Zülpich – Kreisdechant Guido Zimmermann spürt „die kritische Stimmung“ an der Kirchenbasis, nachdem der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki nach dem Ende seiner geistlichen Auszeit ins Amt zurückgekehrt ist. Im Gemeindealltag seien der Kardinal und sein Rücktrittsangebot an Papst Franziskus momentan aber „nicht das erste Thema“, sagte Zimmermann am Donnerstag.
In Gesprächen gehe es stattdessen öfter um den Priester U., der vor einer Woche am Landgericht Köln schuldig gesprochen wurde, von 1993 bis 2018 in insgesamt 110 Fällen neun Mädchen teils schwer sexuell missbraucht zu haben. U. wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Die Verteidigung hat diese Woche Revision eingelegt.
Priester U. hatte Kontakt zu Kindern
Der heute 70 Jahre alte U. war von 2016 bis zur Beurlaubung 2019 unter Zimmermanns Leitung als Seelsorger im Ruhestand tätig gewesen. Als Zeuge vor Gericht hatte der Kreisdechant angegeben, dass er U. vor allem in der Altenseelsorge eingesetzt habe.
Schwierige Situation
Über die Rückkehr von Kardinal Woelki sagte Zimmermann, die Situation sei nicht leicht. Dies gelte für die Gläubigen, von denen viele ihn kritisch sähen, genauso wie für Woelki selbst: Für ihn sei es schwierig, in ein Bistum mit einer derartigen Stimmung zurückzukommen. Woelkis Hirtenbrief finde er sehr persönlich. Vielleicht, so fügte der Kreisdechant hinzu, wäre es aber besser gewesen, wenn er ein solches Schreiben früher verfasst hätte, „um die Leute spüren zu lassen, dass er die Aufarbeitung und die Zusammenarbeit mit den Menschen will“. Jetzt müsse der Heilige Vater entscheiden, ob er Woelkis Rücktritt annehme.
Der Geistliche, der sich in einem Zülpicher Ortsteil ein leerstehendes Pfarrhaus gekauft hatte und dort eingezogen war, habe in dieser Zeit jedoch auch immer wieder Kontakt zu Kindern gehabt.
Dass gegen den Seelsorger bereits 2010 massive Vorwürfe sexuellen Missbrauchs im Raum gestanden hatten, habe die Bistumsleitung ihm nicht mitgeteilt, so Zimmermann weiter. Davon erfahren habe er erst am 5. April 2019, als das Erzbistum die Beurlaubung des Priesters öffentlich machte.
Im Gespräch mit dieser Zeitung sagte Zimmermann, er sei froh, dass U. verurteilt worden sei. In Zülpich sei die Betroffenheit groß: „Es ist unfassbar, dass ein Mann, den wir geschätzt haben, den wir gemocht haben, mit dem wir teilweise sogar befreundet waren, uns manipuliert hat, dass hinter dieser Fassade ein Monster stand, ein krimineller Serientäter.“
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Zimmermann sprach von einem Erschrecken darüber, „wie wir getäuscht worden sind von dieser Person“. In dem Prozess war bekannt geworden, dass während U.s Zeit in dem Zülpicher Ortsteil minderjährige Mädchen in seinem Haus übernachteten. Zimmermann erinnerte an ein Dekret von April 2019, dem zufolge U. nicht mehr öffentlich als Priester tätig sein durfte. Dieses Dekret sei im Dekanat selbstverständlich umgesetzt worden. Er, so Zimmermann, habe die Einhaltung scharf kontrolliert: „Was er aber privat gemacht hat, das kann ich natürlich nicht beurteilen.“