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Bezahlkarte für GeflüchteteRamers' Vorstoß stößt im Kreis Euskirchen auch auf Kritik

Lesezeit 6 Minuten
Ein Geflüchteter hält eine Debitkarte in der Hand (Symbolbild).

Grundsätzlich auf Zustimmung stößt die Bezahlkarte im Kreis. Doch die Spitzen in den Rathäusern haben noch Klärungsbedarf.

Die Bürgermeister im Kreis Euskirchen haben noch einige Fragen zur Bezahlkarte für Asylbewerber. Einen „Flickenteppich“ will jedoch niemand.

Der Landrat hätte es gerne einheitlich. Er werbe dafür, so Markus Ramers am Donnerstag in einer Videobotschaft über seinen privaten Account, dass alle Städte und Gemeinden im Kreis die Bezahlkarte für Asylbewerber einführen. Dafür gab es nun Zustimmung, aber auch Kritik.

CDU-Bundestagsmitglied Detlef Seif etwa stimmt Ramers insofern zu, dass ein Flickenteppich vermieden werden sollte. Über allem stehe das Ziel, „die irreguläre Migration zu verringern“, so Seif. Dafür sei eine möglichst einheitliche Einführung der Bezahlkarte eine Voraussetzung. Dass Ramers aber den NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) angreift, weil der es den Kommunen überlassen wolle, ob sie die Bezahlkarte einführten, verbucht Seif unter „parteipolitischen Klamauk“.

Jan Lembach erklärt Landrat Markus Ramers, wie es in der Gemeinde Dahlem läuft

Denn Wüst folge nur den Verabredungen der Bund-Länder-Gruppe, so Seif: „Der Landrat sollte also erstmal bei seinen Parteifreunden in der SPD mit seiner Kritik anfangen.“ Auch Wüst habe sich für eine flächendeckende Einführung ausgesprochen, so Seif.

NRW sei „voll im Geleit mit den 14 Ländern“, die sich gemeinsam auf den Weg gemacht hätten, sagte Wüst am Donnerstag. Die freiwillige Einführung sei Wunsch der kommunalen Spitzenverbände in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe gewesen, so der Ministerpräsident. Sonst hätte es keine Einigung gegeben.

Landrat Markus Ramers (l.) und Ministerpräsident Hendrik Wüst bei einem Termin 2022 in Bad Münstereifel.

Kritik übte Landrat Markus Ramers (l.) an Ministerpräsident Hendrik Wüst. MdB Detlef Seif springt Wüst zur Seite.

Auch bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern trifft Ramers nicht nur auf Zustimmung – etwa mit seiner Aussage, dass bei einer Bezahlkarte die Geflüchteten nicht mehr „Woche für Woche“ zum Rathaus müssten, um sich ihre Hilfe abzuholen. „In unserer relativ kleinen Gemeinde und Verwaltung mit rund 150 Geflüchteten“, so Dahlems Bürgermeister Jan Lembach (CDU), „erhalten die überwiegenden Familien und Einzelpersonen ihren Unterhalt vom Jobcenter oder durch Überweisung der Gemeinde.“

Nur vereinzelt holten Geflüchtete monatlich im Rathaus Bargeld ab. Das sei für alle Beteiligten zumutbar.

Auch die Weilerswister Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst (parteilos) weist darauf hin, dass die Geflüchteten nur einmal, nach ihrer Ankunft, Bargeld erhalten, danach laufe alles digital per Girokarte. Horst will sich erst die Durchführungsbestimmungen genau ansehen, bevor sie ein Urteil über die Bezahlkarte fällt. Werde es für die Gemeinde günstiger und praktikabler, oder eine weitere Mehrbelastung? Das müsse noch geklärt werden.

Weilerswist: Bürgermeisterin Anne Horst hat rechtliche Bedenken

Während Ramers die Bezahlkarte als „gute Sache“ bezeichnete, die weder diskriminierend noch menschenunwürdig sei, stellt sich Anne Horst die Frage, ob die Einführung mit dem Grundgesetz vereinbar ist und ob nicht „Sozialhilfe-Empfänger zweiter Klasse“ geschaffen würden. Schließlich werde den Menschen möglicherweise vorgegeben, wo und wofür sie die Karte verwenden dürfen. „Damit wird sich sicher das Bundesverfassungsgericht befassen müssen“, so Anne Horst. Dass irgendwer juristisch gegen die Einführung vorgehe, sei abzusehen.

Auch im Bad Münstereifeler Rathaus herrscht noch Klärungsbedarf. „Weitere Beratungen dazu stehen an, wenn die Ausführungsbestimmungen feststehen“, so Johannes Mager aus der Pressestelle.

Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian (CDU) begrüße es, im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung selber darüber entscheiden zu können. Grundsätzlich befürworte sie die Einführung der Bezahlkarte, es komme nun auf die Ausführungsbestimmungen an. „Ich vertraue aber darauf, dass das Land uns unterstützt“, so Preiser-Marian. Bestärkt sehe sie sich durch die Aussage von Wüst, wonach die Bezahlkarte in NRW flächendeckend eingeführt werden soll. Und dies nicht an der Frage scheitern werde, ob die Kommunen dafür finanzielle Unterstützung benötigen.

Mechernicher Bürgermeister Hans-Peter Schick will bundesweite Lösung

„Was wir brauchen“, stellt der Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick (CDU) klar, „ist ein landeseinheitliches, ja nach Möglichkeit sogar ein bundeseinheitliches Modell. Es kann nicht sein, dass man das komplett auf die Kommunen abwälzt.“

Grundsätzlich ist Schick für die Einführung einer Bezahlkarte. „Wir machen das aktuell schon bei abgelehnten Asylbewerbern und illegal eingereisten Geflüchteten so, dass wir 50 Prozent der ihnen zustehenden Mittel in Form von Einkaufsgutscheinen auszahlen“, erklärt Schick: „Manche wollen tatsächlich nur das Bargeld, die nehmen die Gutscheine gar nicht an.“

Auch im Zülpicher Rathaus kann man sich die Einführung der Bezahlkarte vorstellen — vorbehaltlich einer politischen Beschlussfassung sowie der Klärung „etlicher Detailfragen auf überörtlicher Ebene“. Grundsätzlich ist die Bezahlkarte für Geflüchtete aus Sicht von Bürgermeister Ulf Hürtgen (CDU) eine sinnvolle Sache, insbesondere auch im Sinne der Akzeptanzsteigerung: „Die Einführung darf aber auf keinen Fall an den Städten und Gemeinden hängen bleiben und dort zu einer Mehrbelastung führen – weder bei den Kosten noch beim personellen Aufwand.“

Einen „Flickenteppich“ dürfe es auf keinen Fall geben, mahnt Hürtgen. Alles andere würde womöglich Begehrlichkeiten bei den Schutzsuchenden wecken, in einer anderen Kommune untergebracht zu werden, um Bargeld zu erhalten.

Gemeinde Hellenthal übernimmt Aufgaben für Kall und Schleiden

„Zumindest auf Kreisebene“, so Hellenthals Bürgermeister Rudolf Westerburg (parteilos), solle man sich auf ein einheitliches Modell verständigen, wenn es keine landeseinheitliche Bezahlkarte geben sollte. Im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit spricht er auch für die Gemeinde Kall und die Stadt Schleiden, denn das Thema Asyl wird schon heute für diese Kommunen zentral im Hellenthaler Rathaus bearbeitet. Ingo Pfennings, Bürgermeister von Schleiden und CDU-Kreischef, bestätigt: „Die Menschen kommen nach Deutschland, deshalb sollte es auch bundesweit gleiche Voraussetzungen geben.“

Auch die Stadt Euskirchen sieht „Insellösungen“ laut Sprecher Tim Nolden als schwierig an: „Wir beobachten die Entwicklung auf Bundes- und Landesebene sehr genau, bis – so der Wunsch – die notwendigen Anpassungen im Bundesrecht vorgenommen wurden und klar ist, wie die Ergebnisse einer seitens der kommunalen Spitzenverbände angeregten Arbeitsgruppe zur Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens in NRW aussehen werden.“

Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt (parteilos) teilt Ramers' Einschätzung zur Bezahlkarte. Deren Einführung sei „geeignet, geflüchteten Menschen die ihnen rechtlich zustehenden Leistungen in adäquater Form zukommen zu lassen und damit den Lebensunterhalt sicherzustellen“.

Wenn Kommunen aufgrund der vielerorts gegebenen Überlastungen bei Flüchtlingsunterbringung und -betreuung sowie Integration Lösungsoptionen seitens des Bundes und der Länder einforderten, sollten sie auch geschaffene Optionen nutzen, so Reichelt.


Das sind die Pläne zur Bezahlkarte

Die Stadt Hamburg hat in dieser Woche die Bezahlkarte für Asylbewerber eingeführt. Jeder Erwachsene erhalte darauf eine monatliche Gutschrift von 185 Euro, mit der Dinge des täglichen Bedarfs eingekauft und bezahlt werden könnten. Leistungen für Kinder würden ebenfalls auf der Karte eines Elternteils gutgeschrieben, teilte die Stadt mit.

Auch Bargeldabhebungen seien an Geldautomaten möglich, allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag von 50 Euro pro Monat, plus 10 Euro für jedes Kind.

Auf Vorschlag der Länder haben sich Bund und Länder am 6. November 2023 auf die Einführung einer Bezahlkarte geeinigt. Mit der Bezahlkarte wird dem Wunsch des Bundes entsprochen, Barleistungen drastisch zu reduzieren, ohne dass die Kommunen durch die Ausgabe von Sachleistungen zusätzlich überfordert würden.

14 Länder haben eine gemeinsame Vergabe einer Bezahlkarte beschlossen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern verfolgen eigene Ausschreibungen. (sch)