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HaushaltskriseWie Karl Lauterbach Bayer und Leverkusen zusammenbringen will

Lesezeit 4 Minuten
Oliver Russ, Uwe Richrath, Karl Lauterbach und Milanie Kreutz im Rathaus

Oliver Russ, Uwe Richrath, Karl Lauterbach und Milanie Kreutz (von links) am Montag im Rathaus

Der SPD-Abgeordnete und Minister ist überzeugt, dass die Stadt nur durch Wachstum aus dem wirtschaftlichen Loch kommt.

Das Privileg hat er als Gesundheitsminister: Ein Besuch in Leverkusen führt ihn nicht nur ins Parteibüro zu Genossinnen und Genossen, ins Rathaus zum Oberbürgermeister – Karl Lauterbach findet auch bei Bayer offene Türen, redet mit Konzernchef Bill Anderson und Pharma-Vorstand Stefan Oelrich. „Absolut auf Augenhöhe“, bezeugt Uwe Richrath, der am Montagmorgen dabei war.

Kann Lauterbach beim nach wie vor wichtigsten Unternehmen und Steuerzahler Leverkusens auch etwas erreichen? Das ist die Kernfrage, denn die Mission des Ministers wurde ausgelöst durch einen Hilferuf aus dem Stadtrat. SPD-Mann Oliver Russ, selbst ziemlich gut vernetzt auch in der Bundespartei, hat die Hoffnung, dass in Berlin geholfen werden kann, wenn Städten plötzlich ein Drittel ihrer Einnahmen wegbricht, weil viel weniger Gewerbesteuer fließt als kalkuliert. Also wurden die Bundestagsabgeordneten aus dem Leverkusener Wahlkreis angeschrieben.

Weniger Steuern, um in Leverkusen zu investieren

Schriftliche Antworten habe es von Serap Güler (CDU) und Nyke Slawik (Grüne) gegeben, berichtet am Montagnachmittag SPD-Fraktionschefin Milanie Kreutz. Karl Lauterbach macht so etwas lieber persönlich. Und geht dann gleich dorthin, von wo es der Stadt im Moment besonders weh tut: Jeder weiß ja, dass unter dem Bayer-Kreuz der Löwenanteil der Gewerbesteuer erwirtschaftet wird, normalerweise. Auf Nachfrage des „Leverkusener Anzeiger“ wird Lauterbach ein bisschen deutlicher: Ja, der Einnahmeausfall habe auch mit geplanten Investitionen zu tun; „dafür können Unternehmen Rückstellungen bilden und steuerlich geltend machen“. Anders gesagt: Bayer und Co. haben vor, in Leverkusen neue Anlagen zu bauen. Das veranlasst den Minister zu dieser Aussage: „Der Steuerausfall ist in Teilen auch ein gutes Zeichen.“ Nämlich ein Wechsel auf die Zukunft.

Lauterbach erinnert an die Pharma-Strategie, die vor allem in seinem Haus ausgetüftelt wurde. Schnell sei ein Gesetz gemacht worden, „und das hat sofort was gebracht“: An mehreren Orten in Deutschland seien Pharmakonzerne dabei, Milliarden in neue Anlagen zu investieren. Leverkusen ist nicht dabei, „so etwas brauchen wir hier auch“, so der Gesundheitsminister. Bayer lässt zwar gerade seine neue Tablettenproduktion anlaufen, die auch teuer war. Nur: Da könnte mehr laufen, Bayers Produktion sei nur zu einem Drittel ausgelastet, weiß der Politiker.

Die Chemie braucht politischen Rückenwind

Die Pharma-Strategie sollte als Blaupause dienen für die Chemische Industrie, stellt er sich vor. Und der Bundeskanzler habe ja auch erkannt, dass Deutschland industriepolitische Initiativen braucht, an vielen Stellen: Autobau und Stahlherstellung fallen dem Minister weiterhin ein. Das alles müsse schnell kommen, denn „ohne Wachstum haben solche Standorte keine Chance“ – damit meint Lauterbach ausdrücklich auch Leverkusen.

Zur Eile mahnt auch Uwe Richrath. Der OB verteidigt nach wie vor die Strategie, den Gewerbesteuer-Hebesatz auf 250 Punkte gesenkt zu haben. Das sei „industriell notwendig“, aber damit sei Leverkusen auch für andere Branchen attraktiv geworden. Auch das habe eine immense Bedeutung für die Entwicklung der Stadt. An dem Hebesatz will er auf keinen Fall rütteln, auch wenn der Rückgang der Einnahmen – allein in diesem Jahr fehlen der Stadt nach jüngsten Prognosen 285 Millionen Euro – „uns brutal erwischt hat“, räumt Richrath ein.

Das Problem: So viel kann man nicht einsparen. Vor allem aber: Man würde an dem Ast sägen, auf dem man sitzt. Kitas und Schulen müssen von der Stadt gebaut werden, erstere noch dazu mit Personal bestückt. Wenn aber Leverkusen kein attraktiver Bildungsstandort mehr sei, ergäben sich auch Probleme für die hochspezialisierten Konzerne wie Bayer, Covestro und Lanxess. Bisher, das hat sich Karl Lauterbach am Morgen von Bayer-Chef Bill Anderson bestätigen lassen, „gelingt es hier, die Stellen sehr gut zu besetzen“. Das, warnt Uwe Richrath, sei aber kein Selbstläufer: „Ohne Fachkräfte werden wir gegen die chinesische Wirtschaft verlieren.“ Dann sei Leverkusen mit seinen Weltkonzernen in der Abwärtsspirale.


Corona-Lasten, Altschulden der Kommunen: Themen, die auf Bundesebene gelöst werden müssen, da sind sich der SPD-Abgeordnete, der SPD-Oberbürgermeister und die SPD-Fraktionschefin einig. „Es hilft uns nicht wirklich, wenn wir eine halbe Miliarde Corona-Lasten über 50 Jahre abstottern dürfen“, sagt Milanie Kreutz. Auch Karl Lauterbach ist, überzeugt, dass Städte und Gemeinden von Altlasten befreit werden müssen. Die Regelung müsse fair sein, „und wir dürfen kein Problem mit der Schuldenbremse bekommen“, nennt der Minister einen Knackpunkt.