Leverkusen – Die Polizei hat am Freitag einen Leverkusener Arzt wegen Fluchtgefahr festgenommen. Der 52-Jährige steht im dringenden Verdacht, etlichen Patientinnen und Patienten ohne medizinischen Anlass Bescheinigungen ausgestellt zu haben, in denen ihnen attestiert wird, nicht gegen das Coronavirus geimpft werden zu können. Bereits am 3. Februar hatten Beamte die Praxis in Leverkusen-Opladen gestürmt, ein Reporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wurde Zeuge der Razzia.
Die Opladener Praxis war weit über die Stadtgrenzen hinaus bei Impfgegnern bekannt. Das belegen sowohl Aussagen von Patienten als auch Äußerungen in sozialen Netzwerken, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen. Ende Januar und Anfang Februar hatten sich täglich bereits ab dem frühen Morgen lange Schlangen vor der Praxis in Opladen gebildet. Recherchen belegen, dass sich unter den Wartenden zahlreiche auch von weit her angereiste Verschwörungstheoretiker und Impfgegnerinnen befanden.
Die Tür der Praxis eingetreten
Nach der aufsehenerregenden Durchsuchung Anfang Februar, bei der der Mediziner sich verschanzt und die Polizei schließlich die Tür eingetreten hatte, waren die Praxisräume über Monate geschlossen. Auf seinem Anrufbeantworter bekundete der Beschuldigte, die Ermittlungsbehörden hätten noch immer die Unterlagen aus seiner Praxis. Solange sich das nicht ändere, könne er nicht wieder öffnen. In den vergangenen Monaten werteten die ermittelnden Polizistinnen und Polizisten große Mengen digitaler Patientenakten aus.
Nun also die Festnahme am Freitagmorgen. Der Leverkusener Arzt befindet sich nach gesicherten Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Untersuchungshaft. Demnach hatten die Ermittler Erkenntnisse, dass sich der Beschuldigte ins Ausland absetzen wollte. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Köln einen Haftbefehl.
66 Fälle bereits nachgewiesen
Den Informationen zufolge konnte dem Mediziner bereits in 66 Fällen nachgewiesen werden, dass dieser gegen Bezahlung Impfunfähigkeitsbescheinigungen zur Vorlage bei Behörden ausgestellt hatte. Die Ermittlungen dürften so schnell nicht abgeschlossen sein, angesichts der Menge der Vorwürfe, denen sich der Opladener Arzt ausgesetzt sieht. Denn es wird in rund 3000 weiteren Fällen noch gegen den 52-Jährigen ermittelt. Nicht in allen Fällen soll es dabei um Corona-Impfatteste gehen, sondern auch um Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die Polizei bestätigte diese Informationen am Nachmittag in einer Pressemitteilung.
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Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer zufolge gehen die Taten des Mediziners über das Ausstellungen unrichtiger Gesundheitszeugnisse hinaus. So soll der Beschuldigte betrügerisch gehandelt haben, weil er die Patientinnen und Patienten über die rechtliche Verbindlichkeit der ausgestellten Atteste gegenüber Dritten – etwa Behörden – im Dunkeln ließ.
Zur Befreiung von der Impfpflicht in Gesundheitsberufen seien die Atteste ungeeignet gewesen, sagte Bremer. Dem Mediziner war dies wohl auch klar. Leverkusens Amtsarzt Dr. Martin Oehler hatte im Zusammenhang mit den ausgestellten Impfunfähigkeitsbescheinigungen im Februar von inhaltsleeren „Schwurbelattesten“ gesprochen. Darüber hinaus geht es in einigen Fällen wohl um gewerbsmäßigen Betrug mit dem Ziel, das Einkommen zu steigern.
Die Ärztekammer Nordrhein hatte bereits vor der polizeilichen Durchsuchung gegen den Opladener Arzt ermittelt und eine Stellungnahme bei ihm angefragt. Die Kammer war am Freitagnachmittag nicht zu erreichen.
Seine Zulassung besitzt der 52-jährige Arzt derweil noch. Die Kölner Bezirksregierung, die für Approbationen zuständig ist, teilte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Freitag mit, bisher sei „kein approbationsrechtliches Verfahren eingeleitet“ worden: „Die Ermittlungen/Überprüfungen in dieser Angelegenheit dauern noch an.“