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Interview mit Jürgen Mathies„Wir müssen deutlich mehr Beamte einstellen“

Lesezeit 7 Minuten

Der 56-jährige Mathies in seinem Düsseldorfer Büro im Innenministerium.

Als Ex-Innenminister Ralf Jäger Sie vor eineinhalb Jahren anrief und Sie zum Polizeipräsidenten in Köln machen wollte, störte er Sie samstagmorgens beim Frühstück mit Ihrer Frau. Wo waren Sie diesmal, als Armin Laschet anrief und fragte, ob Sie Staatssekretär werden wollen?

Ich saß in Köln in meinem Büro, es war ein Freitag. Wir haben uns dann für den Samstag zum Gespräch verabredet, und da habe ich ihm zugesagt. Es ist natürlich eine herausragende Funktion, in diesem Land als Staatssekretär tätig zu werden.

Wussten Sie bei diesem Gespräch schon, wer Innenminister wird?

Alles zum Thema Armin Laschet

Nein. Ich habe meine Entscheidung unabhängig davon getroffen. Und jetzt sehe ich ja, dass ich sehr gerne mit dem Minister (Herbert Reul, CDU, Anm. d. Red.) zusammenarbeite. Er ist genauso wie er beschrieben wurde: Ein sehr guter Politiker mit viel Erfahrung. Ich habe den Eindruck, wir passen gut zusammen.

Verlassen Sie die Kölner Polizei mit Wehmut?

Ich spüre Abschiedsschmerz, das ist schon so. Ich hinterlasse eine Behörde, in der ich sehr gerne Behördenleiter war. Ich hatte eine tolle Zusammenarbeit mit den vielen Kolleginnen und Kollegen. Dazu die Bindungen in die beiden Städte Köln und Leverkusen hinein – das sind Aspekte, die bei dem Abschiedsschmerz eine ganz große Rolle spielen.

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Welche Situation haben Sie angetroffen, als Sie im Januar 2016 nach Köln geschickt wurden?

In Köln war die Ausgangsposition so, dass das Vertrauensverhältnis von Polizei und Bürgern gestört war. Die Kriminalitätsentwicklung war äußerst negativ. Die Beamten waren verunsichert. Ich habe deutlich gemacht, dass Polizeibeamte klar und konsequent einschreiten müssen. Sie dürfen nicht wegschauen, wenn Grenzen überschritten oder Vorschriften verletzt werden.

Richtet sich dieser Anspruch jetzt an alle Polizeibehörden im Land?

Ja, sicher. Die Polizei muss eine klare Linie verfolgen. Der Landesregierung geht es darum, die Präsenz der Polizei zu erhöhen. An bestimmten Stellen müssen wir auch mehr Druck aufbauen, um bestimmte Phänomene zu bekämpfen. Wir werden jetzt aber nicht so schnell einen Hebel umlegen können. Wir müssen deutlich mehr Beamte einstellen, um in drei Jahren die Früchte ernten zu können.

Die Ausbildungskapazitäten sind begrenzt, es gibt bereits drei Polizeischulen in NRW. Braucht es noch eine vierte?

Im Augenblick ist erstmal handlungsleitend, dass wir mehr Polizeibeamtinnen und -beamte einstellen wollen. In diesem Jahr sind es 2300, also 300 mehr als zuvor. Diese 300 zusätzlichen Ausbildungsstellen können wir über die einzelnen Abschnitte auch gewährleisten – also vom Studium an der Fachhochschule über die praktische Ausbildung am Amt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten bis hin zur Ausbildung in den Behörden. Wie die Entwicklung weitergeht, wollen wir erstmal abwarten. Und dann sorgfältig prüfen, wie es mit dem Thema Fachhochschule weitergeht.

Die FDP hatte gefordert, dass auch Realschüler Polizisten werden können sollen. Wird das umgesetzt?

Darüber ist noch nicht entschieden.

Werden Sie im ganzen Land vermehrt Bereitschaftspolizisten einsetzen, um die Polizeibehörden zu entlasten?

Wir müssen alle Möglichkeiten der Präsenzerhöhung nutzen.

Benötigt die NRW-Polizei denn mehr als die 18 jetzt schon vorhandenen Einsatzhundertschaften?

Es gibt Überlegungen, weitere Züge (á 39 Beamte, d. Red.) einzurichten. Mögliche Standorte für die zusätzlichen Züge könnten Essen und Bochum sein. Man darf sich aber nicht nur auf einen Funktionsbereich der Polizei fokussieren. Genauso wichtig ist es, den Staatsschutz auszubauen oder zusätzliche Kripo-Beamte zum Beispiel im Kampf gegen Taschendiebstahl einzusetzen.

In Köln haben Sie ein Unterstützungssystem für Beamte aufgebaut, die im Dienst beleidigt oder verletzt wurden. Soll es das künftig überall im Land geben?

Ich bin davon überzeugt, dass die Kölner Behörde das Projekt fortsetzen wird. Interviews mit Polizistinnen und Polizisten haben gezeigt, dass die Unterstützung der von Gewalt betroffenen Beamten auch zur Qualitätsverbesserung der polizeilichen Arbeit beigetragen hat. Das wiederum hatte Auswirkungen auf die Möglichkeit staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren. Auch die Strukturen bei der Vorgangsbearbeitung wurden verbessert. Ich werde das Polizeipräsidium Köln bitten, diese Erfahrungen in Führungstagungen einzubringen, damit andere Behörden das aufnehmen können. Die Strafanträge müssen auch von den Behördenleitern unterstützt werden. Das Phänomen „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ muss man ganzheitlich angehen – denn davon sind auch Sanitäter oder Feuerwehrleute betroffen.

Haben Sie in Köln eigentlich viele offene Baustellen hinterlassen?

Ich habe immer gesagt, dass es mir um Nachhaltigkeit und um eine strategische Wirkung geht. Der Zeitraum von eineinhalb Jahren – solange war ich in Köln – reicht nicht aus, um die Nachhaltigkeit der Maßnahmen beurteilen zu können. Für mich war wichtig, dass die Kriminalitätsentwicklung im Jahr 2016 positiv war und das sich der Trend in den ersten fünf Monaten dieses Jahres auch fortgesetzt hat. Positive Entwicklungen gibt es aber auch in anderen Orten, zum Beispiel in Dortmund. Deswegen bin ich weit davon entfernt zu sagen: „Guckt mal, hier steht der Meister.“

Über Ihre Arbeit in Köln hört man aber wenig Negatives…

Ich freue mich darüber, gut angenommen worden zu sein – und dass es gelungen ist, das Bild der Polizei in Köln und Leverkusen zu verbessern. Viele Beamte haben mir bei persönlichen Gesprächen erklärt, dass Sie eine Veränderung spüren und dass ihre Arbeit positiver angenommen wird. Das macht mich sehr froh.

Mit Uwe Jacob folgt in Köln erneut ein gelernter Polizist nach, kein Jurist, wie das anderswo oft der Fall ist. Ein Praktiker als Polizeipräsident – ist das der neue Weg auch für andere Polizeibehörden in NRW?

Die Entscheidungen über Behördenleitungen trifft das Kabinett auf Vorschlag des Innenministers. Dass in Köln mit Uwe Jacob jetzt ein Polizist mir nachfolgt, ist ein gutes Signal.

Sie haben Ihre Laufbahn vor allem bei der uniformierten Polizei gemacht, Uwe Jacob ist Kriminalpolizist. Hat er dadurch noch einmal einen anderen Zugang zu seinen Beamten?

Wir haben ja schon seit vielen Jahren nicht mehr diese strenge Spartentrennung zwischen Schutz- und Kriminalpolizei. Gegenseitige Wechsel gibt es in den Führungspositionen, aber auch junge Beamte wollen immer wieder aus dem uniformierten Bereich zur Kriminalpolizei gehen. Das ist der übliche Weg, denn es ist schon durchaus sinnvoll, dass man Berufserfahrung für die unterschiedlichen polizeilichen Anforderungen mitbringt. Wir müssen auch darauf achten, dass der Personalkörper der Kriminalpolizei nicht zu alt wird. Früher hieß es oft: Wenn jemand nicht mehr im Schichtdienst arbeiten kann, geht er halt zur Kripo. Das ist verkehrt. Man muss da ein gutes Mittel finden.

Die neue Landesregierung hat sich viel vorgenommen. Was ändert sich jetzt konkret im Alltag der Polizisten?

Wir haben das klare Ziel, alles zur Verbesserung der Inneren Sicherheit in NRW zu tun. Der Polizeiberuf muss wieder eine hohe Anerkennung haben, den Beamten muss es gut gehen. Das sind Themen, für die ich als Staatssekretär arbeiten werde.

Zur Person

Jürgen Mathies war von Januar 2016 bis Anfang dieses Monats Polizeipräsident von Köln. In den eineinhalb Jahren hat der 56-Jährige das schlechte Image der Kölner Polizei aufpoliert, das durch die Silvesternacht entstanden war, die Präsenz der Einsatzkräfte in der Stadt erhöht und die Kriminalitätszahlen vor allem bei den Massendelikten teils deutlich gesenkt. Als Polizeipräsident hatte Mathies Wolfgang Albers abgelöst, der schon vor der verheerenden Silvesternacht 2015 unter anderem wegen der Hogesa-Ausschreitungen sowie Skandalen beim SEK und der Hundestaffel in der Kritik gestanden hatte.

In einem Verwaltungsermittlungsverfahren wird derzeit die Rolle von Jürgen Mathies in der „Causa Wendt“ untersucht. Der Polizeigewerkschaftler Rainer Wendt hatte in NRW Sold als Polizist kassiert, obwohl er – offenbar schon seit 2006 – keinen Dienst mehr verrichtete. Zuletzt war Wendt dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) zugeordnet, das Mathies vor seinem Wechsel nach Köln leitete. Mathies soll die Besoldungspraxis im Fall Wendt 2012 beim NRW-Innenministerium kritisch hinterfragt haben. Der frühere NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) beharrte darauf, erst am 24. Februar 2017 von dem Vorgang erfahren zu haben. (gmv, ts)