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Interview mit Markus Ramers„Beim Hochwasserschutz geht es mir auch nicht schnell genug“

Lesezeit 8 Minuten
Euskirchens Landrat Markus Ramers steht auf dem Balkon am Kreishaus und breitet die Arme aus.

Landrat Markus Ramers auf dem Balkon des Kreishauses. Der Freilinger ist in der zweiten Halbzeit seiner Amtszeit angekommen.

Markus Ramers hat die erste Halbzeit seiner Legislatur als Landrat des Kreises Euskirchen hinter sich. Im Interview blickt er auch nach vorn.

Krise hier, Krise da – Herr Ramers, macht Ihnen Ihre Arbeit Spaß?

Landrat Markus Ramers: Ich empfinde es als große Ehre, Landrat sein zu dürfen, und ich kann mir aktuell nichts Besseres vorstellen. Natürlich war ich auch gerne Lehrer, aber mein aktueller Job, was ich jetzt erlebe, ist einfach toll. Jeder Tag ist anders, an jedem Tag hat man mit interessanten Menschen zu tun. Auch die Aufgabe als Leiter der Kreispolizeibehörde liegt mir sehr am Herzen und ist unglaublich bereichernd. Man kann insgesamt so viel für den Kreis verwirklichen.

Gibt es etwas, was Sie rückblickend anders machen würden?

Alles zum Thema Corona

Natürlich hinterfrage ich mich. Aber wir haben alle Entscheidungen auf Basis der jeweiligen Erkenntnislage getroffen. Das hat sich meistens als richtig herausgestellt, aber es waren auch Dinge dabei, die wir im Nachhinein vielleicht anders hätten machen sollen. Ich denke hier an die eine oder andere Corona-Entscheidung, beispielsweise die Einführung der Pool-Testungen in Kitas – wo sich der Zeitpunkt rückblickend als unglücklich erwiesen hat.

Werden Sie für eine zweite Amtszeit kandidieren?

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Es gibt noch eine Menge zu tun, und die Arbeit bereitet mir so viel Freude, dass ich derzeit nicht an Wahlkampf denke. Die Entscheidung wird früh genug fallen und definitiv mit der Familie besprochen. Stand heute kann ich mir nichts Besseres vorstellen, als diesen Job zu machen.

Wenn Sie auf die zweite Hälfte Ihrer Legislaturperiode blicken: Was würden Sie gerne als Landrat erleben?

Ich hoffe, dass wir bei den vielen guten Ideen und Konzepten – zum Beispiel aus der Nachhaltigkeitsstrategie, dem Masterplan Radverkehr, dem Ausbau des Bevölkerungsschutzes oder der Fachkräfteoffensive – noch mehr in die Umsetzung konkreter Projekte kommen.

Landrat Markus Ramers freut sich auf den Kreishausanbau

Und dann freue ich mich natürlich auf einen baldigen Bezug des Kreishausanbaus. Da bin ich recht optimistisch, dass die Fertigstellung bis Winter 2023 erfolgen wird. Bei der Leitstelle dauert es dann ein paar Monate länger.

Vieles dauert einfach sehr lange. Auch beim Hochwasserschutz geht es vielen Bürgern nicht schnell genug.

Mir auch nicht. Da kann auch ich ein ungeduldiger Mensch sein. Es gibt wenige Dinge, über die ich so viele Nerven verloren habe, wie über das Thema Hochwasserschutz. Es gibt allein schon unterschiedliche Fördertöpfe für die Erstellung von Konzepten zum Hochwasserschutz und zur Starkregenvorsorge. Diese strikte Unterteilung verstehe, wer will. Für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen gibt es zum Teil noch keine Fördermittel. Man erwartet von uns, dass wir schnell und pragmatisch handeln. Und das wollen wir auch.

Landrat Markus steht auf dem Balkon am Kreishaus. Er lächelt.

Landrat Markus Ramers auf dem Balkon des Kreishauses. Der SPD-Mann ist nun seit einer halben Legislaturperiode im Amt.

Doch die Förderungen und die Genehmigungsverfahren bleiben viel zu kompliziert. Wir brauchen konkrete Maßnahmen. An keiner Stelle sollen derzeit die bürokratischen Hürden reduziert werden. Die Menschen haben aber eine ganz andere Erwartungshaltung – und das auch zu Recht. Das Deutschlandtempo, wie der Bundeskanzler es immer wieder vorgemacht hat, wünsche ich mir auch bei Klimaanpassungskonzepten. Manche Dinge müssen einfach schneller werden.

Sie sind seit November 2020 Landrat – und wurden unmittelbar mit der Corona-Krise konfrontiert. Die Krise war nicht überstanden, dann kam die Hochwasserkatastrophe. Welche Lehren haben Sie aus dieser Zeit gezogen?

Ich habe in den Krisenzeiten persönlich eine Menge gelernt. An meinem zweiten Arbeitstag als Landrat hatte ich die erste Krisenstab-Sitzung. Das war wirklich ein Kaltstart. Ich wusste nicht genau, was mich erwartet – auch wenn mich mein Vorgänger, Landrat Günter Rosenke, natürlich vorbereitet hatte. Mir war sehr schnell bewusst, dass ich mich hier in der Verwaltung und im Kreis auf viele Menschen verlassen kann. Hier hält man zusammen. Bei allen Baustellen, die wir auch haben. Das gibt einfach ein gutes Gefühl.

Was musste der Kreis lernen, was hat er gelernt?

Wir müssen krisenfester werden und auch das Undenkbare denken. Im Bevölkerungsschutz stellen wir uns nach Flut und Corona besser auf. Deshalb haben wir gerade in die Infrastruktur der Kommunikation investiert. Wir haben Starlink-Systeme für alle Kommunen angeschafft.

Wir müssen krisenfester werden und auch das Undenkbare denken.
Landrat Markus Ramers

Vor wenigen Wochen haben wir die Beschaffung von Satellitentelefonen und weiteren Starlink-Systemen in Auftrag gegeben. Zudem haben wir kreisweit ein System von Notfallmeldestellen eingeführt. Aber bei aller Technik bleibt auch hier die Unterstützung der vielen ehrenamtlichen Einsatzkräfte in Feuerwehr und Hilfsorganisationen das Wichtigste.

Sie haben das Jahr des Fachkräftemangels ausgerufen. Was hat es damit auf sich?

In den kommenden zehn Jahren geht rund ein Viertel der Arbeitskräfte im Kreis Euskirchen in den Ruhestand. Wenn man die Zahl der Schulabgänger in diesem Zeitraum betrachtet, dann ist klar, dass eine große Lücke bleiben wird. Die angehenden Ruheständler werden nicht durch die jungen Nachwuchskräfte ersetzt werden können. Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist jetzt schon eine echte Entwicklungsbremse.

Landrat Markus Ramers: Wir brauchen moderne und digitale Angebote

Wie soll beispielsweise die Mobilitätswende geschafft werden, wenn keine Busfahrer da sind? Wie soll die Energiewende bewältigt werden, wenn keine Handwerker da sind, die die Wärmepumpen einbauen? Wer kümmert sich, wenn zu wenige Pflegekräfte in den Heimen arbeiten? Wir haben ein Mengenproblem. Und wie soll das Problem angegangen werden? Immer noch strebt ein Großteil der Schülerinnen und Schüler ein Studium an – ohne sich im Vorfeld auch nur im Ansatz Gedanken über einen klassischen Ausbildungsgang zu machen. Tatsache ist auch, dass ein Drittel das Studium wieder abbricht.

Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel macht in Bad Münstereifel ein Selfie mit einer Schülerin.

Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch in Bad Münstereifel. Auch Landrat Markus Ramers war dabei.

Daher müsste es das Ziel sein, so früh wie möglich auch an den Gymnasien und Gesamtschulen in die Berufsorientierung einzusteigen, um alternative und attraktive Wege neben einem Studium aufzuzeigen. Es geht um punktgenaue Vermittlung, persönliche Beratung und Begleitung sowie moderne digitale Angebote.

Das heißt?

Das Handwerk ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Deshalb müssen wir gerade im ländlichen Raum zeigen, wie innovativ und zukunftsorientiert in diesen Feldern gearbeitet werden kann – das geht nur mit gut ausgestatteten Berufskollegs und einem Berufsbildungszentrum auf der Höhe der Zeit. Dazu machen wir viele Dinge, die eine große Wirkung haben können – wie unsere Job-Speeddating-Formate, die Entwicklung eines Euskirchen-Stipendiums und natürlich die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte. Die erste Gruppe ausländischer Pflegekräfte kommt vermutlich 2024.

Aber auch sonst dürfte Ihnen nicht langweilig in der zweiten Halbzeit werden, oder?

Nein, wir haben so viele spannende Themen, bei denen klar wird, dass wir eine moderne und innovative Region sind. Eins davon ist die Telemedizin. Da sind wir Vorreiter in Deutschland. Ein weiteres Großprojekt ist derzeit die Digitalisierung unseres Gesundheitsamtes sowie der weiteren Dienstleistungen der Kreisverwaltung.

Ramers: Es gibt viele Dinge im Kreis Euskirchen, die erst am Anfang sind

Der Auf- und Ausbau der Wasserstofftechnologie sowie die Etablierung der „Ideenfabrik“ in der Alten Tuchfabrik sind weitere Zukunftsthemen. Es gibt viele Dinge, die erst am Anfang sind. Da freue ich mich drauf, wie sie sich weiterentwickeln.

Ihr Vorgänger Günter Rosenke hat viele Jahre einen Neujahrsempfang veranstaltet. Unter Ihrer Regie hat es den bisher nicht gegeben.

Dafür gab es Gründe. Vor allem die Corona-Pandemie. Zudem ist es Anfang des Jahres immer terminlich recht eng, weil auch der Karneval schnell um die Ecke kommt. Deswegen werde ich die Tradition ein wenig anders weiterführen. Es wird am Freitag erstmals einen Sommerempfang des Landrats geben. Nicht ändern möchte ich die Tatsache, dass ein Thema im Mittelpunkt steht. In diesem Jahr ist es der Fachkräftemangel, über den wir mit Gästen sowie Expertinnen und Experten sprechen wollen.

Euskirchens Landrat Markus Ramers lehnt am Balkon seines Büros im Kreishaus.

Seit mehr als 950 Tagen ist Markus Ramers Landrat im Kreis Euskirchen.

Apropos sprechen. Auf ihrem privaten Social-Media-Account posten Sie immer wieder Fotos aus Ihrem Alltag und zu Themen, die den Kreis betreffen. Wie wichtig ist es Ihnen, die Menschen über die Sozialen Netzwerke mitzunehmen?

Moderne Kommunikation über die Sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram oder LinkedIn gehört heutzutage zum Alltag von Amtsträgern. Mit meinen Beiträgen versuche ich, die Menschen im Kreis möglichst direkt zu erreichen, den Alltag als Landrat transparent zu machen, aber auch wichtige und interessante Informationen zu verbreiten.

Aber es gibt doch nicht nur positive Resonanz?

Klar, Kritik gibt es immer wieder, und die ist auch wertvoll, wenn sie sachlich formuliert wird. Bei manchen unterirdischen Kommentaren oder Lach-Smileys unter ernsten Beiträgen kann ich allerdings nur mit dem Kopf schütteln. Wenn Sie sich durch Ihren Instagram-Account klicken:

Was war der schönste Post während Ihrer Amtszeit? Welcher war nötig, auf den Sie am liebsten verzichtet hätten?

Oh je, da haben sich in den Jahren einige Beiträge angesammelt. Die schönsten Posts sind für mich nicht unbedingt die mit den meisten Likes, sondern die, die Begegnungen mit Menschen und Vereinen im Kreis dokumentieren. Die Bilder von Karneval in diesem Jahr, etwa von meinem ersten Prinzenempfang im Kreishaus, zählen sicher dazu. Notwendig waren für mich hin und wieder Posts, in denen ich sehr deutlich Stellung bezogen habe – etwa gegenüber Corona-Leugnern oder zu Hetze im Netz, in der das Leid von Erdbebenopfern in der Türkei gegen das der Flutopfer in unserer Region ausgespielt wurde.

Verzichtet hätte ich gerne auf die Beiträge in den Tagen und Wochen nach der Flutkatastrophe. Die Bilder zeigen neben dem Zusammenhalt das Ausmaß der Zerstörung und die Verzweiflung der Betroffenen. Wenn ich mir das heute in meinem Profil anschaue, merke ich, wie emotional und berührend das auch für mich persönlich war und immer noch ist.

Wie wird der Kreis Euskirchen im Jahr 2025 aussehen?

Ich halte es hier mit Antoine de Saint-Exupéry: „Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen.“ Und wir machen gerade viel möglich.