Der Plan, Hauptversammlungen nur noch im Internet abzuhalten, ist ein Angriff auf die Aktionärsdemokratie. Ein Kommentar.
Kommentar zu Bayer-HauptversammlungenAktionäre aussperren geht nicht
Keine Aktionen, keine Proteste, keine Lästigkeiten mehr. Man ahnt, warum der Bayer-Vorstand versucht, sich in der relativen Gemütlichkeit von Hauptversammlungen ohne Publikum einzurichten. Der Agrochemie- und Pharmakonzern hat seit jeher mit einer Phalanx von Kritikern zu tun, die das Geschäftsgebaren scharf beobachten und immer wieder geißeln. Bienensterben, Arzneiskandale, natürlich Glyphosat: Bayer bot und bietet Angriffsflächen. Die standen in den vergangenen Jahrzehnten nie so im Fokus wie auf den Hauptversammlungen Ende April.
Mit der Corona-Pandemie hat sich das fundamental geändert. Zwar gab es auch in den vergangenen drei Jahren Protestaktionen vor den nun virtuellen Hauptversammlungen. Aber das waren reine Medieninszenierungen. Wo kein Aktionär ist, gibt es auch keine Ansprechpartner.
Drinnen war es noch eklatanter: Aktionäre mussten ihre Fragen Tage vorher schriftlich einreichen. Vorstand oder Aufsichtsrat lasen sorgfältig formulierte Antworten ab. Mit einem normalen Aktionärstreffen hatte das kaum etwas zu tun.
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Es wird nur ein bisschen direkter
Natürlich: Ab Freitag werden Bayers Hauptversammlungen einen Rückkanal haben; in gewisser Weise ermöglicht das einen Dialog zwischen Fragesteller und Konzernspitze. Es wird also etwas weniger anonym zugehen.
Trotzdem: Die vom Bayer-Vorstand betriebene Abkehr von Treffen mit leibhaftigen Aktionären ist auch eine Verweigerung der Konfrontation mit unbequemen Anteilseignern. Das sollten sich die Lenker gerade dieses Unternehmens nicht leisten: Bayer ist der einzige Dax-Konzern, dessen Vorstand von den Aktionären auf einer Hauptversammlung die Entlastung verweigert wurde – der größtmögliche Misstrauensbeweis.
Die Behinderung von Kritikern hat Tradition
Und: Bayer versucht nicht zum ersten Mal, sich Kritiker vom Hals zu schaffen. 2014 wollte der Konzern den Platz vor der Kölner Messe schließen und Demonstranten auf diese Weise aussperren. Erst das Kölner Verwaltungsgericht verhalf den Protestlern zu ihrem Recht. Drei Jahre später sollte es dann wenigstens eng werden für die Kritiker: Von dem Platz vor dem Bonner Kongresszentrum beanspruchte Bayer einen großen Teil für sich. Indem das Unternehmen die Einlasskontrollen für die Hauptversammlung nach draußen verlegte. Das ging sogar durch.
Was zeigt das? Mit den Anstrengungen der Aktionärsdemokratie hat Bayer regelmäßig Probleme. Aber vielleicht ist der künftige Konzernchef Bill Anderson etwas weniger dünnhäutig. Und Bayer kommt mit allen Anteilseignern wieder vorbehaltlos ins Gespräch.