Nettersheim – Eigentlich hätte die erste reguläre Sitzung in der Ratsperiode nach der Flutkatastrophe es verdient gehabt, würdevoll vonstatten zu gehen. So begann sie mit einer Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer des Hochwassers. Doch schon kurz danach versank sie in den Niederungen von Parteiengezänk und persönlichen Animositäten.
Denn bei der Verabschiedung der Tagesordnung des Planungsausschusses stellte Guido Kurth, Vorsitzender der CDU-Fraktion, die die absolute Mehrheit im Gemeinderat innehat, den Antrag, einen Punkt von der Tagesordnung zu streichen. Dieser sollte einen Antrag der größten Oppositionsfraktion, der UNA, behandeln, der eine ökologisch ausgerichtete Bauleitplanung zum Ziel hat.
Oppossitionsparteien sprechen von undemokratischem Verhalten
„In diesem Antrag hat die UNA nur den Inhalt unseres interfraktionellen Gesprächs zusammengefasst“, begründete Kurth seinen Antrag. Den könnten die Bürger in der Niederschrift nachlesen, deshalb solle der nicht in der Sitzung diskutiert werden. „In unserem Antrag geht es um die Dachbegrünung in Nettersheim, und das war gar nicht Gegenstand des Gesprächs“, widersprach jedoch Franz-Josef Hilger, Vorsitzender der UNA-Fraktion.
„Das ist nicht zulässig, dass die Mehrheitsfraktion Anträge anderer Fraktionen absetzt“, empörte sich Edwin Poth (UNA). Er habe das mit dem Städte- und Gemeindebund abgeklärt, das sei zulässig, sagte Bürgermeister Norbert Crump – und offenbarte damit, dass der CDU-Antrag mit der Verwaltung im Vorfeld abgestimmt war. „Das ist undemokratisch, dann brauchen wir gar keine Anträge mehr zustellen“, sagte auch Gerhard Mayer (SPD).
UNA und SPD verließen den Saal
Demonstrativ verließen daraufhin die Fraktionen von UNA und SPD für wenige Minuten den Saal. „Wenn dies eine normale Sitzung gewesen wäre, wären wir nicht wieder hereingekommen“, so Hilger bei seiner Rückkehr. Doch zu wichtig seien die anderen Punkte. Allerdings sollte das Thema Dachbegrünung weiter für Aufregung sorgen.
Denn in der Gemeinde Nettersheim sind die Dachbegrünungen von Häusern verboten. Lediglich die Begrünung von Flachdächern auf Garagen ist in den aktuellen Bebauungsplänen der Neubaugebiete empfohlen. Der Antrag der UNA sollte zum Ziel haben, dies als Beitrag zum Hochwasserschutz zu ändern. Doch die CDU vereitelte dies.
Erboste Kommentare von Zuschauern
Auch wenn der eigentliche Antrag der UNA von der Tagesordnung abgesetzt war, ließ es sich Hilger nicht nehmen, bei jeder Bauplanänderung, die in der Sitzung zur Debatte stand, zu beantragen, die Dachbegrünung von Hausdächern zuzulassen. Ohne weitere Diskussion lehnte die CDU-Fraktion die Anträge ab.
Lediglich Christoph Rang und Bürgermeister Norbert Crump, beide CDU, äußerten sich. Crump gab zu bedenken, dass Dachbegrünungen in dem kleinen Keil zwischen Altenheim und Neubauten städtebaulich nicht passten. Auch der aus Bouderath stammende Rang argumentierte ähnlich. Eigentlich sei er nicht gegen Dachbegrünungen, doch diese würden nicht in das Dorf passen. So stimmten er und zwei Fraktionskollegen bei der nächsten Abstimmung nicht mehr dagegen, sondern enthielten sich.
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Das wiederum ging dem Ausschussvorsitzenden Karl Reuter (CDU) glatt durch. Er hatte bei dem Handzeichen von Kurth nahezu rituell die komplette Anzahl der CDU-Fraktion als Nein-Stimmen gezählt und damit ein großes Durcheinander produziert. Zum Glück rettete eine Pause nach rund dreistündiger Sitzung die Stimmung, bevor der Abend ins Chaos gleiten konnte.
Wiederaufbauplan und Hochwasserschutz blieben im Hintergrund
Doch das Publikum nahm das Abstimmungsverhalten der Mehrheitsfraktion gegen die Dachbegrünung nicht unwidersprochen entgegen. „Das ist ein Skandal, das soll die Naturhauptstadt sein“, empörte sich ein Zuschauer, bevor er erbost den Saal verließ. Architekt Georg Poensgen, auch als Zuschauer im Saal, äußerte sich ähnlich: „Wir nennen uns Hauptstadt der Biodiversität und dann das.“ Man müsse sich allen Möglichkeiten stellen. „Das ist wirklich peinlich“, kommentierte er die Entscheidung.
So blieb der eigentliche Schwerpunkt der Sitzung im Hintergrund. Denn Crump hatte seinen Masterplan zum Wiederaufbau der Gemeinde genauso vorgestellt wie seinen Plan, mit einem Hochwasserschutzkonzept Schäden bei weiteren Flutereignissen zu vermindern. Auch wenn die Anträge angenommen wurden, blieb nach der Sitzung ein schaler Nachgeschmack.