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Unterwegs mit Winfried II.So erlebte der Prinz Karneval nach dem Erpresserschreiben

Lesezeit 4 Minuten

Kurz vor dem Auftritt im Casino ist der Euskirchener Prinz Winfried II. (Flimm) aufgekratzt. Der Zuspruch der Karnevalisten und Jecken hat ihm gutgetan.

  1. Kurz vor der Damensitzung, einem der wichtigsten Termine im Euskirchener Sitzungskarneval, erhielt Prinz Winfried II. anonyme Post.
  2. An Weiberdonnerstag ließ er sich von dem Schreiben nicht beeindrucken. Jecken und Karnevalisten machten ihm nach der Erpressung Mut.
  3. Wir haben Prinz Winfried II. einen Tag begleitet und erfahren, wie es ihm nach dem Schreiben geht.

Euskirchen – Der Schuh drückt gewaltig. Nein, es ist nicht der anonyme Briefe mit erpresserischem Inhalt, der Prinz Winfried II. (Flimm) in diesem Moment aufs Gemüt schlägt. Es ist der rote Prinzentreter, Größe 44,5, mit der gelben Schleife, der der Tollität an Weiberdonnerstag zu schaffen macht. Doch auch das anonyme Schreiben mit den schwerwiegenden Vorwürfen ist Thema, als er sich gegen 8.25 Uhr von Markus Tewes das Ornat anziehen lässt.

„Das Handy stand nicht still. Viele haben mir Mut zugesprochen, andere gefragt, ob sie mir helfen können“, sagt der Prinz. In dem Brief wird der Festausschuss Euskirchener Karneval (Feuka) ultimativ aufgefordert, die Euskirchener Tollität „aus dem Verkehr zu ziehen“, weil dieser das Amt des Prinzen „aufs Übelste“ missbrauche. (lesen Sie hier mehr)

Prinz Winfried II. hat das Prinzen-Dasein unterschätzt

Anmerken lassen will er sich das Ganze nicht – getreu seinem Motto: „Fastelovend öss Medizin för et Bloot“. Und für Winfried II. ist es in diesen Tagen auch Medizin für die Seele.

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„Ich habe unterschätzt, was es bedeutet, Prinz in Euskirchen zu sein“, sagt er in Enzen. Kurz zuvor ist er von Sitzungspräsident Thomas Fischer mit den Worten „Echte Fründe stonn zesamme, Winfried – lass dir den Spaß an der Freude durch nichts verderben“ auf die Bühne gerufen worden.

Es ist das erste Mal an Weiberdonnerstag, dass ihn ein Karnevalist öffentlich auf dieses Thema anspricht und ihm Mut macht. Es ist an diesem Tag bereits sein neunter Termin.

Winfried II. will sich nicht weiter zur Erpressung äußern

Intern ist der Brief schon beim Frühstück allgegenwärtig. „Ich hatte bereits eine Anfrage von Radio Euskirchen“, sagt die Tollität beim Frühstück. Auf dem Weg vom Auftritt in der Kaplan-Kellermann-Schule zum Alten Markt, dort findet die Schlüsselübergabe statt, ploppt eine E-Mail beim Vize-Präsident der KG Erfttal, Christian Thernes, auf. Der Privatsender Sat.1 fragt wegen eines Interviews an. Die gleiche Mail erhält auch Winfrieds Frau Daniela.

„Solche Termine erden unheimlich“

13 Termine stehen auf dem offiziellen Programm von Winfried II. (Flimm) an Weiberdonnerstag. Den ersten Auftritt hat die Euskirchener Tollität in der Hans-Verbeek-Schule. Dann geht’s in die LVR-Max-Ernst-Schule, eine Förderschule mit Schwerpunkt Hören und Kommunikation.

Die jungen Jecke bereiten dem Prinzen einen tollen Empfang. „Solche Termine erden unheimlich. Danach wirken die eigenen Probleme recht klein“, sagt er.

Ein 14. Termin kommt spontan hinzu. Zwischen dem Auftritt in der Kaplan-Kellermann-Realschule und der Rathaus-Erstürmung geht es in die Sportsbar Joe Champs. Dort wird kurz das Motto aufgesagt, ein Orden verliehen und Oeskerche Alaaf ausgerufen. (tom)

„Ich werde mich bei anderen Medien dazu nicht weiter äußern“, sagt der Prinz. Auch der WDR habe angefragt, berichtet Winfried II., der auf dem Weg zum Alten Markt zugibt, nervös zu sein. „Ich weiß ja nicht, wie die Jecken reagieren werden“, sagt die Tollität und zieht an einer Zigarette.

30 Zigaretten an einem Tag

Die Glimmstängel gehören für ihn zur Session wie das dreimal „Oeskerche Alaaf“ und sein Satz „Damit habe ich fertig“, mit dem er jedes Mal seinen Auftritt beendet. Mehr als 30 Zigaretten raucht die Tollität an Weiberdonnerstag. Das mache er nicht, um seine Nerven zu beruhigen, sondern um seine Sucht zu stillen, sagt er schmunzelnd.

Die Zigarette danach gehört für Winfried II. einfach dazu.

Das erste Bier an diesem Tag trinkt Winfried II. im Festzelt in Enzen. Dort muss der Tross warten, bis er auf die Bühne darf. Mehr als ein Bier ist aber nicht drin bis zum letzten Auftritt des Tages im Euskirchener City-Forum. „Alles andere wäre doch auch Wahnsinn“, sagt die Tollität, der in dem Erpresserschreiben „Alkoholkonsum in großen Mengen“ unterstellt wird.

Die Zurückhaltung ist innerhalb weniger Sekunden weg

Auf dem Weg nach Kreuzweingarten zur Sitzung der Katholischen Frauengemeinschaft geht der Blick der Tollität kurzzeitig ins Leere. Während die Stimmung im Bus ausgelassener wird, ist Winfried II. in sich gekehrt. Als aus den Boxen „Wenn nicht jetzt, wann dann“ von den Höhnern ertönt, schaltet der Prinz urplötzlich auf Mitsingmodus. Die Zurückhaltung ist weg.

Nur ein Bier gönnt sich der Prinz während seiner Auftritte.

Wie befreit wirkt die Kreisstadt-Tollität, als der Bus auf dem Weg zum Casino auf die Bahnhofsstraße abbiegt. Ob es daran liegt, dass aus den Boxen „Jetzt geht’s los, wir sind nicht mehr aufzuhalten“ schallt?

Ein spaßiger, aber anstrengender Tag

Prinzenführer Hajo Bädorf legt ebenfalls sämtliche Zurückhaltung ab. Er schnappt sich den weißen Prinzenschal und wirbelt ihn durch die Luft – nach 14 Auftritten und einem perfekt eingehaltenen Zeitplan ist das der Lohn des Karnevalisten. „Ein solcher Tag macht unheimlich viel Spaß, ist aber auch anstrengend“, sagt Bädorf und lobt im nächsten Satz seinen Prinzen: „Er wirkt befreiter als an den vergangenen Tagen. Die Auftritte hat er wieder einmal richtig gut gemacht.“

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Jetzt freut sich Winfried II. auf Rosenmontag und hofft auf die angekündigten zweistelligen Temperaturen. Er will sich die Vorfreude auf den Höhepunkt seiner Amtszeit nicht mehr nehmen lassen – auch nicht von den Erpressern.