Der Flughafen Köln-Bonn steuert erneut auf ein Rekordjahr zu. Was bedeutet das für die Anwohner?
Albert Müller: Diese Entwicklung geht eindeutig zu Lasten der Bürger, denn mit steigenden Passagierzahlen steigt auch die Lärmbelastung. Das ist die Kehrseite der Rekordmeldungen.
Müller: Allein in diesem Jahr hat der Flughafen die Zahl seiner nächtlichen Flugbewegungen zwischen 22 und 6 im Vergleich zum Vorjahr um 8,4 Prozent gesteigert. Das bedeutet nachts starteten und landeten bis Juli 2016 insgesamt 22 400 Flüge. Für die rund 90 000 Anwohner, die im Gebiet mit besonders hoher Nachtfluglärm-Dauerbelastung lebten, ist es besonders schlimm, dass speziell die Zahl der Nachtflüge zwischen null und fünf Uhr gewachsen ist – sogar um 20 Prozent.
„Jahrzehnte alte Flugzeuge verursachen entsprechenden Lärm“
Aber mittlerweile werden doch neuere, leisere Maschinen verwendet. Schafft das nicht Linderung?
Wolfgang Hoffmann: So einfach kann man das leider nicht sehen. Es sind ja bedauerlicherweise nicht nur moderne Flugzeuge, die besonders nachts im Frachtverkehr fliegen. Ganz im Gegenteil. Zum Teil sind es Muster wie die MD11, B744 oder A300, die Jahrzehnte alt sind und entsprechenden Lärm verursachen. Diese Flugzeuge erzeugen Schallpegel von 80 und mehr Dezibel – ähnlich dem Lärm eines Presslufthammers oder eines Lastwagens.
Müller: Entscheidend für die Lärmbelastung ist auch, wie die Flugzeuge geflogen werden. Flughöhe ist dabei eine wesentliche Größe. Um den Bodenlärm zu mindern, ist es außerdem wichtig, dass die Flugzeuge beim Start die seit 1999 festgelegten Sollkurse einhalten. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Wenn die Maschinen etwa über den Lohmarer Wald abfliegen, wo keiner lebt, ist das für die Einwohner Kaldauens eine deutliche Verbesserung. Deshalb sind auch die Sollrouten in der Fluglärm-Kommission so abgestimmt worden.
Kein Verkehrsmittel wird so stark überwacht wie das Flugzeug. Warum wird nicht so geflogen?
Hoffmann: Zum einen sind die Piloten verantwortlich; beim Start ist höchste Aufmerksamkeit gefordert. Auch liegt es daran, dass Flugzeuge, insbesondere älterer Bauart, bei Nutzung der Steuerungsautomatik nicht dementsprechend programmiert sind, wie mir Piloten bestätigt haben. Letztendlich gibt es Witterungseinflüsse.
Über die Zukunftsaussichten des Flughafens
Müsste der Flughafen hier nicht einwirken?
Müller: Eigentlich überwacht die Deutsche Flugsicherung die An- und Abflüge. Der Punkt ist aber, dass sie nur dann eingreifen muss, wenn das Flugzeug sich außerhalb der international festgelegten Toleranzen befindet, und das ist im Bezug auf die Sollrouten ein sehr weites Feld. Die Führung des Flughafens sollte – wie bereits für Anflüge – auch für Starts einen Bonuswettbewerb einführen.
Wie könnte dies konkret aussehen?
Hoffmann: Der Flughafen erhebt Gebühren. Zielführend wäre es, wenn er auf die Fluggesellschaften zuginge und ein Rabattsystem einführte, von dem die Gesellschaften profitieren, deren Piloten die lärmmindernden Sollrouten am besten abfliegen. Das wäre ein wichtiger Anreiz und könnte die Lärmbelastung der Anwohner in Teilen wesentlich verringern.
Flugbegrenzungen für Köln-Bonn
Der Flughafen wird weiter wachsen. Eurowings und Ryanair bauen ihre Verbindungen aus. In Düsseldorf wurde einst zwischen Airport, Land und den Gemeinden ein historisches Abkommen getroffen, das die Aktivitäten des Flughafens begrenzt. Ist so etwas auch mit Köln-Bonn möglich und was wären Ihre Forderungen?
Hoffmann: Eine zentrale Forderung ist, dass künftig keine Passagierflüge mehr zwischen null und fünf Uhr stattfinden; damit wären schon mal rund 30 Prozent der mit durchschnittlich 22 500 jährlichen Flugbewegungen in diesem Zeitfenster weg. Abgesehen davon muss der Nachtflug insgesamt – derzeit circa 38 000 pro Jahr – deutlich zurückgeführt werden. Blickt man auf die Express-Fracht, so ist im dafür benötigten Zeitfenster die Kapazität der Bahnen ohnehin limitiert. Die lauten, noch im Einsatz befindlichen Maschinen müssen sowieso aus der Nacht raus. Zusammenfassend kann man sagen, dass im Nachtverkehr nur noch Flugzeuge zum Einsatz kommen dürfen, die erst einmal weniger als 75 Dezibel Einzelschall an jeder der Fluglärm-Messstellen des Flughafens erzeugen. Eine solche Regelung gibt es beispielsweise in München. Und Fliegen muss in der Nacht erheblich teurer werden. Im Vergleich zu Frankfurt sind die Gebühren besonders für die Nachtflüge deutlich zu gering.
„Bürger haben durch Planfeststellungsverfahren ein Mitspracherecht“
Der Flughafen hat sich jetzt entschieden, für seine Erweiterungspläne ein Planfeststellungsverfahren einzuleiten. Sie fordern aber, dass auch bereits bestehende Teile des Areals in diese Verfahren miteinbezogen werden sollen. Warum?
Müller: Das bestehende Terminal 2 und zahlreiche Vorfeldflächen gehören in unseren Augen dazu. Denn diese Infrastruktur ist seinerzeit ohne Überprüfung ihrer Umwelt-Beeinträchtigung errichtet worden, was seit 1990 aber gesetzlich vorgeschrieben ist. Je größer also das ist, was in das Verfahren einbezogen wird, desto größer muss auch das sein, was zum Ausgleich angeboten werden muss. Erfreulicher Zusatzeffekt: im Rahmen dieses Planfeststellungsverfahrens, das durch unseren Klageerfolg vor dem Bundesverwaltungsgericht veranlasst worden ist, haben jetzt alle Bürger ein Mitspracherecht.
Das Nachtflugverbot ist auf politischer Ebene immer wieder gescheitert. Im kommenden Jahr sind Wahlen in NRW. Sehen Sie Chancen für einen neuen Anlauf?
Müller: Wir werden auf die Kandidaten der Parteien zugehen und ihre Positionen zum Nachtflug erfragen. Man könnte es als eine Art Wahlprüfstein betrachten. Für uns wäre es wichtig, dass die Forderung für mehr Nachtruhe Bestandteil einer Koalitionsverhandlung sein wird und dass sie am Ende der Gespräche auch Teil einer Koalitionsvereinbarung ist.