Dass die Bearbeitungszeit für einen Bauantrag in Leverkusen bei vierzehn Monaten liegt, sei auch eine Frage von Organisation und Haltung, sagt Ina Scharrenbach.
„Eine Frage der Grundhaltung“NRW-Ministerin kritisiert Leverkusens Bauverwaltung
Eigentlich war Ina Scharrenbach nach Schlebusch gekommen, um sich mit lokalen Unternehmern über ihre neue Landesbauordnung zu unterhalten, die am 1. Januar 2024 in Kraft treten soll. Tatsächlich musste sich die NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung zunächst einmal die Beschwerden über den Ist-Zustand in Leverkusen anhören.
„Wenn ich in Leverkusen einen Bauantrag stelle, dauert es 14 Monate, bis der bearbeitet ist“, sagt Immobilienunternehmer Klaus Müller. „Und das ist schon gut, früher war es 15 Monate“, fügt er sarkastisch hinzu. Die in Schlebusch ansässigen Firma HKM Bauprojektentwicklung, die mittlerweile seine drei Söhne führen, zahle zwar ihre Steuern in Leverkusen. „Aber bauen können wir hier aktuell eigentlich nicht.“ Die Unsicherheit, mehr als ein Jahr auf eine Baugenehmigung zu warten und eventuell dann auch noch eine Ablehnung zu bekommen, sei zu hoch. Also baut HKM im Oberbergischen Kreis – Genehmigungszeit: drei Monate. Oder im Rhein-Sieg-Kreis – Genehmigungszeit: Vier Monate.
Köln ist ähnlich schlecht wie Leverkusen
Scharrenbach findet dafür klare Worte: „Wenn Sie hier so lange brauchen, ist das eine Frage der Organisation. Das darf und muss man auch im Stadtrat diskutieren.“ Dabei stellt die Bauministerin auch die Arbeitsweise der Leverkusener Baubehörde infrage: „Wenn ich das Ziel habe, dass gebaut wird, dann stelle ich mich als Behörde entsprechend auf. Das ist eine Grundhaltung.“
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Gerade in größeren Städten – Köln sei da auch ein hervorragendes Beispiel – würden sich die Bauverwaltungen häufig nicht trauen, ihren Ermessensspielraum auszunutzen. Stattdessen werde so lange nach einem möglichen Haken gesucht, bis das Projekt abgesagt – oder erst nach vielen Monaten genehmigt wird.
Die Erfahrung hat auch Serap Güler gemacht. „Ich bin genau so verzweifelt wie Sie“, sagt die Bundestagsabgeordnete. „Ich warte seit zwei Jahren auf eine Baugenehmigung für ein Kita-Projekt in Köln-Mülheim.“ Sie habe mit allen Verantwortlichen gesprochen, bislang ohne Erfolg. „Jetzt sagt der Bauträger: Wenn das bis Herbst nicht klappt, mache ich Mietwohnungen draus“, klagt Güler. „Andere Kommunen gehen pragmatischer damit um“, bestätigt Scharrenbach. Und dann geht es eben auch schneller. „Meine Erfahrung sagt: Je größer die Stadt, umso mehr Vorgaben will sie haben. Wenn wir die Vorgaben aber so fest machen, wie Leverkusen sie gerne hätte, erdrückt das die kleinen Städte.“
Weniger Bürokratie hat auch ihre Haken
Und so soll ihre neue Bauverordnung auch nicht mehr regulieren, sondern weniger. Das sehen die Leverkusener Unternehmer durchaus kritisch. Sie selbst freuen sich natürlich, wenn Bürokratie abgebaut wird, fürchten aber, dass die Stadtverwaltung damit noch mehr überfordert wird. „Ich habe eine Kundin, die möchte eine Wärmepumpe an ihre hintere Grundstücksgrenze setzen“, erzählt zum Beispiel Peter Seven, Geschäftsführer der gleichnamigen Firma für Sanitär, Heizung und Elektro.
Dann legt er Scharrenbach einen mehrseitigen Schriftwechsel mit der Stadt vor. Kurz gesagt stehe darin: Wir haben Angst, dass jemand dagegen klagt, weil in dem Gesetz so viel Freiheit ist, da wissen wir ja gar nicht, wie man das interpretieren soll. „Hier wird Freiheit zur Untätigkeit“, beschwert sich Seven.
Scharrenbach aber hält an ihrer Vereinfachung fest: „Die Frage ist: Will man, dass gebaut und nachverdichtet wird, oder nicht? Das kann ich vom Land aus nicht auflösen.“ CDU-Bezirksbürgermeister Frank Schönberger gibt auch der kommunalen Politik eine Mitschuld am Stillstand: „Der Mut der Verwaltung wird auch von der Politik zerstört, wenn über jedes Bauprojekt ein großer Streit ausbricht. Das hängt den Leuten auch im Kopf.“
Und dann werde eben sehr genau geprüft, um auf der sicheren Seite zu sein. Schönberger wünscht sich von Scharrenbach, dass die Verwaltungen von Landesseite besser geschult werden. Dass sie offiziell gesagt bekommen: Bitte sucht nicht nach Haken, um etwas zu verhindern, ihr habt den Spielraum. „Die Leute haben Angst zu entscheiden“, sagt Schönberger. Scharrenbach notiert sich das.