Am Montag ist der Internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen.
Fehlende UnterstützungAktionen gegen Gewalt an Frauen bleiben zu oft ein symbolischer Akt
Im Jahr 2023 gab es statistisch gesehen fast jeden Tag einen Femizid in Deutschland. Wie das Bundesinnenministerium kürzlich mitgeteilt hat, wurden im abgelaufenen Jahr 52.330 Frauen und Mädchen Opfer von Sexualstraftaten. 80,6 Prozent der Opfer von Tötungsdelikten in Partnerschaften waren Frauen. In den vergangenen Jahren sind es immer mehr geworden. Am Montag, 25. November, ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, im Englischen auch „Orange Day“ genannt. Ein Tag, der aktueller und dringender nicht sein könnte.
Das diesjährige Motto lautet „Wenn die Gewalt nicht aufhört“. Es bestehe in der Öffentlichkeit vielfach die Idee, dass Partnerschaftsgewalt ein seltenes Phänomen sei, teilt die Burscheider Frauenberatungsstelle „Frauen-Zimmer“ dazu mit. Und es sei auch nicht so, dass die Gewalt beendet werden könne, wenn die Betroffenen den Partner verlasse. „Leider sind beide Annahmen falsch. Frauen, die Gewalt in ihrer Beziehung erleiden, kämpfen mitunter jahrelang darum, aus dieser Beziehung auszusteigen. Statistisch gesehen kehren betroffene Frauen siebenmal zurück, bevor sie den endgültigen Ausstieg schaffen.“
Üblicherweise hissen die Mitarbeiterinnen der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an den Rathäusern in Burscheid, Leichlingen und Wermelskirchen eine Fahne für ein gewaltfreies Frauenleben. Das ist in diesem Jahr anders. Man werde sich nicht an der Aktion beteiligen: „Nicht etwa, weil wir uns nicht solidarisch mit den Betroffenen häuslicher und sexualisierter Gewalt zeigen möchten, sondern deshalb, weil es keine Unterstützung aus der Öffentlichkeit gibt, niemand, der bereit wäre, ein sichtbares Zeichen zu setzen. Und weil sich seit Jahren ausschließlich die jeweiligen Bürgermeister und Gleichstellungsbeauftragten der Städte zu uns gesellen, um die Wichtigkeit dieser Aktion zu unterstreichen, möchten wir in diesem Jahr ein Zeichen dadurch setzen, dass wir nicht dabei sind. Es bleibt in der Regel ein symbolischer Akt, der auf politischer Ebene nicht ausreichend Konsequenzen nach sich zieht.“
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Influencerinnen mit traditionellem Frauenbild
In Leverkusen waren laut dem Frauennotruf Leverkusen im vergangenen Jahr 370 Frauen von psychischer oder physischer Gewalt betroffen. Silke Wassmuth ist Präsidentin des Zonta-Clubs Leverkusen. Der Verein, dem zurzeit 34 Frauen angehören, setzt sich seit 1980 in Leverkusen für die Stärkung von Frauen und Männern in der Stadt ein. Durch auffällige Aktionen und durch Spendensammlungen für den Frauennotruf oder das Frauenhaus zum Beispiel.
Man habe das Gefühl, alles werde reaktionärer, und damit auch das Frauenbild, sagt Wassmuth. In den sozialen Medien gibt es inzwischen viele sogenannte „Tradwives“, also Influencerinnen, die sich mit dem traditionellen Frauenbild identifizieren und entsprechende Beiträge in ihrem Netzwerk verbreiten. „Und so entwickelt sich auch unter jungen Menschen wieder schneller ein solches Bild“, sagt Wassmuth. Eines, das eher von Besitzansprüchen gegenüber Frauen ausgeht, als von Gleichheit. Und der Zusammenhang zwischen einem von Ungleichheit geprägtem Menschenbild und Gewalt ist leicht herzustellen.
Leverkusen: Gebäude leuchten orange
„Da kommt einfach viel zusammen“, sagt Susanne Wedewer-Pampus, ebenfalls im Zonta-Club aktiv. „Die Gesellschaft wird ohnehin aggressiver.“ Der Club hat daher ein Präventivprojekt in der Leverkusener Sekundarschule implementiert. „Ist das noch Liebe“, heißt das Projekt, das der Verein „Lobby für Mädchen“ an der Schule anbietet. Und wenn es nach Wassmuth und Wedewer-Pampus ginge, könnte das Projekt noch an weiteren Schulen angeboten werden.
Wichtig ist dem Zonta-Club bei seinen Aktionen, dass Männer nicht ausgeschlossen werden sollen. „Wir brauchen Männer“, sagt Wedewer-Pampus, die aber Verständnis dafür zeigt, dass sich vielleicht verunsicherte Jungen vernachlässigt fühlen könnten, wenn man sich so sehr um Mädchen kümmert. So könne es zu einer Trotzreaktion kommen. Wenn sie in der Öffentlichkeit aufträten, kämen viele Männer, die ihre Sache unterstützen. Es sei aber auch schon zu irritierenden Begegnungen gekommen, so Wedewer-Pampus. Einmal habe ein Vater seine Töchter aktiv von den Clubmitgliedern weggehalten, weil er nicht wollte, dass sie mit ihnen sprechen.
Zonta arbeitet eng mit Leverkusener Frauenschutzinstitutionen zusammen, mit dem Frauenhaus, dem Frauennotruf oder der Frauenberatungsstelle. Zweimal im Jahr treffen sich Beteiligte dieser Organisationen, aber auch vom Frauenring, von Profamilia oder dem Katholischen Bildungswerk im „Frauennetzwerk“, um Ideen und Kooperationen zu beschließen.
Eine Aktion des Zonta-Clubs ist die Zonta-Bank. Darauf haben die Mitglieder Menschen getroffen, um mit ihnen über Gleichberechtigung und alles, was damit zusammenhängt, zu sprechen. OB Uwe Richrath saß bereits auf der Zonta-Bank in Opladen. Zuletzt Dr. Ines Beyer vom Leverkusener Klinikum.
Zwar seien die Führungsebenen in Krankenhäusern meist männlich dominiert, sagt sie. Aber zumindest im Klinikum lege die Geschäftsführung „großen Wert auf Gleichberechtigung und eine offene und gerechte Arbeitskultur“. An eine „gläserne Decke“, also eine unsichtbare Barriere, die es Frauen nicht erlaubt, Karriere zu machen, sei die Ärztin nicht gestoßen. Aber: „Das heißt nicht, dass es immer leicht war.“
Das Klinikum ist wie jedes andere Krankenhaus auch eine wichtige Anlaufstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs. In Leverkusen seien das häufig die zentrale Notaufnahme und die gynäkologische Notfallambulanz. Dort bietet das Personal auch „anonymen Spurensicherung an, falls die Betroffenen zunächst keine Anzeige bei der Polizei erstatten möchten“, so Beyer. Betroffene werden über die Hilfsangebote in der Stadt informiert, auf Wunsch vermitteln die Fachleute auch einen Kontakt. „Ziel ist es, den Frauen und Mädchen in dieser schwierigen Situation eine klare Perspektive und schnelle Hilfe zu bieten.“
Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen werden in Leverkusen nicht nur große öffentliche Gebäude wie das Rathaus, das Stadion oder der EVL-Turm orange leuchten. Die Stadt und die Hilfsorganisationen haben organisiert, dass in den Bäckereien und Konditoreien Willeke, Bäckerei Bruno Kohlenbach und die Bäckerei Harald Eilers Brötchentüten mit der Aufschrift „Gewalt gegen Frauen kommt mir nicht in die Tüte“ verkauft. Der Runde Tische gegen Gewalt an Frauen verteilt zudem am Sozialhäuschen auf dem Wiesdorfer Weihnachtsmarkt ab 11 Uhr kostenlos Brötchen.
Hier bekommen Frauen Hilfe
Hilfetelefon gegen Gewalt: 116 016
Frauenhaus: 0214 - 4 94 08
Frauenberatungsstelle Leverkusen/Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt: 02171 - 2 83 20
Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt: 0214/206 15 98