Die Bauern im Kreis Euskirchen brauchen nur auf die Ernte 2023 zu blicken: Es wird klar, was der Klimawandel für ihren Berufsstand bedeutet.
Erntedank EuskirchenWetterkapriolen bescherten Bauern einen Vorgeschmack auf Klimawandel
Die berufsfremden Gastredner des Erntedankempfangs der Kreisbauernschaft im Kreishaus hatten sich thematisch gut vorbereitet: Landrat Markus Ramers hatte im Sommer bei einem Tagespraktikum auf dem Milchviehbetrieb von Helmut Dahmen in Lorbach feststellen können, dass Melken auch trotz Hightech im Kuhstall gar nicht so einfach ist.
Und der Euskirchener Kaplan Johannes Schulte-Eickhoff, selbst Sohn einer Landwirtsfamilie, hatte im Vorfeld ausgiebig Wetterdaten und Marktpreise studiert, um nicht nur den kirchlichen Part beim Erntedankempfang zu übernehmen. So konnte er sachkundig feststellen, dass die Landwirte auch wegen der Wetterkapriolen („18 Tage Regen zur Getreideernte“), geringerem Zuckergehalt der Rüben und immer noch hohen Düngerpreisen kein einfaches Jahr hatten: „Ich habe noch nie so viele Getreidefelder gesehen, die wegen des Wetters nicht abgeerntet wurden.“
Machbarkeitsstudie: Abwasser aus Molkerei in Obergartzem für Felder
Auch Markus Ramers schlug im Grußwort den Bogen zu Wetter und Klimawandel: „Kein Produktionszweig ist so mittelbar davon betroffen wie die Landwirtschaft.“ Entsprechend sei eine klimaangepasste Landwirtschaft das große Thema. Da sei die Landwirtschaft schon gut aufgestellt. Ramers: „Es gab noch nie so viel Umwelt-, Natur- und Tierschutz in der Landwirtschaft.“
Er nannte ein aktuelles Projekt im Kreis als Beispiel dafür, was auch bei der Landwirtschaft im Hinblick auf den Klimawandel noch getan werden könne. Ein großes Thema sei ja die Wasserverfügbarkeit für die Landwirtschaft. Mit vielen Partnern erstelle man aktuell eine Machbarkeitsstudie, um Abwasser aus industrieller Produktion der Landwirtschaft zuzuführen.
650.000 Kubikmeter Wasser fielen jährlich in der Molkerei der Hochwald-Foods GmbH in Obergartzem an. Wenn es gelinge, dieses Wasser der Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen, könne man fast die Hälfte des jährlichen Bedarfs von 1,3 Millionen Kubikmetern im erreichbaren Gebiet decken. Ramers: „Ein Leuchtturmprojekt.“
Ramers wies aber noch auf einen anderen, gesellschaftlichen und sozialen Aspekt hin. Auch wenn die Betriebe immer größer würden, so sei die Landwirtschaft in Deutschland zu einem großen Teil immer noch echte Familiensache. Bei 46 Prozent der 940.000 in der Landwirtschaft Beschäftigten handele es sich um Familienarbeitskräfte.
Für die Kreisbauernschaft skizzierte deren Vorsitzender Helmut Dahmen die aktuelle Situation. Bei vielen Menschen seien nach der Corona-Pandemie und durch den Krieg in der Ukraine ein Umdenken und eine Verschiebung der Werteskala zu beobachten. „Viele haben gemerkt, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass alles zu jeder Zeit verfügbar ist.“
Dennoch müssten Landwirte erkennen, dass trotz gestiegener Wertschätzung der Bedeutung von Lebensmitteln das Verbraucherverhalten angesichts der Preisentwicklung von Nahrungsmitteln in eine andere Richtung gehe.
Bauern kritisieren die Landwirtschaftspolitik der Ampel
Daher sei entscheidend, dass die regionale Produktion sich im europäischen Wettbewerb behaupten könne. Da sei die Politik in Brüssel und Berlin gefordert. Dahmen: „Insbesondere das Bundeslandwirtschaftsministerium muss endlich zu der Erkenntnis kommen, dass es keinen breiten gesellschaftlichen Rückhalt für seine überzogene Auflagenpolitik gibt.“
Es dürfe nicht sein, dass die Düngeverordnung in bestimmten Bereichen des Verbandsgebiets von vorneherein etwa die Produktion von Brotweizen ausschließe. Dahmen: „Wo, bitte schön, soll man auf der Welt Nahrungsmittel erzeugen, wenn nicht hier auf den fruchtbaren Böden der Köln-Aachener Bucht?“
Die Zukunftskommission Landwirtschaft und die Borchert-Kommission (das Kompetenzwerk Nutztierhaltung) hätten Konzepte für eine zukunftsfähige Ausrichtung der Landwirtschaftspolitik aufgezeigt und transparent gemacht, welche Kostenteile dafür dauerhaft in der deutschen Landwirtschaft ausgeglichen werden müssten. Doch die Ampel-Koalition in Berlin habe diese Bälle bisher nicht aufgenommen. Die Folgen ließen sich aktuell bei der Schweinehaltung ablesen. Da verlagere sich die Produktion in großem Umfang nach Spanien.
Landwirte sehen auch Bewegung beim Thema Wolfspolitik
Auch die Brüsseler Entscheidungen wollen die Bauern weiter genau beobachten. So müssten das europäische Pflanzenschutzpaket und das so genannte Naturwiederherstellungsgesetz grundlegend überarbeitet werden.
Dass die Bauern mit Verbandsarbeit etwas bewegen könnten, zeige, dass die Ambitionen der EU-Kommission im Immissionsschutzrecht deutlich abgeschwächt worden seien, was die Rinderhaltung von zusätzlichen Auflagen verschone. Und auch in das leidige Thema der Wolfspolitik komme mittlerweile Bewegung.
Trotzdem sei klar: Die Herausforderungen würden nicht kleiner, schon wegen des Klimawandels. Dahmen: „Entweder dörrt uns der Ertrag weg, oder ständiger Regen verhindert das Einbringen der Ernte.“ Die Weizenernte habe sich im Rheinland diesmal über mehr als sechs Wochen erstreckt. Hier vermissen die Landwirte eine international koordinierte Klimaschutzstrategie, um schnellstmöglich messbare positive Effekte für das Weltklima herbeizuführen.
Trotz allem: Die Bauern im Rheinland hätten die besten Voraussetzungen für eine hochwertige und verbrauchernahe Erzeugung von Nahrungsmitteln. Und es gebe viele junge Betriebsleiter mit Ideen, ihre Betriebe weiterzuentwickeln. In Verbindung mit Verbrauchern seien das ideale Bedingungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.