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Gemeindeleitung im WintergartenHellenthals Bürgermeister arbeitet in Quarantäne

Lesezeit 4 Minuten
Anweisungen aus dem Wintergarten

Im Wintergarten hat Rudolf Westerburg sein Home-Office eingerichtet, da dort der Handy-Empfang besser ist.

  1. Hellenthals Bürgermeister Rudolf Westerburg befindet sich aktuell in häuslicher Quarantäne und leitet von dort aus die Gemeinde.
  2. In einer eher ungewöhnlichen Interview-Situation, die sich an alle Quarantäne-Regeln hält, fragen wir nach, wie das funktioniert.
  3. Gelingt dem Bürgermeister der kleinen Landkommune mit mühsam ertüchtigtem Breitbandnetz, wofür der ebenfalls in Quarantäne befindlichen Bundeskanzlerin Angela Merkel ein ganzes Kanzleramt zur Verfügung steht?

Hellenthal – Es gibt Interviewpartner, bei denen muss sich der Reporter warm anziehen. In diesen Tagen gilt das bei Hellenthals Bürgermeister Rudolf Westerburg. Doch anders als bei manch einem zickigen B-Promi sind es bei ihm die Vorgaben des Gesundheitsamtes des Kreis Euskirchen, die die Umstände des Gespräches denkwürdig werden lassen.

Denn Westerburg ist noch bis zum heutigen Dienstag in häuslicher Quarantäne, nachdem er vor zwei Wochen bei einer Sitzung neben seinem Euskirchener Amtskollegen Dr. Uwe Friedl saß, der kurz darauf an Covid-19 erkrankte.

Doch wie lässt sich überhaupt eine Kommune aus dem Home-Office leiten? Gelingt dem Bürgermeister der kleinen Landkommune mit mühsam ertüchtigtem Breitbandnetz, wofür der ebenfalls in Quarantäne befindlichen Bundeskanzlerin Angela Merkel ein ganzes Kanzleramt zur Verfügung steht?

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Interview nach Isolations-Vorschriften

Und wie ist es möglich, ein Interview zu führen, ohne die Quarantäne zu verletzen? Nichts einfacher als das: Am offenen Fenster mit Fliegengitter, mit Baumarkt-Mundschutz und auf einer kleinen Leiter. Das klappt, auch wenn ausgerechnet dann Tief Mareike die Eifel mit Schneeschauern und eisigem Wind bedenkt.

Tapferkeit und Disziplin sind Eigenschaften, die auch Westerburg in seiner aktuellen Situation zupass kommen. „Die Leute wundern sich, dass es so funktioniert“, sagt er erfreut darüber, wie problemlos sich die Quarantäne überbrücken ließ. Seinen Arbeitsplatz hat er mit Zustimmung seiner Frau am heimischen Esstisch im Wintergarten eingerichtet: „Da ist der Handyempfang besser als in meinem Büro im ersten Stock.“ Zwar sei er mit seiner Netzleitung rund einen Kilometer vom Übergabepunkt entfernt, doch die Leistung reiche zum Arbeiten aus.

Denn schon seit Jahren habe die Hellenthaler Verwaltung sich so aufgestellt, dass das Home-Office genutzt werden könne. „Wir haben die Software so organisiert, dass ich auf Aktenlagen, das Archivsystem und auch auf die Liegenschaftsprogramme zugreifen kann“, sagt Westerburg. So sei es nur selten notwendig, dass er sich Akten tatsächlich nach Hause liefern lassen musste.

Hellenthal ist gut aufgestellt

„Auch Telefonkonferenzen haben ohne Probleme funktioniert“, berichtet er von den vergangenen Wochen. Dankbar sei er der Politik, die das möglich gemacht habe. „Das kostet Geld“, so der Bürgermeister. Es gebe Kommunen, die nicht so gut wie Hellenthal aufgestellt seien.

Die Arbeitszeit gestempelt werde schon lange nicht mehr in Hellenthal. Es gebe eine Soll-Arbeitszeit, die absolviert werden müsse. Ansonsten erwarte er die Erreichbarkeit der Mitarbeiter und die Erledigung der anfallenden Arbeiten. „Es verlangt Selbstdisziplin, aber es funktioniert“, hat er in den Jahren gelernt. Die Arbeit, die zu Hause geleistet werde, sei sehr effektiv.

Auch Mechernichs Bürgermeister im Home-Office

Negativ sind die Corona-Tests der Familie des Mechernicher Beigeordneten Thomas Hambach ausgefallen: Seine Frau Janina und seine Söhne Lennart und Connor haben sich nicht mit dem Virus angesteckt.

In Quarantäne ist Hambach, der selbst positiv auf das Virus getestet wurde. Jedoch ist nach wie vor ohne nennenswerte Symptome und fühlt sich gut. Vorsorglich im Home-Office arbeiten die negativ getesteten Kollegen, darunter Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, Kämmerer Ralf Claßen sowie Manuela Holtmeier, Teamleiterin Bürger und Politik, und Fachbereichsleiter Mario Dittmann (Bauhof/Stadtwerke).

Das Vorgehen zu Quarantäne und Isolation ist laut Wolfgang Andres, Pressesprecher des Kreises Euskirchen, nach dem sogenannten Kritis-Konzept der Bundesregierung zum Schutz kritischer Infrastrukturen geregelt. „Mitarbeiter der ,kritischen Infrastruktur’, die in Quarantäne sind, nicht krank sind und einen negativen Corona-Text haben, können auf Antrag weiterarbeiten“, teilt er mit. Denkbar seien Auflagen wie ein Mundschutz, der getragen werden müsse. Teils seien solchen Äntrage gestellt worden, teils nicht.

Als „kritische Infrastruktur“ gelten laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe „Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden“. (sev)

Schon eine Woche bevor ihr Chef sich in Quarantäne begeben musste, hatte sich die Belegschaft so aufgeteilt, dass täglich wechselnd eine Hälfte vom heimischen Rechner aus arbeitete, während die andere im Rathaus tätig war. Mehrmals täglich seien Türklinken und Handläufe an den Treppen desinfiziert worden. „Wir haben auch Wert darauf gelegt, dass die Mitarbeiter der unterschiedlichen Teams auch den Kontakt vermeiden, wenn sie sich zufällig privat begegnen“, betont Westerburg.

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Am Mittwoch ist der erste Tag nach der Quarantäne für Westerburg. Dann wolle er sich einen Eindruck von der Lage im Ort verschaffen. „Die Situation ist schon gewöhnungsbedürftig“, gibt er zu. Es sei schlimm, nicht herauszudürfen. Er habe glücklicherweise den Garten, in den er gehen könne, um in Arbeitspausen Luft zu schnappen.

Kontakt wolle er auch zu den Helfern aufnehmen, die sich bei seiner soeben initiierten Aktion beteiligen, bei der Mundschutzmasken für Hellenthaler genäht würden,. Da gebe es einiges zu organisieren. „Ich bin froh, dass man sich mal wieder offiziell bewegen kann“, sagt er. Allerdings, gibt er zu bedenken, sei es fraglich, ob man das auch tun solle.