Der erste Ausbau der Leverkusener Rheinbrücke soll in einem Jahr fertig sein, doch viele Fragen sind noch offen. Verkehrsminister Oliver Krischer äußert generelle Zweifel.
Autobahnausbau in Köln und RegionWas kommt nach der Leverkusener Rheinbrücke?
Irgendwann im November oder Dezember 2023 werden NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) das tun, was Politiker besonders gerne machen. Sie werden ein rotes Band durchschneiden.
Vielleicht auf den Tag genau elf Jahre nach dem 30. November 2012, nachdem die Leverkusener Rheinbrücke sich dazu entschlossen hatte, ihren mit einer Notoperation nach der anderen geflickten Buckel keinen Tag länger mehr für Lasten herzuhalten, für die sie niemals vorgesehen war.
Wüst und Krischer werden den ersten Neubau der Zwillingsbrücke und damit den gesamten Kölner Ring für den Lkw-Verkehr wieder freigeben. Vier Jahre und mehr als eine Milliarde Euro später soll sich die Zeremonie beim zweiten Brückenteil wiederholen.
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Stadt und NRW-Verkehrsminister einig: Keinen Meter mehr
Und dann? Dann werden sich Architekten und Ingenieure der Autobahn GmbH auf das Leverkusener Stadtgebiet stürzen. So ist zumindest der Plan. Der Bundesverkehrswegeplan 2030, um genau zu sein. Der Ausbau des Autobahnkreuzes Leverkusen und der A 3 sollen folgen, danach der Neubau einer Megastelze zwischen den Kreuzen Leverkusen-West und Leverkusen. 75 Meter breit, mit Lärmschutzwänden, über deren Höhe man sich noch nicht einig ist.
Keinen Meter mehr. Seit einem Jahr sind sich in Leverkusen nahezu alle einig. Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD), der Stadtrat, die Stadtgesellschaft – und seit kurzem auch Oliver Krischer, der Verkehrsminister. „Ich glaube nicht, dass Autobahn-Planungen in dieser Dimension noch in die Zeit passen“, sagt der Grünen-Politiker. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Stelze in ihrer jetzigen Form noch viele Jahre Bestand haben wird.“
Alternative Pläne gab und gibt es viele. Auf dem Papier.
Ein langer Tunnel unter dem Rhein ist längst gestorben
Mit dem wohl spektakulärsten sind eine Bürgerinitiative und private Kläger im Oktober 2017 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gescheitert. Ein langer Tunnel, der auf der Kölner Stadtgebiet in Niehl unter dem Rhein verschwindet und erst nach dem Leverkusener Kreuz wieder ans Tageslicht kommt. Helmut Hesse (78), Bauingenieur und Sachverständiger aus Hannover, der die Kläger damals in Leipzig vertreten hat, verfolgt sie heute noch.
„Die richtige Lösung ist immer noch ein langer Tunnel vom Kreuz Leverkusen bis Köln-Niehl, der unter der Stadt, der Deponie und dem Rhein verläuft“, sagt Hesse. „Die neue Brücke könnte man dann für den lokalen Verkehr und vielleicht sogar für eine innerörtliche Straßenbahn nutzen. Die Stadtautobahn für Leverkusen könnte man locker über die neue Brücke führen, mit Zukunftsspuren für Busse und Straßenbahnen oder Elektrokleinfahrzeuge. Die Stelze könnte dann zurückgebaut und sogar eingehaust werden, damit der Lärm geringer wird.“
Auch kurze Tunnellösung schwierig
Dieser Tunnel sei chancenlos, dazu seien die Arbeiten viel zu weit fortgeschritten und überdies müsse man unter dem Rhein parallel einen Versorgungstunnel bauen, um Menschen im Ernstfall aus der Röhre retten zu können. Rolf Kraneis, Ingenieur und erfahrener Straßenbauer, sieht als einzige Alternative nur noch einen Tunnel, der an der neuen Zuführung der A 59 im Kreuz Leverkusen-West beginnt und hinter dem Leverkusener Kreuz endet. „Bei dieser Planung könnten beide Teile der neuen Rheinbrücke angeschlossen werden“, sagt Kraneis.
Doch auch dieser Plan hat einen Haken. Mit Freigabe des ersten Brückenteils muss die A 59 wieder an die alte Stelze angeschlossen werden. „Dann ist die Tunnellösung tot. Es sei denn, der Bund ist bereit, das alles nach zehn Jahren schon wieder abzureißen“, sagt sein Sohn Detlev, ebenfalls ein erfahrener Straßenbau-Ingenieur. Der entscheidende Fehler sei die Entscheidung des Bundes gewesen, die Reihenfolge der drei Bauabschnitte zu verändern. Aus Rheinbrücke, Stelze, Leverkusener Kreuz wurde Rheinbrücke, Leverkusener Kreuz, Stelze.
„Im Grunde kann man das Planfeststellungsverfahren für die Stelze gleich zu den Akten legen. Mit einem Tunnel müssten wir unter der Bundesstraße 8 und der Bahnlinie Köln-Düsseldorf hindurch. Das sind Zwangspunkte, die sich nicht verändern lassen.“ Deshalb muss das Gefälle rechtzeitig beginnen, um die A 1 überhaupt rechtzeitig unter die Bahntrasse zu bringen. Ein auf rund 700 Meter verkürzter Tunnel scheidet schon aus diesem Grund ebenfalls aus. Also kein Tunnel, keine Megastelze und kein Meter mehr.
Wer mit Gisela Kronenberg, parteilose Stadträtin und eine der Klägerinnen, die im Oktober 2017 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verloren haben, aus dem Wohnzimmer in den Garten ihres Hauses im Schatten der Bayarena tritt, kapiert das auf Anhieb.
Seit zehn Jahren kämpft sie gegen den Ausbau, unermüdlich zieht die resolute 72-Jährige mit ihrer Power-Point-Präsentation von Vortrag zu Vortrag und kommt auf das nächste Problem zu sprechen: den geplanten Ausbau der A 3 auf vier Fahrstreifen pro Richtung und des Leverkusener Kreuzes.
„Wenn die große Variante, das Malteserkreuz kommt, kann ich hier unter dem Dach mein eigenes Wetter machen“, sagt sie. „Zum Glück werde ich das nicht mehr erleben.“ Irgendwann, sagt Kronenberg, werde man feststellen, „dass das alles völlig überdimensioniert ist und man mit Verkehrsdaten von 2006 und 2012 keine Autobahnen für 2050 planen sollte. Das ist doch Wahnsinn.“
In 28 Jahren wird sich auch keiner mehr daran erinnern, dass der NRW-Verkehrsminister auch gegen diesen „Wahnsinn“ war.
Gisela Kronenberg zollt Krischer Respekt. Diesen eindeutigen Standpunkt habe sie Oliver Krischer gar nicht zugetraut. „Es muss Schluss damit sein, dass wir die Arbeit der Autobahn-Ingenieure machen und mit immer neuen Vorschlägen kommen. Die planen alles. Aber was das für Folgen für die Menschen hat, sagt keiner. Wir müssen unser Schätzchen, die Stelze, eines Tages sanieren und stehenlassen. Das muss reichen.“