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Besondere Miss-WahlSo war der Wollmarkt in Kuchenheim

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt ein Schaf, dem eine rosafarbene Schärpe umgebunden wird.

Nummer 19 lebt und gewinnt die Wahl zur Miss Kuchenheim.

Mehrere Tausend Besucher strömten zum Wollmarkt nach Kuchenheim. Und sahen eine ganze besondere Miss-Wahl.

Bei strahlendem Frühsommerwetter kamen am Sonntag Tausende Besucher zum 31. Rheinischen Wollmarkt nach Kuchenheim. Zwischen Pfarrkirche und LVR-Industriemuseum waren an die 90 Verkaufsstände mit textilem Kunstgewerbe und traditioneller Handwerkskunst aufgebaut. Doch das Highlight war eine ganz besondere Miss-Wahl.

„Schafe braucht der Mensch“, mahnt der Schafzuchtverband Nordrhein-Westfalen aus Lippstadt-Eickelborn in einem Flyer zum Tag der Wolle – und die Besucher des 31. Rheinischen Wollmarkt stimmten offenkundig zu. Sie stürmten schon früh den Parcours zwischen Pfarrkirche und Museum und strömten in die Gassen, die sich zwischen den Austellerzelten gebildet hatten.

Wollmarkt in Kuchenheim: Blusen und Jacken aus Algen

Es ging um Wolle, Garn und alles, was man daraus machen kann. Aber was ist schon Schafswolle, wenn man auch Algen aus Südafrika spinnen kann. Miriam Bröhl aus Kerpen kennt sich da aus, sie hatte gerade beim „Stricktiger“ von Ursula Brühl aus Linz am Rhein ein paar Gramm des strahlend weißen Naturproduktes gekauft.

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Weiße Algen? „Na, die sind einfach gebleicht“, so die Fachfrau. Aus Algen ließen sich so etwa wunderbare „halbtransparente Blusen oder Jacken stricken“, so die Linzerin. Und es sei auch noch im aktuellen Ernährungstrend: „Dieses Algengarn ist vegan. Nur weil ich immer wieder nach veganem Garn gefragt werde“, sagte Ursula Brühl.

Zahlreiche Menschen und einige Schafe stehen auf einer Wiese. Es findet die Wahl des schönsten Zuchtschafes statt.

Ein skurriler Höhepunkt auch des 31. Rheinischen Wollmarkts war die Wahl des schönsten Zuchtschafes zur Miss Kuchenheim.

Sie war wie Angelika Carstensen aus Euskirchen ein paar Stände weiter vom Publikum des Wollmarktes begeistert. „Die Leute, die hierher kommen, kennen sich aus. Das merkt man, und es ist ein sehr nettes Publikum“, so Carstensen und deutete auf ein auf den ersten Blick etwas unförmiges Wollknäuel hinter sich. „Das hier ist tatsächlich das Aufwendigste in der Herstellung, was ich zum Kauf anbiete: ein Schulterkragen.“

Das Bild zeigt einen Marktstand, auf dem zahlreiche bunte Wollknäuel präsentiert werden.

Alpaka-Wolle gefärbt in allen nur erdenklichen Farben boten Diana Kluba und Sabine Heinemann aus Steinfelderheistert und aus Losheim an.

Das gute Stück funktioniere ähnlich wie die beliebten Wärmekissen oder Wärmehörnchen für den Nacken. Alles, was Gelenke oder Muskeln wärme – egal, ob es Sommer oder Winter ist – sei ja sehr gefragt. Jedenfalls habe es der „Schulterkragen“ in sich: Traubenkerne und Rapssamen – wahlweise kann es auch gerne Dinkel sein – müssen per Hand in die Schläuche des Kragens eingefüllt werden.

Maschinell geht das nicht. Weniger aufwendig sind da die geplotteten Taschen, die Carstensen ebenfalls im Angebot hat. Mit mehr oder weniger flotten Sprüchen drauf. Beispiel: „Lass uns Fremde bleiben“, die Kontaktverweigerung per Tragebeutel.

Für den Gaumen wurde allerhand geboten

Apropos Ernährungsfragen: Die wurden auf vielerlei Art und Weise beantwortet. Saisongemüse ist im Angebot wie etwa Spargel, es gibt Gegrilltes, Pommes & Co. – Kenner gehen beispielsweise zum „Kuchenheimer Grill“ von Günay Toz.

Ob türkische Pizza, die im Gegensatz zur italienischen gerollt wird, ob mit Zwiebeln und Kräutern gefülltes und gebratenes Hackfleisch, ob gleich im Dutzend aufgetischte, fantasievolle Salate oder zwei Varianten der berühmten türkischen Nachspeisen – alles hat Günay Toz mitgebracht. Allein ihre Baklava mit Pistazien oder Kadayif mit Walnuss sind den Standbesuch schon wert. „Wir machen nur das, was uns auch selber schmeckt“, versicherte Toz.

Alpaka-Wolle in allen Farben

Sabine Heinemann aus Losheim und Diana Kluba aus Steinfelderheistert waren unterdessen ganz mit Alpakawolle beschäftigt. Die beiden Frauen boten Wolle vom braunen (Heinemann) und vom weißen Alpaka (Kluba) an. Vor sich hatten sie einen ganzen Berg verschiedenfarbig gefärbter Wollknäuel aufgeschichtet. Die Farben der Saison? „Türkis-Grün mit Braun und Pink-Lila“, so Heinemann.

Sie freute sich, in Kuchenheim zu sein, wie viele der Aussteller zum wiederholten Male: „Der Wollmarkt ist hervorragend organisiert. Das Publikum kennt sich aus mit dem Thema Wolle, das bringt gute Gespräche.“ Je näher man nun dem eigentlichen Museumsgelände kam, umso dichter wurde der Besucherandrang. Auch in der „Mottenburg“ herrschte Gedränge.

Eine Menschengruppe steht im Rahmen einer Führung in der historischen Tuchfabrik in Kuchenheim.

Zum Wollmarkt fanden auch Sonderführungen durch die alte Tuchfabrik statt.

Und eine gewisse Unkenntnis beim Publikum, was dort eigentlich genau angeboten wurde. „Annes Kleidertausch“ war am Eingang groß plakatiert, und es war genau das: ein kostenloses Angebot, alte Textilien mitzubringen und gegen andere gebrauchte neue Lieblingsstücke einzutauschen. „Das haben einige aber doch nicht so ganz verstanden oder nicht geglaubt“, wunderte sich Veranstalterin Anne Dockter-Biggs.

Nach der alten Volksweisheit „Was nichts kostet, ist auch nichts“, seien die Interessenten teilweise irritiert gewesen und von einem Second-Hand-Angebot gegen Bares ausgegangen. „Ich habe deshalb eine Spendenbox für einen wohltätigen Zweck aufgestellt, das macht es manchen leichter“, wunderte sich Dockter-Biggs: Die Gebrauchttextilienbörsenmaklerin lebt in Floisdorf und kommt nicht aus der Branche. „Nein, ich bin Jazz-Posaunistin“, meinte Dockter-Biggs und wunderte sich nicht, dass man sich erneut wundert.


Nummer 19 lebt und siegt

Es nahte die Mittagsstunde auf dem Wollmarkt, als sich Christian Brühnen ins offene Mikrofon räusperte: „Würden Sie dann bitte die Schafe zur Wahl der Miss Kuchenheim auf die Wiese führen“, so der Leiter einer der ungewöhnlichsten Schönheitskonkurrenzen im Kreisgebiet – sieht man von der Kür der schönsten Milchkuh einmal ab. Auf dem Grün vorm Schornstein der ehemaligen Tuchfabrik gruppieren sich also vier Züchter mit den nach ihrer Meinung Schönsten im Stall vor der Publikumsjury.

Er wolle die Wahl nach dem aus dem Bundestag bekannten „Hammelsprung“-Prinzip durchführen, kündigte der Moderator an. Die Publikumsjury begab sich also auf den „Sheep-Walk“, und am Ende soll bei dieser Schau die Wollträgerin siegen, die die meisten Fans an ihrer Seite hatte. Es war „19“, ein Suffolk-Schaf ohne Namen von Marion Parting, die der Liebling der Wollmarkt-Jury geworden ist.

„Immerhin, im vergangenen Jahr hat sie nicht gewonnen“, so Parting zum Erfolg. Zwei Jahre ist „19“ alt – und man muss sagen, es gewann wie so oft im Leben Jugend vor Alter. Denn auch Willi Schorns „Emma“, eine Swartbless aus seiner Zucht in Scheuren bei Bad Münstereifel, blieb erneut trotz markanter Rasseeigenschaften am Ende nur der Platz. Dunkelbraunes Fell, aus dem der pechschwarze Kopf herauslugt, mit den typischen zwei weißen „Stiefeln“ und der weißen Schwanzspitze – zu exotisch fürs breite Publikum. Und mit sechs Jahren auch zu alt.

Das Schaf war für die Wahl zu alt.

Vielleicht ist die Swartbless aber auch mit schon sechs Jahren schlicht zu alt für die Konkurrenz.

Und dann hatte Dr. Dennis Niewerth, seit dem August des vergangenen Jahres Leiter des LVR-Industriemuseums in Kuchenheim und sozusagen der Hausherr der Veranstaltung, die Aufgabe, Nummer „19“ die pinkfarbene Miss-Schärpe umzuhängen. „Das ist, ich kann es nicht anders nennen, der bisherige Höhepunkt meiner beruflichen Laufbahn“, meinte Niewerth zu seiner Premiere. Zudem freute er sich aber über den riesigen Besucherandrang beim Wollmarkt. Das tue „Kuchenheim und auch unserem Museum gut“, war er überzeugt.

Im Kuchenheimer Museum zeigte Niewerth gerade die sehenswerte Sonderausstellung „Modische Raubzüge“, in der Sinn und Zweck von Tierfellen, Perlen oder edlen Vogelfedern im Dienste der Mode kritisch hinterfragt werden. Hermelin, Fuchs, Bär – alles traditionelle Bekleidungsmateriallieferanten.

Für Nummer „19“ galt das dann auch. Unmittelbar nach der Krönung wurde der neuen Miss kurzerhand, die Siegerschärpe wieder abgenommen. Schäfer Erich Weckwerth aus Düren packte sachgerecht zu und dann wurde geschoren. Schafe braucht der Mensch. Zum Beispiel wegen ihrer Wolle. Und wenn es die einer Schönheitskönigin ist. Dafür ist sie nun mal da. (sli)