Das an Heiligabend 1944 schwer getroffene Weiertor in Zülpich ist wiederaufgebaut. Damit hat die Stadt eines ihrer Wahrzeichen zurück.
Historische StadttoreZülpicher Weiertor ist nun Stammsitz der Hovener Jungkarnevalisten
80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist eine besondere Kriegswunde in der Stadt Zülpich verheilt: Das an Heiligabend 1944 schwer getroffene Weiertor ist wiederaufgebaut. Auch der jüngste der vier Zülpicher Karnevalsvereine, die Hovener Jungkarnevalisten, hat damit sein Stammlokal in einem der vier mittelalterlichen Stadttore. Und die Römerstadt eines ihrer Wahrzeichen zurückbekommen.
Es war für die Stadt Zülpich das Ende einer denkwürdigen Woche. Zu deren Beginn war das von der Manfred-Vetter-Stiftung und der Stadt geschaffene, neue Museum für Zülpichs bekanntesten Maler Hubert Salentin (1822-1910) in der Innenstadt eröffnet worden.
Das größte der vier Zülpicher Stadttore ist wiederaufgebaut
Die Woche endete mit dem, was alte Zülpicher nicht mehr für möglich gehalten hätten, weil es nach 80 Jahren geschah: Das Weiertor, einst größtes der vier Stadttore, ist nach knapp zweieinhalbjähriger Bauzeit wieder aufgebaut.
Alles zum Thema Ina Scharrenbach
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Der Hauptturm mit 42 Quadratmetern Nutzfläche auf zwei Geschossen steht wieder am oberen Ende des Zwingers, die beiden kleinen Vordertürme über dem unteren Torbogen sind ebenfalls saniert, das gesamte Mauerwerk ausgebessert und aufgemauert.
Dreitägiger Festakt zur Eröffnung des Bauwerks
Gut 200 Festgäste bestaunten das Bauwerk beim Festakt als Höhepunkt dreitägiger Feierlichkeiten zur Eröffnung. Darunter waren Abordnungen von rund einem Dutzend Karnevalsvereinen aus dem Stadtgebiet, denn die Hovener Jungkarnevalisten (HJK) sind jetzt hier Hausherr.
„Die Menschen haben eines der Wahrzeichen ihrer Stadt zurückbekommen“, so NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach. In diese Richtung gingen auch die Worte von Zülpichs Bürgermeister: „Das Weiertor war eigentlich das strategisch unbedeutendste der vier Stadttore . Doch es wurde als einziges beim Luftangriff der Alliierten an Heiligabend 1944 schwer beschädigt.“
Der Name bezieht sich auf einen bis ins 19. Jahrhundert vor dem Tor aus Verteidigungsgründen angelegten Weiher. Wie Zülpichs Kulturbeauftragter Hans-Gerd Dick erklärte, schloss er den von der oberhalb gelegenen Landesburg in Kaskaden bergabwärts verlaufenen Wassergraben vor der Stadtmauer ab.
80 Jahre lang war das Tor eine Teilruine. Mit Fördermitteln waren in 1970er-Jahren, so Hürtgen, nur die beiden Vordertürme gesichert und wiederaufgemauert worden. Doch der Hauptturm blieb bis auf die Decke über dem Torbogen zerstört.
Zülpich Architekt Karl-Josef Ernst plante anhand alter Bilder
Erst 2019 änderte sich das, als sich der Zülpicher Architekt Karl-Josef Ernst, der seiner Heimatstadt bis zu seinem Tod 2021 sehr verbunden war, an die Arbeit machte. Planzeichnungen gab es keine, aber Ernst plante auf Basis weniger erhaltener Fotos des Vorkriegszustands einen maßstabgerechten Wiederaufbau des wuchtigen Bauwerks.
„Ernst wollte seiner Heimatstadt einfach was Gutes tun und hat uns die Pläne und Zeichnungen mehr oder weniger geschenkt“, so Gerd Wallraff dankbar. Er ist Präsident der 1963 gegründeten und heute 270 Mitglieder starken HJK. Die sehen sich endlich am Ziel: Auch sie könnten wie schon Zülpichs Blaue Funken, die Prinzengarde und die Zölleche Öllege eines der vier Stadttore aus dem Ende des 14. Jahrhundert als Stammlokal beziehen.
Rund 670.000 Euro teuer sollte die Rekonstruktion werden. Die HJK planten, den einstigen Zwinger zu überdachen, um mehr Platz zu haben. Beides kam nicht wie geplant: Corona und steigende Baukosten sollten am Ende die Kosten explodieren lassen, aus der Zwingerüberdachung wurde nichts.
Nach dem Tod von Karl-Josef Ernst 2021 führte dessen Sohn Markus, wie sein Vater Architekt in Zülpich, die Pläne fort, erinnerte Gerd Wallraff. Ein glücklicher Zufall erleichterte das Vorhaben. „Die Stadt gab uns den Tipp, uns um eine Förderung aus dem Heimat-Topf bei Ministerin Scharrenbach zu bewerben“, so Wallraff.
Wiederaufbau kostete am Ende 1,18 Millionen Euro
Mit Erfolg. 2021 brachte Scharrenbach den Förderbescheid. „Der Spaß hat am Ende 1,18 Millionen Euro alleine für den Wiederaufbau des Haupttores gekostet, von denen 1,06 Millionen das Ministerium übernahm. 117.000 Euro blieben als Eigenanteil bei den Hovener Jungkarnevalisten“, so Hürtgen. Dazu kamen rund 60.000 Euro an Kosten für die Innenausstattung auf die Hovener zu.
Zudem wurde seitlich ein neuer Treppenaufgang an den Hauptturm gebaut. „Da waren einige tausend Arbeitsstunden ehrenamtlicher Arbeit nötig, in denen wir das gestemmt haben“, so Wallraff bei der Besichtigungsrunde mit Scharrenbach, Hürtgen, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Detlef Seif und seinem Parteikollegen im Landtag, Klaus Voussem.
Die helleren Ziegel zeigen, was am Turm erneuert wurde
Was erneuert wurde, ist von außen an der helleren Farbe der Ziegel erkennbar, die auf den dunkleren Altbestand aufgemauert sind, ebenso erkennbar sind die neuen Verfugungen. Man folge so den neuesten Richtlinien des Denkmalschutzes, so Dick. Auf gut Platt: „Wat fott es, es fott. Wat neu es, es neu.“
Weitere rund 720.000 Euro, so Hürtgen, wurden zudem von der Stadt in die Sanierung des Altbestandes investiert, von denen wiederum 117.000 Euro von der Denkmalförderung des Landes und 140.000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz übernommen wurden. „Und 510.000 Euro haben wir ja auch gerade in die Sanierung der Stadtmauer zwischen Weiertor und Landesburg gesteckt, auch mit Zuschüssen kofinanziert“, so der Rathauschef.
Das Tor ist nun der Stammsitz der Hovener Jungkarnevalisten
„Zöllechs ahle Muure“, wie es im Titel der Stadthymne heißt, sind den Römerstädtern schon immer viel wert gewesen. Im Ergebnis ist so das Ensemble geschlossen. Was dank der Fördergelder im Zuge der Landesgartenschau 2014 begann, ist dank des Engagements der Hovener Jungkarnevalisten, der Stadt und der Gelder aus dem Heimatministerium vollendet. „Das Kleeblatt ist endlich vollständig“, so Hürtgen.
Und die HJK haben nun einen weiteren Abteilungsleiter: Thomas Embgenbroich ist Kastellan des neuen Stammsitzes. „Ich bin Hausmeister und Hausherr, zuständig für Catering, Pflege und Wartung des Tors“, so seine Arbeitsplatzbeschreibung im Ehrenamt. An die 80 Essen hatten er und das Küchenteam der HJK für den vereinsinternen Festabend bestellt, die kleine Thekenküche im Hauptturm ist dafür naturgemäß nicht ausgelegt.
Und während die glücklichen Jecken in ihrem Turm feierten, war das Gemäuer nachts in den Vereinsfarben gelb-grün angestrahlt. Das war, man kann es nicht anders nennen, einfach ein staatser Anblick. Hürtgen drückte es anders aus: „Welche vergleichbare Stadt hat schon vier aktiv genutzte mittelalterliche Stadttore, eine Landesburg und eine in großen Teilen noch erhaltene Stadtmauer?“ Ihm fiele da keine ein.
Alteingesessene Zülpicher nennen es auch Martinstor
Das Weiertor in Zülpich hat unter den älteren Einwohnern auch den Namen Martinstor, weil hier seit Jahrzehnten der Festzug zu St. Martin beginnt. Viele Jahre lang ritt der römische Offizier, der durch seine Mildtätigkeit zum Heiligen wurde, am Abend des Martinszugtags, von der Feldseite kommend, durch das mit Fackeln geheimnisvoll erleuchtete Tor, wie eine Erscheinung durch den Fackelrauch aus dem Dunkel auftauchend.
Für Zülpichs Kinder war das stets ein magischer Moment. Sie standen den Hügel zum Marktplatz hoch am Straßenrand mit ihren Laternen und begleiteten den Soldaten auf seinem Ritt durch die Stadt. Seit einigen Jahren ist die Route geändert. Nun beginnt sie am Weiertor, aber in Richtung der Feldseite, dann den Wallgraben-Park hinauf zur Landesburg.
Ältere Zülpicher erinnern sich auch daran, dass man in dem nicht gesicherten Weiertor noch in den 1970er-Jahren – wenn auch verbotenerweise – klettern und spielen konnte. Eine später verschlossene Eisentür im Zwinger führte hoch zum Zinnenumgang. Dort ging es – zur Innenseite ungeschützt – am Mauerwerk entlang zu den zwei kleinen Vordertürmen. Eine schmale Passage über dem vorderen Torbogen verband beide Türme. Im äußeren stand eine Leiter hoch zum Turmmauerkranz. Von dort hatte man einen wunderbaren Weitblick in Richtung des heutigen Neffelsees und auf die Ausläufer der Nordeifel.