Hilferuf an ReulWarum der Reichtum des Al-Zein-Clans im Jobcenter nicht auffiel
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Leverkusen – Der Brandbrief hatte es in sich: In seiner Not wandte sich Uwe Richrath, SPD-Oberbürgermeister der Stadt Leverkusen, hilfesuchend an NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Eine Woche nach der Razzia beim kurdisch-libanesischen Al Zein-Clan wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Sozialleistungsbetruges von gut 400.000 Euro und Geldwäsche im Stadtteil Rheindorf drang der Rathauschef auf nähere Informationen. „Im vorliegenden Fall besteht (…) für die Stadt Leverkusen eine unklare Sachlage, da den zuständigen Facheinheiten“ Ansprechpartner bei Polizei und Staatsanwaltschaft fehlten. „Derzeit beruhen alle Kenntnisse meinerseits auf Informationen aus den Medien.“
Die zuständigen Abteilungen für Sozialleistungen bräuchten dringend „Detailinformationen (…), um weiteres Verwaltungshandeln zu legitimieren und einzuleiten.“ Sprich etwa die Hartz-IV-Zahlungen an die mutmaßlich kriminelle Großfamilie zu stoppen. „Ohne weitere rechtssichere Detailkenntnisse zu den Sachverhalten ist beispielsweise die Einstellung von Sozialleistungen kaum durchsetzbar“, hieß es in dem Schreiben, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.
Abschließend erkundigte sich Richrath, „wie wird die akute Sicherheitslage der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters AGL, insbesondere bei der Ablehnung beantragter Leistungen bewertet?“ Der Brief kann als Hilferuf gelesen werden. Vor drei Jahren schätzte die Bundesregierung den Sozialleistungsbetrug durch kriminelle Banden auf 50 Millionen Euro allein für 2017. Zugleich räumte man auf Anfrage der FDP ein, dass es in den Jobcentern zu wenig Personal gebe, um Betrugsfälle ausreichend aufzudecken.
In Leverkusen sorgen kriminelle Großfamilien durch organisierten Sozialschwindel immer wieder für Schlagzeilen. Ein Beispiel: der Goman-Clan. Etliche Angehörige der Roma-Familie sollen das Jobcenter betrogen haben. Besonders dreist agierte Michael Goman, eine der führenden Familiengrößen. Während seine Frau mit den Kindern zu Unrecht gut 100.000 Euro Hartz-IV-Bezüge kassierte, kaufte der mehrfach vorbestrafte Betrüger über Strohmänner in Leverkusen ein Mehrfamilienhaus. Für mehrere hunderttausend Euro ließ er das Anwesen sanieren. Für ihn und seine Familie wurde eine weitläufige Luxuswohnung eingerichtet.
Goman fuhr Porsche, trug noble Uhren und investierte über Strohmänner in Immobilien. Das Geld stammte den Ermittlungen zufolge aus Gaunereien meist zum Nachteil alter Leute, illegalem Geldverleih und unlauterer Kreditvermittlung. Kaum hatte ihn das Kölner Landgericht zu acht Jahren Haft verurteilt, folgte die nächste Hartz-IV-Razzia bei weiteren Angehörigen der weitverzweigten Großfamilie. Nach Erkenntnissen der Polizei geben sich zahlreiche Mitglieder offiziell mittellos, streichen jedoch üppige Gewinne durch organisierte Betrügereien mittels Enkel-Tricks, Falschgeld-Deals oder Teppich-Schwindels ein.
Al-Zein-Clan soll gut 400.000 Euro zu Unrecht bekommen haben
Bis heute bleibt fraglich, warum das Job-Center nach den Goman-Strafverfahren ihre kritische Klientel nicht engmaschiger überprüft hat. Die öffentliche Hand schöpfte aber scheinbar keinen Verdacht und finanzierte dem kurdisch-libanesischen Al Zein-Clan in Leverkusen über Umwege den Erwerb einer Villa im Stadtteil Rheindorf. Laut den Düsseldorfer Strafverfolgern sollen das inhaftierte Familienoberhaupt, seine Frau, drei der Söhne und deren Frauen seit 2015 gut 400.000 Euro an Sozialleistungen zu Unrecht kassiert haben.
Dazu befragt, betonte die Pressestelle der Stadt Leverkusen, dass „alle gesetzlichen und verwaltungsinternen Regelungen zur leistungsrechtlichen Prüfung“ durch das Jobcenter beachtet worden seien. Zugleich wies eine Sprecherin auf ein weiteres Manko hin. Die kommunale Hartz-IV-Behörde habe „keine gesetzliche Legitimation die Ausstattung einer Unterkunft zu überprüfen, insbesondere besteht kein Recht auf Zutritt zum höchstpersönlichen Lebensbereich.
Es bestehen im Weiteren bundesweit keine Vorgaben zur Wohnsitznahme in bestimmten Wohnvierteln für Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II“. Ferner versicherte die Sprecherin, dass man alle Kontrollmöglichkeiten wie den automatisierten Datenabgleich „in dem vorgegebenen gesetzlichen Rahmen berücksichtigt“ habe.
Richrath wandte sich mit Schreiben an Reul
Mangels genauerer Informationen zur Razzia, deren Hintergründen und Folgen für die Sozialbehörden habe sich Oberbürgermeister Richrath mit einem entsprechenden Schreiben an Innenminister Reul gewandt, hieß es weiter. „Fragen, die von Belang für die zuständigen Facheinheiten der Stadtverwaltung waren, wurden in diesem Zuge durch die Ermittlungsbehörden beantwortet.“
Aus den oben dargelegten Gründen habe sich das Jobcenter nach der Durchsuchungsaktion vor Ort kein eigenes Bild von den Zuständen in der Rheindorfer Villa gemacht, führte die Sprecherin aus. „Selbstverständlich werden aber alle Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden ausgewertet, um Rechtsansprüche der Stadt sowie des Jobcenters geltend zu machen.“