Ein Feuer bricht in der Bürriger Sondermüll-Verbrennung aus – gleichzeitig darf Currenta einen weiteren Ofen anfahren. Wie kommt das, fragen sich Nachbarn.
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Das ging flott: Am Freitag vor Heiligabend ging bei der Bezirksregierung das Gutachten des Teams um den Sicherheitsexperten Christian Jochum ein, es folgten bekanntlich zwei Feiertage – trotzdem gab die Behörde zügig ihr Okay: Am 6. Januar durfte Currenta einen weiteren Ofen in der havarierten Bürriger Sondermüllverbrennung wieder anfahren. Genau einen Tag, nachdem dort ein Feuer ausgebrochen war, dessen Ursache „leider nicht 100-prozentig nachweisbar ist“, heißt es bei der Bezirksregierung. Man sei auf Vermutungen angewiesen.
Immerhin: Anders als der Betreiber Currenta, der auch auf Nachfrage keine Details zu dem Brand in der Anlage nennt, stellt die Behörde das Ereignis recht genau dar. Danach sind in einem von fünf Bunkern für festen Abfall, die am Ofen Nummer 1 stehen, rund 20 Kilogramm Müll in Flammen aufgegangen. In dem Behälter würden „in loser Schüttung“ Pappe, Holz, überlagerte Tabletten, Medikamente, Putzmittel, Einweganzüge, Verpackungen und ähnliche Dinge gelagert, bevor sie verbrannt werden, hieß es.
Nach einer Viertelstunde war es vorbei
Um 6.47 Uhr habe am vorigen Donnerstag eine am Bunker installierte Infrarotkamera einen Temperaturanstieg an der Kopfseite des Behälters aufgezeichnet. Gleichzeitig habe ein Currenta-Mitarbeiter auf einem Monitor in der Leitwarte Flammen ausgemacht. Sie seien etwa 35 Zentimeter hoch gewesen. Daraufhin habe er die Schaumlöschanlage im Bunker in Gang gesetzt, „wodurch auch die Werkfeuerwehr der Firma Currenta alarmiert wird“, heißt es im Bericht der Bezirksregierung. Drei Beschäftigte der Sondermüll-Verbrennungsanlage hätten den Brand bekämpft, so dass er „nach drei Minuten schon vor dem Eintreffen der Feuerwehr gelöscht war“. Die habe noch vorsorglich einen Schaumteppich auf den Abfall der zu 80 Prozent befüllten Bunkerkammer gelegt. Um 7.03 Uhr sei der gesamte Einsatz beendet gewesen.
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Bei Nachbarn der am 27. Juli 2021 schwer havarierten Anlage wirft der Brand dennoch die Frage auf, ob es mit den von Gutachtern und Behörden so gelobten, verschärften Sicherheitsstandards an der Bürriger Anlage denn so weit her ist. Erst recht, weil das Feuer in dem Bereich der Anlage ausgebrochen ist, in dem vor zwei Sommern die Katastrophe mit sieben Toten und 31 Verletzten geschah: an der Verbrennungsanlage 1, die seit vorigen Juni wieder in Betrieb ist.
Nachbarn haben viele Fragen
Für die Anwohner Helmut und Benjamin Roth ist der beinahe zeitgleiche Brand und die Wiederinbetriebnahme eines weiteren Ofens jedenfalls Anlass für einen umfänglichen Schriftverkehr mit der Bezirksregierung und dem von ihr beauftragten, aber von Currenta bezahlten Gutachter Christian Jochum. Die Erwartung, dass der Chempark-Betreiber ihre Fragen beantworten könnte, haben die Nachbarn längst aufgegeben. Jochum teilte den Roths auf Nachfrage den Zeitablauf mit, in dem die zweite Wiederinbetriebnahme-Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde erfolgte.
Danach habe das Gutachten der Sachverständigen zu der Frage, ob der Ofen für Abwasserkonzentrate, die keine Kläranlage verkraftet, wieder in Betrieb gehen kann, der Bezirksregierung schon länger vorgelegen. Das sei insofern wichtig, als sich er und sein Team wesentlich auf diese Betrachtung stützten, so Jochum. Sein Entwurf sei am 23. Dezember in Köln eingegangen – bei dessen Bearbeitung gab das Jochum-Team dann richtig Gas: Es mussten noch Anmerkungen aus dem Begleitkreis eingearbeitet werden, in dem das Sicherheitszeugnis ebenfalls am Tag vor Heiligabend vorgestellt worden war. Wieder gab es nur eine kurze Frist, in der dieser Kreis, in dem auch Anwohner vertreten sind, Stellung beziehen konnte: nämlich bis um 6 Uhr am 6. Januar, an dem ja der Ofen angefeuert werden sollte.
Die Anmerkungen seien ab dem 27. Dezember eingegangen, schreibt Jochum – „zuletzt am 5. Januar um 18.22 Uhr“. Sein Team und er hätten alle Hinweise direkt nach ihrem Eingang bearbeitet. „Selbst für den letzten Hinweis haben wir uns noch am gleichen Abend zwei Stunden Zeit genommen.“ Das Ergebnis der Auswertung sei am 6. Januar – also nach Ablauf der Frist um 6 Uhr – formuliert und um 6.45 Uhr an die Bezirksregierung gesandt worden. Die habe dann sofort gehandelt und Currenta die Genehmigung erteilt. Der Brand auf der Anlage tags zuvor besorgt den Professor nicht: Das Feuer habe nichts mit Ofen Nummer 4 zu tun. Da sei er sich mit der Bezirksregierung einig. Um zu dieser Beurteilung zu kommen, brauchte die Genehmigungsbehörde also keine 24 Stunden.