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HaushaltWie konnte es zum 285-Millionen-Euro-Loch in Leverkusens Stadtkasse kommen?

Lesezeit 4 Minuten
Die Europa auf dem Bild von „Eloba“ im Ratssaal stützt sich locker auf einen Euro.

Die Politik in Leverkusen kann immer noch nicht verstehen, wie es zu dem großen Haushaltsloch kommen konnte.

Die Stadt gibt ausführliche Auskünfte über die Vorgänge rund um den Einbruch der Gewerbesteuer in Leverkusen.

Wie konnte es dazu kommen, dass der Leverkusener Stadtkasse 285 Millionen Euro Gewerbesteuer fehlen? Nachdem Kämmerer Michael Molitor und OB Uwe Richrath der Stadt Anfang August eine Haushaltssperre auferlegt haben, ist einiges passiert. Eine Taskforce wurde gegründet, Diskussionen darüber geführt, wer wann was hätte wissen können und erste Sparmaßnahmen umgesetzt.

Dennoch ist für viele nicht zu verstehen, wie die Stadt in dieses gigantische finanzielle Loch fallen konnte. Oder vielmehr, wieso das nicht vorauszusehen war. Die Grünen haben die Verwaltung erneut um Stellungnahme gebeten, die antwortet nun ausführlich.

Die Stadtverwaltung stellt klar: „Die Größenordnungen der Einbrüche bei der Gewerbesteuer aus der chemischen Industrie, die im Juli 2024 zum Erlass der Haushaltssperre geführt haben, waren auch nach Gesprächen mit der chemischen Industrie, die dem Steuergeheimnis unterliegen, im Herbst/Winter 2023 nicht vorhersehbar.“

Leverkusen: Stadt hatte mit 385 Millionen Euro geplant

Geplant hatte die Stadt mit 385 Millionen Euro. Es werden wohl nur rund 100 Millionen Euro. „Die Verwaltung hatte, nicht zuletzt aus den geführten Steuergesprächen mit bereits ortsansässigen, aber auch zukünftigen Gewerbesteuerzahlern, eine gewisse Erwartungshaltung“, erklärt man im Rathaus diesen Ansatz. Aber: „Leider hat sich inzwischen herausgestellt, dass diese Dimension in diesem Jahr nicht mehr realisiert werden kann.“

Eine gewichtige Rolle dabei spielt neben ausbleibenden Gewerbesteuerzahlungen das Gegenteil: Steuerrückzahlungen an Unternehmen. Mitte/Ende April seien das allein 46 Millionen Euro gewesen. Im August noch mal 25 Millionen. Das waren laut Verwaltung die zwei höchsten Gewerbesteueranpassungen seit dem 1. Januar 2021.

Im Laufe des Jahres erfolgen immer wieder „Korrekturläufe“: Änderungen, die die Stadt von Gewerbetreibenden oder vom Finanzamt mitgeteilt bekommt, würden darin ins städtische Rechnungswesen überführt. Die Daten werden maschinell verbucht und wirken sich erst aus, wenn sie freigegeben sind. Muss ein Unternehmen weniger Steuern als zunächst veranschlagt zahlen, spricht die Verwaltung von „Sollabgängen“.

Hier wird also extrem deutlich: Das Jahr 2024 läuft gewaltig aus dem Ruder.
Stadtverwaltung Leverkusen

Im Jahr 2021 betrug dieser Sollabgang in 52 Kalenderwochen 882.000 Euro pro Woche. Im Klartext: Im Schnitt hat die Verwaltung im Jahr 2021 pro Woche 882.000 Euro weniger Gewerbesteuer eingenommen als gedacht. Im Jahr 2022 waren es 2,2 Millionen Euro pro Woche und im Jahr 2023 1,4 Millionen. Für die ersten 32 Kalenderwochen des laufenden Jahres, also für etwas mehr als ein halbes Jahr, lag der Wert der Sollabgänge schon bei 3,4 Millionen Euro. Die Verwaltung formuliert es knackig: „Hier wird also extrem deutlich: Das Jahr 2024 läuft gewaltig aus dem Ruder.“ Von 2021 bis 2024 gab es nur eine Woche, in der die Stadt Sollabgänge von mehr als 20 Millionen Euro verbuchen musste.

Solche Erstattungen müssen innerhalb einer Woche bezahlt werden, am 29. Juli wurde Kämmerer Michael Molitor über die aktuellen Entwicklungen informiert, der sagte Oberbürgermeister Uwe Richrath Bescheid. Am 30. Juli wurde der restliche Verwaltungsvorstand ins Bild gesetzt, unmittelbar danach wurde die Haushaltssperre verhängt, zeichnet die Stadt die zeitliche Abfolge nach.

Leverkusen hofft auf Erstattungen

Rückzahlungen habe es in der Vergangenheit auch immer gegeben, so die Verwaltung. Meist hätten die aber durch größere Nachzahlungen im Jahresverlauf kompensiert werden können. Diese Hoffnung gebe es auch jetzt noch: „Gerade bei den noch ausstehenden Prüfungen der Steuererklärung der Gewerbebetriebe für 2022 durch die Finanzämter konnte und kann auch weiterhin noch mit Erstattungen aus der Corona-Zeit gerechnet werden.“

Aber die Höhe dieser Zahlungen könne nicht geplant werden. Die Grundlage dafür liege in der Hoheit des Finanzamts, die Stadt bekomme darüber in Messbescheiden Auskunft. In den Jahren 2021 bis 2023 seien für den Zeitraum von Januar bis Juni im Schnitt rund 34 Millionen Euro angefallen, dieses Jahr 60 Millionen. Das sei ein „Allzeithochwert“.

Die FDP hatte bereits im Januar Bedenken geäußert und das eingeplante Plus an Gewerbesteuern zwischen 2023 und 2024 hinterfragt: „Wo ist der Plan B?“ Die Antwort aus dem Rathaus fiel einigermaßen nebulös aus: „Das Steuergeheimnis verbietet es, hier konkrete Angaben zu geplanten Ansiedlungen zu machen.“ Allerdings wies die Verwaltung auch schon Anfang 2024 auf eine mögliche Haushaltssperre hin. Falls sich die extrem hohen Erwartungen doch nicht erfüllen. Dazu ist es nun gekommen.

„Es ist richtig, dass die Ansiedlung eines gewerbesteuerstarken Unternehmens für 2024 zum Teil einkalkuliert wurde“, teilt die Verwaltung mit. Die vertraulichen Gespräche darüber hätten das beim Erstellen des Haushaltsentwurfs ermöglicht. Mehr sagt die Stadt dazu nicht und verweist auf die vereinbarte Vertraulichkeit. Und: „ Seit Beginn des Jahres laufen Gespräche mit weiteren potenziellen Unternehmen, die sich für Leverkusen entscheiden werden. Aber auch hier darf aufgrund der vereinbarten Vertraulichkeit und des Steuergeheimnisses nicht mehr gesagt werden.“