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Online-UntersuchungAltenheime im Kreis Euskirchen sind Vorreiter in der Telemedizin

Lesezeit 5 Minuten
Pflegedienstleiter Arno Brauckmann hält ein Notebook in der Hand und demonstriert, was ein Arzt bei der Telemedizin sehen würde. Im Hintergrund sitzt eine Patientin.

Wenn Pflegedienstleiter Arno Brauckmann der Arzt wäre und Birgit Weber die Patientin, könnte er aus seiner Praxis über den Computer mit ihr sprechen und eine Diagnose stellen.

Das Projekt ist in den Alltagsbetrieb übergegangen. Elf Altenheime setzen den Teledoc ein. Mit der AOK ist eine Krankenkasse mit im Boot.

Große Erneuerungen auf dem Sektor der medizinischen Versorgung sind bisher eher selten vom Kreis Euskirchen ausgegangen. Doch in diesem Fall ist das anders. Denn das Projekt, Telemedizin in den Altenheimen zu verankern, ist nun von der Projektphase in den Alltagsbetrieb übergegangen und hat den neuen Namen „Visit-On“ erhalten.

Statt zwei Altenheimen wie während der Erprobung sind es mittlerweile elf, die das Verfahren einsetzen. Mehr als zehn Hausärzte stehen bereit, um im Notfall Konsultationen und Untersuchungen über das Internet durchzuführen.

Die AOK bietet die Möglichkeit, die Kosten für Telemedizin abzurechnen

Damit ist der Kreis Euskirchen Vorreiter in der neuen Technologie. Und noch mehr: Mit der Vertragsunterzeichnung der AOK hat zum ersten Mal eine Krankenkasse Altenheimen die Möglichkeit eröffnet, die Kosten, die für die Telemedizin in den Altenheimen entstehen, direkt bei ihnen abzurechnen.

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Der entsprechende Vertrag wurde im Evangelischen Altenheim (EvA) in Gemünd unterzeichnet. Und, wie Regionaldirektor Helmut Schneider von der AOK mitteilte, gebe es vielversprechende Gespräche mit anderen Krankenkassen, die über eine Öffnungsklausel dem Vertrag beitreten könnten.

40 Prozent Krankenhauseinweisungen weniger im EvA in Gemünd

Der Ort der Vertragsunterzeichnung war nicht zufällig gewählt. Denn neben einem Altenheim in Heinsberg war das EvA in Gemünd eine der zwei Einrichtungen, die das Projekt „Aida“ der Firma Docs& Clouds ausgiebig testeten. Und die Ergebnisse waren mehr als überzeugend. Rund 40 Prozent der sonst üblichen Krankenhauseinweisungen der Bewohner des Altenheims konnten vermieden werden. „Dabei haben wir sowieso bereits eine geringe Anzahl an Einweisungen“, so Malte Duisberg, Geschäftsführer des EvA.

Helmut Schneider (von links), Markus Ramers, Malte Duisberg, Matthias Mohrmann und Claudia Moll stehen um einen Bildschirm herum.

Einen Vertrag über die Abrechnung der telemedizinischen Aufwendungen unterzeichnet: Helmut Schneider (v.l.), Markus Ramers, Malte Duisberg, Matthias Mohrmann und Claudia Moll.

An dem Verfahren ist eigentlich nichts unkompliziert, doch die Idee ist überzeugend. Über einen mobilen Computer kann der Patient online einem Arzt vorgestellt werden. Über das Gerät können die wichtigsten Untersuchungen vorgenommen werden, damit eine sichere Diagnose getroffen werden kann.

Der Teledoc soll nicht in erster Linie Hausbesuche ersetzen

Dabei sollen nicht in erster Linie Hausbesuche ersetzt werden, sondern vor allem bietet das Gerät den Pflegekräften die Möglichkeit, Kontakt mit einem Arzt aufzunehmen, wenn Patienten über Beschwerden klagen. So kann dieser auf diesem Weg eine fundierte Einschätzung der Situation leisten. „Das ist die Zukunft“, zeigte sich Claudia Moll, Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege und selbst Altenpflegefachkraft, begeistert.

„Zuerst habe ich gedacht, jetzt sollen wir das auch noch machen“, gestand sie. Doch dann schilderte sie drastisch die Situation, der sich Pflegekräfte während einer Notlage stellen müssen: Anruf beim ärztlichen Notdienst mit teilweise stundenlangen Wartezeiten. Der Patient habe Beschwerden und bekomme Angst. „Und dann kommt ein Kinderarzt oder Orthopäde ans Telefon.“

Gerade bei demenziellen Erkrankungen ist das schwierig, ein Aufenthalt im Krankenhaus nicht gut.
Claudia Moll, Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege und Altenpflegefachkraft

Natürlich sei nichts gegen diese Ärzte zu sagen, doch dann werde in der Regel der Rettungsdienst gerufen und der Patient ins Krankenhaus eingewiesen. „Gerade bei demenziellen Erkrankungen ist das schwierig, ein Aufenthalt im Krankenhaus nicht gut“, sagte Moll. „Der Teledoc hat nicht nur die Krankenhauseinweisungen signifikant verringert. Er stärkt die Pflegekräfte in ihrer Fachlichkeit, spricht junge, technik-affine Mitarbeitende an und verbessert das Image des Pflegeberufes“, lobte Duisberg das Projekt, das in seinem Haus vor allem von Pflegedienstleiter Arno Brauckmann vorangetrieben wurde.

Gleichzeitig sichere der Teledoc die Haus- und hoffentlich auch bald die fachärztliche Versorgung der Bewohner im ländlichen Umfeld und ermögliche den Menschen im Idealfall den Verbleib in der gewohnten Umgebung. Denn ein Ziel des Projektes sei auch die Anbindung an die Facharztpraxen im Kreis, fügte er hinzu.

Kreis Euskirchen unterstützte bei Finanzierung der Technikbeschaffung

Viel Lob erfuhr auch der Kreis Euskirchen, der sich mit der Unterstützung der Finanzierung zur Beschaffung der Technik für das Projekt engagiert hatte. „Das ist nicht selbstverständlich“, lobte Helmut Schneider, Regionaldirektor der AOK, das Engagement. Doch die Beschaffung sei nur eine Seite der Medaille, schließlich müssten die Geräte auch betrieben werden. Um diese Kosten zu finanzieren, sei deshalb der Vertrag zwischen der AOK und dem Altenheim geschlossen worden. Doch wenn die AOK in der Region auch stark sei, so werde damit nur ein Teil der Patienten abgedeckt. Deshalb sei die Beteiligung anderer Krankenkassen erwünscht.

„In den Regionen kennen sich die Leute, vertrauen sich und können so Anstöße für die Bundesebene leisten“, lobte Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg, die Initiative. Nicht Konkurrenz, sondern Kooperation habe die Menschheit vorangebracht.

Pflegekräfte stoßen in Notsituationen an ihre Grenzen

Immer wieder würden Pflegekräfte in Notsituationen an Grenzen stoßen. Durch die Telemedizin würden aber auch die Rettungsdienste entlastet. „Die Telemedizin verbindet die pflegerische mit der medizinischen Kompetenz“, sagte er. Im Notfall müsse keiner der Beteiligten seinen Standort verlassen. Es werde eine Entscheidung auf Augenhöhe getroffen, die einen Gewinn an Lebensqualität für die Patienten bedeute.

Allerdings klafft noch eine Lücke in dem System, das sich zurzeit im Aufbau befindet. Der Kontakt zu den Hausarztpraxen, die sich an dem Projekt beteiligen, sei nur zu deren Öffnungszeiten möglich, erläuterte Duisberg. Es sei geplant, das System auch auf den ärztlichen Notdienst auszuweiten. Um die Kompetenz der ärztlichen Ansprechpartner zu gewährleisten, sei ein Ziel, eine Zusammenarbeit mit einer geriatrischen Klinik zu realisieren. Auch sei die Verbindung mit fachärztlichen Praxen denkbar.


So funktioniert die Untersuchung

Bei der telemedizinischen Untersuchung wird über das Internet ein Kontakt zwischen dem Untersuchungscomputer im Altenheim und der Praxis des Hausarztes hergestellt.

Eine Vielzahl von Untersuchungen können von den Pflegekräften auf Anweisung des Arztes durchgeführt werden und ihm eine Diagnose ermöglichen. Da der Hausarzt diese Konsultation während seiner Sprechstunden durchführen kann, entfällt für die Bewohner der Altenheime die Wartezeit für einen persönlichen Arztbesuch. Bei dringenden Beschwerden kann so auch ein Krankenhausaufenthalt vermieden werden.

Befürchtungen, die Senioren könnten Probleme mit der modernen Technik haben, räumte Malte Duisberg aus. Sie seien durch die Corona-Pandemie Internetkontakte mit ihren Verwandten gewohnt. „Die freuen sich und winken, wenn sie die Ärzte auf dem Bildschirm sehen“, berichtete er schmunzelnd.