Die Kommunen im Kreis Euskirchen sollen in diesem Jahr 14 Millionen Euro aufbringen, um den Busverkehr zu finanzieren. So wird das nichts mit der Mobilitätswende, sagt Landrat Markus Ramers. Er stellt klare Forderungen.
NahverkehrDie Kosten für die Kommunen im Kreis Euskirchen explodieren
Die Städte und Gemeinden werden es kräftig zu spüren bekommen: Rund 14 Millionen Euro werden die elf Kommunen des Kreises wohl in diesem Jahr zusammentragen müssen, damit Busse und Sammeltaxis im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) fahren wie geplant.
Damit hat sich die Summe dieser ÖPNV-Umlage seit 2019 mehr als verdoppelt. Der Nahverkehr ist den Kommunen lieb, aber vor allem teuer.
Die Gründe sind vielfältig, vor allem sind es Lohnsteigerungen und Energiekosten. Auch das Angebot wurde erweitert, doch das begründet die immens gestiegenen Ausgaben nur zu einem kleinem Teil. „Die Mehrkosten können auch nicht 1:1 auf die Kunden übertragen werden“, stellt Landrat Markus Ramers fest.
Alles zum Thema Regionalverkehr Köln
- Unerwartetes Ende Zukunftsausschuss Rhein-Berg beerdigt Wasserstoff-Werkstatt
- Umstieg auf Mercedes Warum die Stadtwerke beim Hürther Hüpper die London-Taxis ausmustern
- Straßenbau Heiligenhaus: Zwei Vollsperrungen zum Baustellen-Finale auf der L136
- Kreuzende Fußgänger Einmündung am Bergisch Gladbacher Busbahnhof wird dauerhaft entschärft
- Bewerbertag RVK-Niederlassung Euskirchen bietet Weiterbildung in nur sechs Monaten an
- Prozess Fahrfehler führt zu schlimmen Unfall am Bergisch Gladbacher S-Bahnhof – Geldstrafe
- An A4-Baustelle Provisorische Station für „Bergisches E-Bike“ bleibt
Denn es sei ja das Ziel, viele Menschen vom Auto in die Busse zu bekommen. Für Ramers steht daher fest: „Wir brauchen eine Änderung des Finanzierungssystems.“ Auch der CDU-ÖPNV-Experte Bernd Kolvenbach fordert, dass sich Bund und Land finanziell stärker engagieren. „Das fordern auch die RVK, der Nahverkehr Rheinland und der Verkehrsverbund Rhein-Sieg seit längerem“, so Kolvenbach, der den Kreis in den Verkehrsverbünden vertritt.
Momentan geht es den Fachleuten zufolge nur noch darum, das jetzige Angebot aufrechtzuerhalten. Verbesserungen seinen höchstens im Kleinen möglich. „Aber über Mobilitätswende reden wir dann nicht mehr“, schlägt Ramers Alarm.
Die Erlöse des Straßen-ÖPNV sind seit 2018 im Kreis relativ konstant, die Aufwendungen aber stiegen seitdem um sieben auf 22 Millionen Euro, nennt Achim Blindert, der Allgemeine Vertreter des Landrats , die nackten Zahlen der Misere.
Wer fährt, wer zahlt und warum ist alles so teuer geworden? Die Antworten:
Wie funktioniert der ÖPNV im Kreis Euskirchen?
Der Kreis ist Auftraggeber, die Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) ist Auftragnehmer. Sie fährt im Kreis jährlich rund fünf Millionen Fahrplan-Kilometer mit Bussen und Anruf-Taxis. Der Kreis ist im Übrigen mit 12,5 Prozent an der RVK beteiligt.
Zudem fahren im Kreis noch andere Unternehmen aus den Kreisen Rhein-Erft, Rhein-Sieg und Düren, deren Linien in den Kreis Euskirchen hinein- und wieder hinausführen – ebenso umgekehrt. Diese Kilometer werden, jeweils ab der Grenze, untereinander abgerechnet.
Was zahlt der Kreis für diese Leistungen?
Er zahlt die Differenz zwischen den Erlösen, die die RVK macht, und den Kosten, die anfallen. In letzter Zeit wurde das immer mehr, und die Steigerung ist atemberaubend: Der Betriebskostenzuschuss des Kreises an die RVK stieg von knapp sechs Millionen im Jahr 2018 auf knapp 14 Millionen, mit denen für 2023 zu rechnen ist. Jeder Kilometer kostet den Kreis rund 2,80 Euro.
Woher bekommt der Kreis das Geld?
In erster Linie von seinen elf Kommunen – über die besagte ÖPNV-Umlage. Die nun bald 14 Millionen Euro bestehen zu 85 Prozent aus Geld für Nutzkilometer.
Das heißt: Jede Kommune bezahlt gemäß den Kilometern, die in ihrem Gebiet gefahren werden. So wird etwa der Anteil der Stadt Zülpich am Umlageaufkommen in diesem Jahr spürbar von 14,2 auf 15,9 Prozent steigen, weil das Angebot durch das neue Zülpich-Konzept erweitert wurde. Sie löst damit sogar die Stadt Euskirchen als größten Einzahler ab. Die Kreisstadt hat ja ihre eigene SVE – und die RVK fährt daher für den Kreis auf dem Stadtgebiet eher wenig.
Die übrigen 15 Prozent der Gesamtumlage teilen sich nach Größe beziehungsweise Steuerkraft der Kommunen auf. Dadurch ist die Stadt Euskirchen dann immer noch mit 14,6 Prozent auf Platz zwei dabei, wenn es um die Aufteilung der ÖPNV-Umlage geht.
Gibt das Land Nordrhein-Westfalen denn auch etwas dazu?
Ja, halt nur zu wenig, wie Ramers, Blindert, Kreistag und die Kommunen finden. Rund eine Million Euro erhält der Kreis vom Land an ÖPNV-Pauschale. „An der Summe hat sich in den vergangenen Jahren fast nichts geändert, bis auf ein paar Tausend Euro“, stellt Blindert fest. Und das, obwohl Kosten und Angebote in diesen Jahren erheblich gestiegen seien. Genau hier setzen Ramers und Kolvenbach mit ihren Forderungen an. Die eigentliche Pauschale des Landes liegt genau genommen auch bei nur 677 000 Euro. Mit 224 000 Euro wird fünf Jahre lang die neue Schnellbuslinie B 81 im Schleidener Tal gefördert. 146 000 Euro fließen zudem in das „Eifel E-Bike“-Leihsystem.
Für den Schülerverkehr gibt es zwar auch Mittel vom Land, doch da fungiert der Kreis lediglich als Gelddurchlaufstation zu den fahrenden Unternehmen. „Die ÖPNV-Pauschale müsste vom Land angepasst werden“, so Blindert, denn die Kosten seien rasant gestiegen.
Was macht den ÖPNV so teuer in letzter Zeit?
Das, was auch in anderen Bereichen alles teurer macht. Die RVK zahlt ihren Mitarbeitern mehr Geld, auch um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. So sei der Personalwand von 2018 bis 2023 um 2,5 Millionen Euro RVK-weit gestiegen. „Das wird wohl noch mehr werden“, blickt Blindert auf die branchenübergreifenden Gehaltsforderungen angesichts der Inflation.
Wegen Corona mussten in den vergangenen Jahren Verstärkerbusse eingesetzt werden, damit die Fahrgäste auf Abstand zueinander gehen konnten.
Für den Kreis Euskirchen spielt auch eine Rolle, dass die RVK nach und nach die Dieselbusse durch Biomethan-Busse ersetzt. Die Abschreibungen für Busse sind dementsprechend von knapp 500 000 in 2018 auf 1,9 Millionen Euro in 2023 gestiegen.
Insgesamt wurden für den Kreis seit 2017 43 Busse mit alternativem Antrieb angeschafft. Das hilft nicht nur der Umwelt, sondern auch der Treibstoffkasse. Der Biomethan-Preis ist 2022 nicht gestiegen – dafür aber der für Diesel um 35,4 Prozent und der für Wasserstoff um 27 Prozent.
Mehrkosten bei Personal und Betriebsstoffen haben natürlich auch die Unternehmen zu stemmen, die wiederum von der RVK beauftragt werden – und dafür zwei Millionen Euro mehr erhalten als noch 2018.
Wird denn den Fahrgästen auch mehr angeboten?
Ja. Von 2018 bis 2023 sind laut RVK insgesamt rund eine Million Fahrplan-Kilometer im Kreis dazugekommen. Das Anrufsammeltaxi-System wurde beispielsweise etabliert, die Bedienungszeiten ausgeweitet. „Wir sind da teilweise morgens früher und abends später unterwegs“, so Blindert. In Bad Münstereifel und Mechernich fahren inzwischen Kleinbusse Linie. „Das sind Kostensteigerungen, die gewollt sind, um den Bürgerinnen und Bürgern mehr ÖPNV anbieten zu können“, sagt Blindert. Um Kosten zu sparen, wurde an manchen Stellen auch abgespeckt: Da die Bördebahn im Stundentakt fährt, braucht es die Schnellbuslinie 98 nicht mehr. In Nettersheim fahren Sammeltaxis zu bestimmten Zeiten nur wieder auf Bestellung. Zeitweise waren sie auch ohne Aufforderung in einem bestimmten Takt unterwegs – fuhren aber viel Luft und wenig Menschen durch die Gegend.
Welche Rolle spielen die Fahrgasteinnahmen?
Sie sind wegen Corona in den vergangenen Jahren naturgemäß stark eingebrochen. 2020, 2021 und 2022 hat das Land diese Verluste mit der Corona-Hilfe ausgeglichen. 2023 wird es diese aber nicht mehr geben. „Die müssen wir entsprechend auffangen“, so Blindert. Für 2018 hatte die RVK im Busverkehr im Kreis Einnahmen von 7,3 Millionen angesetzt, für 2023 rund 6,7 Millionen. Die große Unbekannte: Wie wirkt sich das 49-Euro-Ticket aus, und was zahlen Bund und Land als Ausgleich für die Mindereinnahmen?
Und wie sind die Aussichten für den ÖPNV im Kreis Euskirchen?
Unklar bis durchwachsen. Die RVK rechne mit weiteren Steigerungen bei den Personalkosten ab 2024, so Blindert. Die Erlöse ließen sich „unmöglich verlässlich prognostizieren“ wegen der Unklarheiten beim 49-Euro-Ticket. Immerhin: Verbesserungen werde die künftige RVK-Werkstatt in Mechernich bringen. Sie soll 2026 den Betrieb aufnehmen.