Ende April 2023 starb ein Mann in einem Kiosk in Quettingen nach einem Streit durch Messerstiche. In Köln steht der Tatverdächtige vor Gericht.
Verfahren im Landgericht KölnAngeklagter im Leverkusener Kiosk-Totschlag spricht Angehörigen sein Beileid aus
Als im Saal 13 des Landgerichts Köln am Donnerstag (26. Oktober) Aufnahmen von mehreren Überwachungskameras vom 30. April gezeigt werden, verlassen mehrere Menschen den Raum. Sie sind Angehörige – unter anderem die Mutter, Schwester und Großmutter – des 35-jährigen Viktor D., der in dieser Nacht in einem Kiosk an Lützenkirchener Straße in Leverkusen starb.
Gegen 3.30 Uhr erlag Viktor D. Verletzungen, die ihm der Angeklagte Duygu I. (Namen geändert, Anm. d. Red.) durch zwei Messerstiche zugefügt haben soll. Zweimal soll der 58-jährige Mitarbeiter des Kiosks zugestochen haben: Erst ins Herz, was in einer etwa 17 Zentimeter tiefen Stichverletzung resultierte. Dann ins Bein.
Angeklagter spricht Beileid aus – Richterin ermahnt Angehörige
Der Vorwurf gegen Duygu I. lautet Totschlag, erklärt die zuständige Staatsanwältin im Landgericht Köln. Der Angeklagte sitzt deshalb seit der Nacht im April in Untersuchungshaft. Während für Viktor D. viele Angehörige im Saal sitzen, hat Duygu I. neben seinem Verteidiger lediglich einen Dolmetscher dabei. Der türkische Staatsbürger spricht und versteht jedoch Deutsch, wenn auch nicht so gut, dass es für diesen Fall ausreicht.
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„Ich bin sehr traurig darüber, dass hier jemand zu Tode gekommen ist“, übersetzt der Dolmetscher das Türkisch von Duygu I. Er bedauere, was am 30. April passiert sei und spricht sein Beileid aus. In dem Moment geht ein Raunen durch die Angehörigen von Viktor D. „Das ist nicht sein Ernst“, sagt etwa eine Frau. Die Richterin muss sie ermahnen. Zweimal in der Verhandlung.
Opfer sei schon vorher negativ aufgefallen
Duygu I. und sein Verteidiger geben an, dass Viktor D. schon in dem Moment, als er mit drei anderen Männern gegen 3 Uhr in den Quettinger Kiosk kam, negativ aufgefallen sei. „Ich habe an seinen Augen gesehen, dass er nicht normal war“, sagt sein Mandant dazu.
Die Gruppe um Viktor D. hielt sich eine Weile in einer Sitzecke im Kiosk auf, bevor sie zum Rauchen vor die Tür ging. Dort seien die Männer laut gewesen, weshalb sie Duygu I. zweimal ermahnte. Viktor D. soll den Kioskmitarbeiter dann etwa als „Hurensohn“ beschimpft haben. „Eine der schlimmsten Beleidigungen, die man so in dem Kulturkreis kennt“, ergänzt sein Verteidiger. Duygu I. habe daraufhin Viktor D. gleichfalls beleidigt: „Bastard“ und „Halt’s Maul“, will er gerufen haben.
Aber er habe auch Angst bekommen, und holte ein Messer aus dem Verkaufstresen. Viktor D., der inzwischen wieder im Kiosk war, forderte er damit auf, diesen zu verlassen.
Andere Kunden hätten versucht, Viktor D. aus dem Kiosk zu werfen. Es kam zum Handgemenge, Viktor D. habe um sich geschlagen, wobei Duygu I. einen Schlag auf den Kopf bekommen habe. Ihm sei dann kurz „schwarz vor Augen“ geworden.
Videoaufnahmen zeigen Stichbewegungen des Angeklagten
Deshalb wisse er nicht genau, was dann passiert sei. Er habe nur realisiert, dass ein Regal im Kiosk umgeworfen wurde. Das Messer habe dann aber schon Viktor D. getroffen. Wann und wie, wisse er nicht mehr. Duygu I. könne nicht sagen, ob es Reflex oder ein „unglückliches Hereindringen“ war, erklärt sein Verteidiger. Er hatte aber niemals vor, Viktor D. zu töten. Er sei auch nicht auf ihn losgegangen und habe Abstand gehalten.
Trotz der vielen Videos dieses sehr kurzen Moments, die Überwachungskameras aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufgenommen haben, bleibt unklar, wie es zu den Messerstichen kam. Teilweise widersprechen sie auch dem, was zuvor gesagt wurde.
Es ist zu sehen, dass Duygu I. mit der Gruppe spricht. Auf einer Tonspur sind die Beleidigungen von beiden zu hören. Auch der Schlag von Viktor D. auf den Kopf von Duygu I. ist zu sehen. Es ist aber auch zu sehen, wie Duygu I. das Messer holt und später wieder abspült. Genauso wie das Handgemenge, auf das sich der Angeklagte augenscheinlich aktiv zubewegt. Sie zeigen auch, wie er in die Richtung von Viktor D. sticht.
Es ist allerdings auch erst der erste von drei angesetzten Hauptverhandlungsterminen. Am 9. und 14. November wird das Verfahren fortgesetzt.