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Tasche voller KokainHohe Haftstrafe für bei Leverkusen gefasste Drogenschmugglerin

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Der Eingang zum Amts- und Landgericht Köln

Der Eingang zum Amts- und Landgericht Köln

Per Zug schmuggeln viele Kuriere Drogen durch Europa. Eine surinamische Frau musste sich dafür nun vor dem Kölner Landgericht verantworten.

Hatte Nathalie H. (Name von der Redaktion geändert) Anfang Februar dieses Jahres bereits gut zwei Kilogramm Kokain im Gepäck, als sie in einem ICE die deutsch-niederländische Grenze passierte, oder erhielt sie die Drogen erst in Deutschland? Diese Frage hatte die 23. große Strafkammer des Kölner Landgerichts vergangenen Dienstag im Wesentlichen zu entscheiden, als es um die Urteilsfindung ging. Das Gericht war dieser Ansicht und verurteilte die in den Niederlanden geborene 24-Jährige zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten wegen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit der Beihilfe zum Handeltreiben mit Drogen.

Vor dem Schuldspruch hatte die Staatsanwaltschaft zunächst die Anklageschrift verlesen. Danach trug der Strafverteidiger, Jan Victor Khatib, eine Stellungnahme der Angeklagten vor. Nathalie H. weinte während der Verteidiger sprach. Schließlich machte ein Zollbeamter eine Zeugenaussage. Die Staatsanwaltschaft warf Nathalie H. vor, am Montag, 5. Februar, nach ihrem Aufbruch in Rotterdam vormittags in Utrecht einen ICE in Richtung Frankfurt am Main mit 1994 Gramm Kokain in einer Laptoptasche bestiegen zu haben, um dieses schlussendlich in Bern gewinnbringend abzusetzen.

Verurteilte wurde von Hintermann unter Druck gesetzt

Zwar befand auch Rechtsanwalt Khatib diesen Vorwurf grundsätzlich als richtig. Allerdings sei das Kokain in Rotterdam noch nicht im Besitz der Verurteilten gewesen. Dieses habe sie von einem Mittelsmann im besagten ICE übergeben bekommen, der seinerseits in Duisburg zugestiegen sei. Dazu sei es gekommen, weil die Verurteilte einer Freundin hatte helfen wollen. Gemeinsam mit ihr habe sie in einem Rotterdamer Tonstudio eine männliche Person kennengelernt. Dieser Mann habe sie wegen Kurierfahrten von Betäubungsmitteln angesprochen.

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Einige Zeit später habe sie den Mann ziemlich aufgebracht wieder getroffen. Dieser habe ihr erklärt, dass ihre Freundin ihn „verarscht“ hätte. Sie habe von ihm Geld für eine Kurierfahrt erhalten und sei damit verschwunden. „Rotterdam ist ein Dorf. Wie kann man für 300 Euro sein Leben riskieren?“, habe die Person der Verurteilten gesagt. Daraufhin habe sie sich bereit erklärt, die Kurierfahrt zu übernehmen, damit der Mann ihre Freundin in Ruhe ließe.

Kurz vor Duisburg habe sie dann einem Mittelsmann eine SMS geschickt, dass sie gleich dort sei. Dieser sei zugestiegen und habe ihr die Laptoptasche mit dem Kokain übergeben. Kurz danach sei die Kontrolle erfolgt. Namen wolle sie nicht nennen, weil sie Angst habe. Insgesamt sei der Drogentransport der größte Fehler ihres Lebens gewesen.

Bei Leverkusen wurden Zollfahnder misstrauisch

Im Anschluss vernahm der Vorsitzende Richter Michael Greve einen der Zollbeamten, der die Angeklagte im Zug aufgegriffen hatte. Gegen 13 Uhr hätten seine Kollegen und er die Verurteilte auf der Höhe von Leverkusen im Rahmen einer routinemäßigen Stichprobenkontrolle durchsucht. Nachdem ein Kollege das Zugticket gefunden hatte, welches nur gute drei Stunden Aufenthalt in Bern mit anschließender Rückreise noch am selben Tag vorsah, seien sie misstrauisch geworden. Nach einem positiven Drogenwischtest sei schließlich das Kokain zum Vorschein gekommen.

Daraufhin sei die Verurteilte zusammengebrochen und habe geweint. Auf Nachfrage von Richter Greve, erklärte der Zollbeamte weiterhin, dass es aus seiner Sicht ein unüblicher Vorgang sei, wenn Kuriere die Drogen erst in Deutschland erhielten.

Im Plädoyer betonte die Staatsanwaltschaft, sie sehe insbesondere die Aussage der Verurteilten, sie habe die Drogen erst nach dem Halt in Duisburg erhalten, als „Schutzbehauptung“ an. Es sei realitätsfern anzunehmen, die Hintermänner würden zwei Kuriere entlohnen und ein zusätzliches Risiko eingehen, dass zwei Beauftragte aufgegriffen werden könnten. Zudem sei die Zugfahrt aus Rotterdam nach Deutschland eine einschlägig bekannte Schmuggelroute. Insofern sei eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren angemessen.

Richter hielt Drogenübergabe in Duisburg für unplausibel

Dem hielt der Verteidiger Khatib entgegen, dass das Kokain auch ohne weiteres direkt nach Duisburg, Standort des größten Binnenhafens der Welt, hätte gelangen können. Aus seiner Sicht sei das Risiko für die Drogendealer keineswegs größer, da so bereits eine Grenze erfolgreich passiert worden sei und die Verurteilte so „nur“ noch in die Schweiz hätte gelangen müssen. Da in diesem Fall keine Drogeneinfuhr vorläge, plädierte Khatib auf eine Freiheitsstrafe, die nicht länger als zwei Jahre und sechs Monate ausfallen dürfe.

Der Vorsitzende Richter Greve nahm, die Forderung der Staatsanwaltschaft sogar noch übertreffend, an, dass die Angeklagte das Kokain bereits in Rotterdam in ihrem Besitz gehabt und nach Deutschland eingeführt habe. Für ihn sei nicht ersichtlich, weshalb man keinen Kurier in Duisburg hätte finden und einsetzen können. Darüber hinaus habe die surinamische Staatsangehörige lediglich ein Teilgeständnis abgelegt, aber den relevanten Teil bestritten. Um vollumfänglich Geständige nicht zu benachteiligen, fiele die Strafe höher aus, wobei die nunmehr Verurteilte damit noch gut bedient sei. Nathalie H. brach nach dem Urteil, das ihre Dolmetscherin übersetzte, in Tränen aus. Binnen einer Woche kann ihr Strafverteidiger dagegen in Revision gehen.