wird. Zudem dürfte spannend werden, wie eine stabile Regierungskoalition für vier Jahre gefunden werden kann und zu welchen Kompromissen sich die daran beteiligten Parteien einlassen.
Zu guter Letzt werde es darum gehen, die gewaltigen Aufgaben von Wirtschaftsstärkung nach den Corona-Einschnitten, bezahlbarem Klimaschutz, generationengerechter Rentensicherung bis hin zur Digitalisierung zu lösen. „Besonders Wirtschaftsstärkung und Digitalisierung, ergänzt um die notwendigen Wiederaufbauarbeiten nach der Hochwasserkatastrophe, sehe ich als entscheidend für unsere Region und unsere Heimat an“, so Herbrand: „In Berlin müssen dabei die richtigen Weichen gestellt werden, um sowohl die bundeseigenen Straßen- als auch Schienennetze wieder instand zu setzen und dabei durch die Elektrifizierung der Eifelbahn auch gleichzeitig fit für die Zukunft zu machen.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Für die Abgeordneten aus der Region müsse es darum gehen, sicht- und hörbar zu bleiben, auch wenn sich das Scheinwerferlicht auf andere Themen richtet. Neben zahlreichen Gremiensitzungen werden die kommenden Tage für den Liberalen durch diverse Gesprächstermine und das Ausloten von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den potenziellen Koalitionspartnern geprägt sein. „Olaf Scholz muss als knapper Wahlsieger nun auf seine potenziellen Koalitionspartner zugehen“, so Herbrand. Die FDP stünde aber selbstverständlich auch für Gespräche mit der Union zur Verfügung. Die Regierungsbildung hält der 50-Jährige für „historisch schwierig“. Schön sei die Tatsache, dass die Regierungsbildung nur über die Liberalen gehe. Seine Sympathien gelten einem Jamaika-Bündnis: „Das liegt mir als Finanzpolitiker näher, aber wir müssen die kommenden Gespräche abwarten.“
AfD
Während sich Herbrand mit der Regierungsbildung beschäftigt, ist Rüdiger Lucassen bereits im Oppositionsmodus angekommen. „Wir haben als AfD ein solides Ergebnis erzielt und werden mit einer stabilen Landesgruppe aus NRW im Bundestag vertreten sein“, sagt er. Das Versagen der Regierung, sei es bei Corona, der Flutkatastrophe oder in Afghanistan, habe man nicht im erhofften Maß in Stimmengewinne ummünzen können, stellt der 70-jährige Bad Münstereifeler fest: „Zu viele Wähler haben offenbar befürchtet, eine Stimme für uns könne eine ,verlorene’ Stimme sein, da alle Parteien im Vorfeld ein Bündnis mit uns ausgeschlossen haben.“ Es sei sein Anspruch, so Lucassen, „dass wir als AfD auch in den kommenden vier Jahren durch konstruktive Oppositionsarbeit überzeugen.“ Am Dienstag findet die konstituierende Sitzung der neuen Landesgruppe der AfD-NRW-Fraktion statt. Lucassen wird sich nach eigenen Angaben auch in der kommenden Legislaturperiode der Verteidigungspolitik widmen.
Grüne
Marion Sand von den Grünen hat den Einzug in den Bundestag verpasst. Zufrieden sein kann sie aber dennoch, da sie das drittbeste Ergebnis bei den Erststimmen verbuchte. Sie will sich nun auf die Ratsarbeit in Erftstadt konzentrieren.
Flut und Wahlkampf
„Ich habe in den vergangenen Wochen zwei Prozent Wahlkampf gemacht und 98 Prozent Abgeordneten Tätigkeit“, sagt Detlef Seif (CDU). Das habe vielleicht Auswirkungen auf sein Ergebnis gehabt, anders machen würde er es aber nicht. Wie Seif verzichteten auch Herbrand, Andres, Sand und Lucassen auf einen aktiven Stimmenfang in den Flutgebieten.
„In der Zeit, in der ich um Stimmen werbe, kann ich auch einen Keller ausräumen“, sagt Dagmar Andres von der SPD. Auch sie würde sich jederzeit wieder so entscheiden. Allerdings, so Andres, könne man sich schon die Frage stellen, ob es die richtige Entscheidung gewesen sei. In Brühl und Wesseling war die SPD die stärkste Partei – dort fand ein aktiver Wahlkampf statt. „Es war ein außergewöhnlicher Wahlkampf“, berichtet Herbrand. Große lokale Auswirkungen auf das Wählerverhalten hatte die Flut aber augenscheinlich nicht. In Schleiden, Kall, Bad Münstereifel und Euskirchen entsprach das Ergebnis in etwa dem Bundestrend. In Schleiden kam Lokalmatador Herbrand auf 23,6 Prozent. Ein Ergebnis, das er aber auch vor vier Jahren bereits erzielte.
„Ich habe mein Votum nicht von der Flut abhängig gemacht“, sagte eine Euskirchenerin im Alten Rathaus. Ähnlich hielt es eine Arlofferin: „Die Wahl war mir zu wichtig, um es nur auf ein Thema zu reduzieren, zumal alle Parteien erkannt haben, dass man etwas fürs Klima tun muss.“