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Politik und GesellschaftDiese Bücher empfehlen Experten aus dem Kreis Euskirchen

Lesezeit 5 Minuten
Josef Mütter steht mit zwei Büchern in den Händen in seiner Buchhandlung.

Buchhändler Josef Mütter aus Bad Münstereifel will mit seinen Kunden im Gespräch bleiben – auch wenn sich die politischen Ansichten manchmal unterscheiden.

Wir haben Buchhändlerinnen und -händler aus dem Kreis Euskirchen im Vorfeld der Bundestagswahl nach ihren (Sachbuch-)Empfehlungen gefragt.

Wo wird heute noch offen über Politik gesprochen? In vielen Familien ist das Thema inzwischen tabu – vor allem, wenn die politischen Ansichten der einzelnen Familienmitglieder zu weit auseinanderliegen. An der Theke ist es ähnlich, und ob am sprichwörtlichen Stammtisch ein echter Austausch von Meinungen stattfindet oder doch nur die immer gleichen Phrasen gedroschen werden, ist ebenfalls fraglich.

Der Marktplatz war ja bekanntlich bei den alten Römerinnen und Römern der Mittelpunkt des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Heute beziehen dort zumindest in Wahlkampfzeiten die Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Parteien Position, um für ihre Ziele zu werben. Doch angesichts der aktuell ziemlich frostigen Temperaturen dürfte auch dort die Bereitschaft zu einem gemütlichen Plausch über Politik und Gesellschaft bei vielen nicht allzu ausgeprägt sein.

Buchhandlungen sind Orte der Begegnung und des Austauschs

Gut geheizt sind hingegen in der Regel die Buchhandlungen im Kreis Euskirchen, und nicht nur der Bad Münstereifeler Buchhändler Josef Mütter bestätigt, dass in seinem Laden viel und gerne über Politik und gesellschaftliche Themen gesprochen wird. Auch wenn die Ansichten der Gesprächspartner mitunter stark voneinander abweichen. „Es ist in einer Demokratie wichtig, miteinander im Gespräch zu bleiben“, betont Mütter: „Dazu gehört auch, andere Meinungen zuzulassen.“

Wer sich eine offene Gesellschaft wünscht, muss andere Standpunkte aushalten und diskutieren können.
Jasmin Khalil, Buchhandlung Backhaus, Nettersheim

Auf die Frage, welches Buch er persönlich für den gesellschaftlichen Diskurs empfehlen kann, fällt seine Wahl trotzdem auf „Es ist 5 vor 1933“ (Untertitel: „Was die AfD vorhat und wie wir sie stoppen“). Denn Autor Philipp Ruch legt damit eigentlich ein Plädoyer für ein AfD-Verbotsverfahren vor. „Ich bin ehrlich gesagt kein besonders politischer Mensch, aber ich frage mich schon, wie man auf die Idee kommen kann, eine Partei zu wählen, die das Wählen vielleicht irgendwann abschaffen möchte“, bezieht Mütter Stellung.

Als eine Art „abschreckendes Beispiel“ sieht der Kurstädter den Roman „NSA – Nationales Sicherheits-Amt“, in dem sich Autor Andreas Eschbach auf ein Gedankenspiel eingelassen hat: „Er beschreibt, wie die Nazi-Herrschaft ausgesehen haben könnte, wenn es damals schon die heutigen technischen Möglichkeiten der Überwachung gegeben hätte.“

Das Aushalten unbequemer Standpunkte gehört dazu

Das Thema Meinungsvielfalt ist auch Jasmin Khalil wichtig, die die Buchhandlung Backhaus in Nettersheim leitet. „Seit einigen Jahren wird deutlich, dass die Kultur des Miteinanders uns sowohl im Persönlichen als auch im Gesellschaftlichen immer mehr zugunsten polarisierender Sichtweisen und Handlungen abhanden gekommen ist“, sagt die Buchhändlerin. „Aber Demokratie braucht Debatte. Wer sich eine offene Gesellschaft wünscht, muss andere Standpunkte aushalten und diskutieren können.“ Daher empfiehlt sie den Essayband „Streiten“ von Svenja Flasspöhler – ein wichtiger Beitrag zur aktuellen Debattenkultur.

Buchhändlerin Jasmin Khalil steht vor einem Bücherregal.

Jasmin Khalil, Buchhandlung Backhaus Nettersheim, empfiehlt das Buch „Streiten“ von Svenja Flasspöhler.

Buchhändler Thomas Pavlik steht mit dem Buch „Erste Hilfe für Demokratie-Retter“ vor einem Bücherregal.

Für Thomas Pavlik aus Kall ist Jürgen Wiebickes „Erste Hilfe für Demokratie-Retter“ das Buch der Stunde.

Einen philosophischen Ansatz für sein „Buch zur Stunde“ wählt Buchhändler Thomas Pavlik aus Kall. In „Erste Hilfe für Demokratie-Retter“ geht der Philosoph, Journalist und Autor Jürgen Wiebicke der Frage nach, wie man die Demokratie und die offene Gesellschaft gegen die immer radikaler werdenden Verächter verteidigen kann – auch jenseits von Wahlkabine und Großdemonstrationen. „Wie kann man andere ermutigen mitzumachen?“, fragt sich Pavlik, liefert aber auch gleich eine Antwort: „Wir müssen reden. In der Familie, in der Nachbarschaft, dabei aber die Polarisierung vermeiden!“

Für Pavlik ist klar, dass Sachbücher einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs beitragen. „Das interessiert auch junge Leser, deshalb haben wir unsere Sachbuchabteilung ausgeweitet.“

Kinderbücher können auch Erwachsene zum Nachdenken anregen

Für Renate Elsen, die in Blankenheim die „Bücherecke“ betreibt, gehört das Reden über Bücher ebenfalls zum Berufsalltag. Sie geht aber noch einen Schritt weiter, denn einmal im Monat lädt die Buchhändlerin auch zu einem Lesekreis in ihr gemütliches, bis unter die Decke mit Lesestoff gefülltes Lädchen ein. „Wir treffen uns, um uns in lockerer Atmosphäre über ein vorher festgelegtes Buch auszutauschen“, berichtet Elsen.

Renate Elsen steht mit einem Exemplar des Buchs „Echt wahr? – 52 Gelegenheiten, sich über Lüge und Wahrheit zu unterhalten“ von Antje Damm vor einem Bücherregal in ihrer Buchhandlung.

Ein Kinderbuch mit dem Titel „Echt wahr?“ empfiehlt Renate Elsen aus Blankenheim. „Es kann aber auch Erwachsene zum Nachdenken anregen.“

Iris Pütz steht vor einem Bücherregal und präsentiert das Buch „Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil“ von George Saunders.

Buchhändlerin Iris Pütz aus Bad Münstereifel hat sich für einen Roman ausgesprochen: „Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil“ aus der Feder von George Saunders.

Buchhändlerin Claudia Reinhardt hält das Buch "Werbung für die Wahrheit" von Thomas Laschyk in die Kamera.

Für das das Buch „Werbung für die Wahrheit“ von Thomas Laschyk wirbt Claudia Reinhardt aus Zülpich.

Beim nächsten Termin geht es am 12. Februar zwar um einen Roman, vorab empfiehlt sie allerdings aus aktuellem Anlass ein Kinderbuch mit dem Titel „Echt wahr? – 52 Gelegenheiten, sich über Lüge und Wahrheit zu unterhalten“ von Antje Damm. „Mit dem Thema Wahrheit und Lüge wird man überall konfrontiert, nicht erst, seitdem Fake-News ein immer größeres Problem werden“, sagt Elsen. „Das Buch bietet die Gelegenheit, mit Kindern über die vielen Facetten der Wahrheit ins Gespräch zu kommen, kann aber durchaus auch Erwachsene zum Nachdenken anregen.“

Ein weiteres Kinderbuch, das Elsen wichtig ist, kommt von der Autorin und Juristin Angelika Nußberger: In „Frei und gleich“ erzählt sie die spannende Geschichte der Menschenrechte.

Verblüffende Parallelen zu heute in einem 20 Jahre alten Roman

Für eine utopische Geschichte hat sich Buchhändlerin Katharina Pütz aus Bad Münstereifel entschieden: „Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil“ aus der Feder von George Saunders. „Das Buch hat Saunders zwar schon vor 20 Jahren geschrieben, es ist aber erst jetzt übersetzt worden. Die Parallelen zur heutigen Situation überraschen umso mehr“, sagt Pütz: „Es geht um einen narzisstisch veranlagten Populisten, dem es gelingt, die Mehrheit in einer Gesellschaft hinter sich zu bringen. Uns zeigt das Buch, wie schnell so etwas geschehen kann.“

Um das Thema „Wahrheit“ geht es auch der Buchhändlerin Claudia Reinhardt aus Zülpich. Sie empfiehlt das Buch „Werbung für die Wahrheit“ von Thomas Laschyk, dem Begründer des Blogs „Volksverpetzer“. „Er führt uns mit zahlreichen Beispielen durch das Dickicht der absichtlichen und versehentlichen Falschinformationen in sozialen, Print- und öffentlich-rechtlichen Medien“, so Reinhardt. Was ist eine zuverlässige Information, wie erkenne ich Fake-News, wie gehe ich damit um – diesen Fragen geht Laschyk in seinem 200 Seiten starken Buch nach. Reinhardt: „Deshalb unbedingt lesen – möglichst noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar!“