AboAbonnieren

Trotz DefizitKall verzichtet auf Steuererhöhung und will bezahlbaren Wohnraum schaffen

Lesezeit 5 Minuten
Blick auf das Haus der Begegnung.

Das Haus der Begegnung könnte noch aufgestockt werden, zum Beispiel für einen neuen Ratssaal.

Um den Haushalt 2024 auszugleichen, muss die Gemeinde Kall in die Ausgleichsrücklage greifen. Steuern und Gebühren werden nicht erhöht.

Das Minus im Haushalt 2024 fällt am Ende mit 3,7 Millionen Euro etwas niedriger aus als bei der Einbringung im Dezember 2023. Da war Kämmerer Markus Stoff noch von vier Millionen Euro ausgegangen. Trotzdem lehnte die Politik Steuererhöhungen ab, über die die Verwaltung nachgedacht hatte. Deshalb muss die Gemeinde Kall nun in die mit gut acht Millionen Euro gefüllte Ausgleichsrücklage greifen, um den Etat für das nächste Jahr auszugleichen. Der Gemeinderat hat dem Zahlenwerk mit Einnahmen von 44,8 und Ausgaben von 48,5 Millionen Euro jetzt gegen zwei Stimmen der AfD zugestimmt.

Stoff hatte schon bei der Einbringung beklagt, dass die Aufwendungen sehr viel stärker steigen als die Einnahmen. Das liege unter anderem an der Inflation und den steigenden Bau- und Energiekosten. Ferner müsse mehr Geld für den Erhalt der Infrastruktur ausgegeben werden, weil nach der Flut einiges liegengeblieben sei. Ab 2026, so die Berechnungen von Stoff, müsse die Gemeinde die Hebesätze bei den Realsteuern anheben, um die Etats auszugleichen.

Ausstattung der Feuerwehr soll verbessert werden

Die Ratsmehrheit aus SPD, FDP und Grünen sowie die CDU hatten bei den Beratungen zahlreiche Änderungen durchgesetzt. Einig waren sich beide Lager, dass die Ausstattung der Feuerwehr verbessert werden müsse. Dazu gehören der Neubau des Feuerwehrgerätehauses in Kall und die Sanierungen der Gerätehäuser in Wahlen und Sistig. Die Christdemokraten erhielten Mehrheiten für die Ersatzbeschaffungen von Feuerwehrfahrzeugen sowie die Anschaffung von Anhängern zur Verbesserung der Hygiene nach Einsätzen.

SPD, FDP und Grüne hatten ferner beantragt, die Mittel für Hochwasserschutz um 700.000 auf eine Million Euro anzuheben. Weitere 350.000 Euro sind für Hochwasserschutzmaßnahmen am Kallbach zwischen Golbach und Sistig vorgesehen. 500.000 Euro werden bereitgestellt, um in Kooperation mit den Südkreiskommunen eine eigene Wohnungsbaugenossenschaft zu gründen, die sich um die Entwicklung von mehr preisgünstigem Wohnraum kümmern soll.

Die CDU erhielt unter anderem eine Mehrheit für ihren Antrag, einen neuen Ratssaal zu bauen. Der alte Saal sei im Zuge der Rathaussanierung zu Büroräumen umgebaut worden. Ein neuer Saal auf dem Haus der Begegnung soll nach Schätzung der Verwaltung etwa 1,5 Millionen Euro kosten. Für eine Aufstockung des Gebäudes waren in den Jahren 2023 bis 2025 laut CDU ohnehin 1,2 Millionen Euro eingeplant. Die Gelder werden nun für den Neubau des Ratssaals umgewidmet.

SPD-Chef sieht eine lange Liste von zu erledigenden Aufgaben

„Die Liste der Aufgaben, die vor uns liegt, bleibt lang“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Emmanuel Kunz. „Natürlich wünschen wir uns alle, dass wir schneller vorankommen, doch die bürokratischen Hindernisse und auch die knappen personellen Ressourcen stellen hier Grenzen dar.“ Zu einer verantwortlichen Politik gehöre es auch, sparsam vorzugehen: „Vorratsbeschlüsse über Steuererhöhungen lehnen wir ab.“

Ein neuer Ratssaal sei für die SPD kein Thema: „Wir sollten uns für die günstigste Lösung entscheiden.“ Man solle sich lieber auf den Hochwasserschutz und Themen wie bezahlbarem Wohnraum konzentrieren. Ein neues Highlight in Kall werde sicherlich die neue Sport- und Spielfläche in der Auelstraße.

CDU für Parkraumbewirtschaftung oder Tourismusabgabe

„Die finanzielle Situation in Kall wird in den kommenden Jahren nicht besser“, betonte Bert Spilles (CDU). Vielen Vorschlägen der Ampel habe die CDU zustimmen können. In den Punkten, in denen die CDU eigene Anträge gestellt habe, habe man einen Kompromiss finden können. „Etwas enttäuscht waren wir über das Fehlen von Anträgen der Ampel, die die Finanzen der Gemeinde verbessern“, sagte Spilles.

Die CDU schlug vor, die Einnahmen zu erhöhen, indem eine Parkraumbewirtschaftung oder eine Tourismusabgabe eingeführt werden. „Bei mehr als 30.000 Übernachtungen im Jahr in Kall und steigender Tendenz sollten wir darüber nachdenken“, so Spilles. Um das Minus bei der Unterhaltung der Leichenhallen zu reduzieren, solle über neue Nutzungsarten wie Kolumbarien nachgedacht werden. In solchen Gebäuden werden Urnen oder Särge aufbewahrt.

Für die Kaller FDP sind die Kosten schlicht zu hoch

„Für die FDP hat die Gemeinde Kall kein Einnahmeproblem, sondern die Kosten sind schlicht zu hoch“, meinte Dr. Manfred Wolter (FDP). „Wohngebiete, bezahlbarer Wohnraum, Kindergärten und weitere Gewerbeflächen – bei allem tun wir uns in Kall unendlich schwer“, so Wolter. „Große Wohngebiete, wie auf dem Fels geplant, sind aus der Zeit gefallen.“

Baulücken schließen und die Umwandlung ehemaliger Gewerbeflächen in Baustellen wie zum Beispiel oben im Auel ließen sich viel zügiger und kostengünstiger realisieren. „Wir erleben in diesen Tagen einen Vertrauensverlust der etablierten Politik. Auch deshalb müssen wir zukünftig schneller und effektiver liefern“, so Wolter. In Kall fehle es vor allem an bezahlbarem Wohnraum.

Grünen wollen Bürgerentscheide bei großen Projekten

Für die Grünen stellte Uli Meisen die Frage, „ob alle 121 Projekte aus dem Wiederaufbauplan der Gemeinde mit Kosten von insgesamt 66,5 Millionen auch wirklich so sein müssen inklusive einem größer, schöner, moderner, teurer“. Fragwürdige Projekte seien unter anderem der Neubau der Brücke im Weiherbenden, die Sanierung des Bahnhofvorplatzes, der geplante Urftauenpark und der Sportplatz in Sötenich samt Starkregenschutz, Sportlerheim und Bürgerhaus.

Meisen legte eine lange Liste mit Projekten vor, deren Kosten und Nutzen aus Sicht der Grünen analysiert werden müssten. Bei großen Projekten wie dem Hallenbad seien zudem Bürgerentscheide wünschenswert.

Keine Haushaltsrede in diesem Jahr von der AfD

Frank Poll (AfD) sorgte für ein Novum: Er trug seine Rede gar nicht erst vor und sagte, er werde sie direkt der Presse schicken. Das tat er aber nicht, und die Rede war auch trotz einer Nachfrage der Redaktion nicht zu bekommen.

Die größten Einnahmeposten im Kaller Haushalt 2024 sind die Gewerbesteuer mit knapp 8,9 Millionen und der Anteil an der Einkommenssteuer mit knapp 6,2 Millionen Euro. Die Grundsteuer B ist mit knapp 2,4 Millionen Euro veranschlagt. Auf der Ausgabenseite schlagen vor allem die Transferaufwendungen wie die Kreisumlage (rund 10 Millionen Euro), die Kosten für Instandsetzung und Unterhaltung (14,1 Millionen) sowie die Personalausgaben für die Verwaltung (11,2 Millionen Euro) zu Buche.

Laut Kämmerer Markus Stoff sind fast 35 Millionen Euro an Investitionen geplant. Der Eigenanteil liege mit knapp 11 Millionen Euro bei etwas mehr als 30 Prozent. Die beiden größten Posten seien das neue Feuerwehrgerätehaus in Kall mit 14 Millionen und die Sanierung der Grundschule Kall mit 6,5 Millionen Euro. Während die Kosten für die Schule komplett durch Wiederaufbaumittel abgedeckt sind, muss die Gemeinde beim Gerätehaus nach jetzigem Stand mehr als sechs Millionen Euro übernehmen.