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Sauer auf SPDGrünen-Sprecher Dorothee Kroll und Wilfried Gierden im Interview

Lesezeit 6 Minuten

Stellen den Klimaschutz in den Mittelpunkt: Dorothee Kroll und Wilfried Gierden.

  1. Grünen-Sprecher Dorothee Kroll und Wilfried Gierden sind sauer auf die SPD:
  2. Sie wollen empfehlen, SPD-Landratskandidat Ramers nicht zu unterstützen.
  3. Lesen Sie im Interview, woher die Wut kommt – und wofür sich die Grünen im Kreis Euskirchen einsetzen.

Kreis Euskirchen – Warum sie sauer auf die SPD sind, erklären die beiden Grünen-Sprecher im Gespräch mit Michael Schwarz.

Frau Kroll, Herr Gierden, die Grünen befinden sich im Höhenflug. Haben Sie keine Angst vor dem Absturz?

Kroll: Dem Höhenflug sind ja einige Dinge vorausgegangen: die Klimastreiks der Schülerinnen und Schüler, das Rezo-Video oder die Auseinandersetzung im Hambacher Forst. Das zeigt, dass grüne Fragen und die Ökologie für viele, vor allem junge Leute, wichtig sind.

Wie wollen Sie diese Themen für die Kommunalwahl im Herbst 2020 nutzen?

Gierden: Ich warne davor, das Ergebnis der Europawahl, bei der wir im Kreis auf Platz zwei vor der SPD gelandet sind, eins zu eins auf die Kommunalwahl herunterzubrechen.

Werden die Grünen für die Wahl 2020 einen Landratskandidaten oder eine -kandidatin aufstellen?

Gierden: Das entscheidet bei uns eine Kreismitgliederversammlung.

SPD-Landratsbewerber Markus Ramers spricht von einer Kandidatur der Einladung. Werden die Grünen ihn den Wählern empfehlen?

Kroll: Wir beide sehen keinen Anlass, jemanden zu unterstützen, dessen Partei uns in Fragen des Klimanotstandes so in die Parade fährt. Wir werden den Mitgliedern empfehlen, Ramers nicht zu unterstützen, sondern einen eigenen Kandidaten oder eine Kandidatin aufzustellen. Ich wüsste nicht, wie wir eine Unterstützung Ramers’ unseren Wählern vermitteln sollten.

Ist eine Unterstützung des CDU-Kandidaten Johannes Winckler völlig ausgeschlossen?

Kroll: Ja, CDU und Grüne im Kreis haben keine Schnittmenge.

Selbst wenn Sie einen Teil dieses Erfolges bis zur Kommunalwahl halten können, haben die Grünen dann überhaupt ausreichend Kandidaten für die gewonnenen Sitze in den Räten und im Kreistag?

Gierden: Das ist ein Thema, das wir ansprechen müssen – zumindest im Süden des Kreises. Es ist für viele ein Unterschied, eine Partei zu wählen oder ihr sogar beizutreten oder aber im Rat oder Kreistag mitzumachen.

Kroll: Im Nordkreis sieht es da besser aus: Wir haben in Euskirchen innerhalb der letzten Monate um gut ein Drittel zugelegt – von 30 auf 43 Mitglieder. Darunter sind viele junge Menschen, sehr engagiert und sehr kompetent. Das gilt auch für andere Ortsverbände. Ab 16 darf man ja bei der Kommunalwahl wählen, das passive Wahlrecht gilt aber leider erst ab 18.

Zu den Personen

Dorothee Kroll (63) ist im zweiten Jahr Co-Sprecherin des Kreisverbandes Euskirchen von Bündnis 90/Die Grünen. Die Lehrerin ist Fraktionsvorsitzende im Euskirchener Stadtrat und Mitglied des Kreistages.

Wilfried Gierden ist seit fünf Jahren einer von zwei Sprechern des Grünen-Kreisverbandes. Der 45-Jährige ist Mitglied des Blankenheimer Gemeinderates sowie Sachkundiger Bürger im Ausschuss für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Konversion Vogelsang des Kreises. Gierden ist selbstständiger Wirtschaftsinformatiker. (sch)

Das klingt nach einem Nord-Süd-Gefälle.

Gierden: Ja, so ist es. Ich wohne in Blankenheim, da ist es schwieriger, Menschen für aktive Politik zu gewinnen. Aber in Dahlem haben wir Leute gefunden, die wieder einen Ortsverband gründen möchten. Das war ja unser weißer Fleck.

Kroll: Je nachdem, wie sich das Thema Klima bundesweit entwickelt, werden wir womöglich noch mehr Zulauf haben.

Mit Ihrem Antrag, im Kreis den Klimanotstand auszurufen, sind Sie bei den anderen Fraktionen im Kreistag gegen eine Wand gelaufen. Wie sehr ärgert Sie das?

Kroll:

Ich bin sehr enttäuscht. In vielen anderen NRW-Kommunen, auch mit CDU-Mehrheit, ist der Klimanotstand ausgerufen worden. Dort macht man sich viele Gedanken darüber, wie man das Vorhaben Klimaschutz mit Leben erfüllen kann.

Warum ist Ihnen die Ausrufung so wichtig, wenn Sie doch selber im Antrag schreiben, dass er keine politische Verpflichtung beinhaltet?

Gierden: Das Wort Klimanotstand ist in der Tat ein Symbol. Der Inhalt ist aber viel wichtiger: Wir haben das Problem mit der Erderwärmung, davon ist auch gerade unser Kreis betroffen. In den Gremien der Kommunen und des Kreises wird das Wort Klimaschutz sehr oft in den Mund genommen, auch von den anderen Fraktionen, aber so richtig gehandelt wird nicht danach.

Was kann im Kreis für den Klimaschutz getan werden?

Kroll: Mehr Windkraft, auf jeden Fall. Das ist mit dem neuen Landesentwicklungsplan, den die SPD im Kreistag leider Gottes begrüßt hat, erheblich erschwert worden. Der Ausbau des Personennahverkehrs ist ganz wichtig. In der Landwirtschaft muss einiges geschehen – Stichwort: Dünger –, und die Versiegelung der Flächen muss eingedämmt werden.

Gierden: Auch die Digitalisierung kann den Klimaschutz voranbringen, wenn Leistungen von zu Hause erbracht oder abgerufen werden können, entlastet das den Verkehr.

Ist insofern der Kreishausanbau ein Fehler?

Kroll: Eine neue Rettungsleitstelle ist ja unausweichlich, und dass die Agentur für Arbeit im Kreishaus ihre Kundinnen und Kunden wird beraten können, ist auch richtig. Ein großes Problem ist aber, dass die SPD mit den anderen kleinen Fraktionen für die Betonbauweise gestimmt hat. Beton ist mit das klimaschädlichste Baumaterial überhaupt. Wir haben ja mit der CDU für die Holzbauweise gestimmt, hatten aber keine Mehrheit. Ganz schlimm ist die Kostensteigerung. Ich befürchte, dass wir mit 42 Millionen Euro noch nicht am Ende sind. Wir haben uns deshalb letztlich gegen den Ausbau entschieden.

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Als Gegner des A1-Ausbaus haben die Grünen ein weiteres Alleinstellungsmerkmal im Kreistag. Was ist ökologisch daran, den Verkehr durch die Landschaft und die Orte fahren zu lassen?

Kroll: Der Ausbau von einem Kilometer Autobahn kostet etwa 20 Millionen Euro. Bei fehlenden 25 Kilometern für den Lückenschluss macht das fast 500 Millionen Euro. Zukunftsfähiger wäre es, dieses Geld in die Schiene zu investieren, damit die Güter dort transportiert werden können. Die Verlagerung vom Dorf auf die Autobahn wäre nur ein kleiner Fortschritt für die Dörfer. Aber für alle, auch für die Dörfer, wäre es besser, das Geld für den Güterverkehr auf der Schiene zu verwenden.

Die Grünen im Bund wollen die Pendlerpauschale im Gegenzug zur CO2 -Besteuerung nicht anheben. Wie erklären Sie das den Pendlern im Kreis?

Kroll: Wir haben einen großen Zuzug aus den Ballungsräumen wegen der niedrigen Grundstückspreise hier und der hohen Wohnkosten dort. Das geschieht aber auf Kosten der Umwelt. Das ist keine Lösung. Besser wäre es, mehr Wohnungen in den Großstädten zu bauen. Für die Pendler brauchen wir einen viel besseren Öffentlichen Personennahverkehr.

Gierden: Wer ökologisch sauberer zur Arbeit fährt, sollte stärker belohnt werden als der, der alleine im Pkw zur Arbeit fährt. Auch hier kann die Digitalisierung mit Homeoffice helfen. Ich glaube nicht, dass viele Menschen gerne täglich stundenlang mit der Bahn oder mit dem Auto unterwegs sind.

Kroll: Auch eine Stärkung eines nachhaltigen Tourismus wäre wichtig – im Gegensatz zu Kurzurlauben mit dem Flieger.

Glauben Sie, die Urlauber freuen sich dann über die Windräder in der Landschaft?

Kroll: Auch die Urlauber wissen, dass Windräder allemal besser sind als die Kohleverbrennung.