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EnergiepreiseLeverkusener fragen sich: Ist „Meisterstrom“ eine gute Wahl?

Lesezeit 4 Minuten
Der rot leuchtende EVL-Wasserturm.

Der EVL-Wasserturm hat in der Meistersaison rot geleuchtet. Der „Meisterstrom“ ist für die Kunden eher ein Wagnis.

Die Energieversorgung bietet ihren Kunden Wetten auf die Zukunft an.

Ist der „Meisterstrom“ eine gute Wahl? Jetzt, wo Energie immer noch sehr teuer ist? Kunden der Energieversorgung Leverkusen (EVL) müssen sich gerade diese Frage stellen, denn das Unternehmen unterbreitet ihnen ein Angebot: Bis Ende Mai 2026, also nahezu zwei Jahre können sie den jetzigen Strompreis einfrieren. Der liegt bei 29,9 Cent pro Kilowattstunde, dazu kommt der Grundpreis von 24,92 Euro pro Monat. Beides brutto, also mit Steuern.

Wer von der EVL auch noch Erdgas bekommt, steht vor weiteren Fragen: Hier offeriert der Versorger vom Overfeldweg weitere Festpreise, die bis Ende 2025 garantiert sind. „Erdgas@EVL:2025“ ist für normale Haushalte mit einem Jahresverbrauch bis 50.000 Kilowattstunden. In diesem Tarif kostet die Kilowattstunde brutto 9,98 Cent, der Arbeitspreis ist so hoch wie beim Strom: 24,92 Euro im Monat. Das scheint trotz der Unsicherheit Anklang zu finden: „Rund die Hälfte der Gaskunden“ hätten sich den Festpreis gesichert, sagt EVL-Sprecher Stefan Kreidewolf am Mittwoch auf Anfrage.

Für Großverbraucher ist der Tarif „Erdgas@EVL:2025 pro“ gedacht. Die Kilowattstunde kostet 9,78 Cent, der Grundpreis beträgt 33,25 Euro pro Monat. Unternehmen, die mehr als 120.000 Kilowattstunden im Jahr verbrauchen, zahlen einen etwas höheren Grundpreis. Und Großverbraucher müssen auch etwas mehr für das Gas bezahlen. Alles Wetten auf die Zukunft. Und das in einer sehr unübersichtlichen Lage auf dem Energiemarkt.

Die Lage auf dem Energiemarkt ist unübersichtlich

Kreidewolf kann auf Anfrage auch keine Entscheidungshilfe geben. Der EVL-Sprecher verweist auf die Krise im Nahen Osten: „Öl ist schon mal teurer geworden.“ Was wiederum darauf schließen lässt, dass Energie insgesamt wieder mehr kosten wird, nachdem die Preise gesunken waren. Die Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine mit nie gesehenen Preiserhöhungen hat jedem klargemacht, dass es enorm teuer sein kann, seine Wohnung zu versorgen oder gar sein Häuschen zu heizen.

Das gilt auch für Fernwärme. In diesem Bereich hat die EVL ihre Preise erst zum 1. April noch einmal deutlich erhöht. Das ist ein Nachlaufeffekt aus den steigenden Kosten: Der Arbeitspreis stieg im Vergleich zum auch schon teuren Oktober 2023 von 11,01 auf 11,8 Cent pro Kilowattstunde, der Grundpreis von 41,73 auf 46,41 Euro im Monat. Beim Warmwasser-Messpreis betrug die Erhöhung 5,52 Euro. Er liegt jetzt bei 54,74 Euro im Jahr. In Alkenrath, Bergisch Neukirchen und der Neuen Bahnstadt Opladen gelten andere Preise.

Ein hoher Preis als sicherer Hafen? Klingt absurd

Ist es also sinnvoll, sich hohe Preise zu sichern? Das wirkt absurd. Aber die vergangenen eineinhalb Jahre haben gezeigt, dass böse Überraschungen möglich sind auf dem Energiemarkt. Vielleicht ist der Spatz in der Hand tatsächlich besser als die Taube auf dem Dach.

Indes haben die Preissprünge auch der EVL zu schaffen gemacht. Es war schwierig, sich mit Energie einzudecken. Und sehr teuer. Da gilt es auch, die Risiken zu minimieren: Privatkunden außerhalb der Stadt werden nicht mehr versorgt. Das extreme Auf und Ab bei den Beschaffungspreisen hat den Versorger dazu gebracht, den Energievertrieb für Interessenten jenseits der Stadtgrenzen „bis auf Weiteres“ einzustellen.

Die EVL hat sich teuer eingedeckt

Andererseits sitzt der Leverkusener Versorger gerade auf teuer eingekaufter Energie. Da erscheint es klug, den Absatz zu sichern. Erst recht, nachdem sich im Extrem-Jahr 2023 gezeigt hat, wie sehr das Geschäft schwanken kann: Allein beim Gas hat die EVL sechs Prozent ihrer Kunden verloren, nachdem sie den Preis nach oben katapultieren musste. Da würde ein bisschen Ruhe in der Kundschaft guttun. Das geht nur, wenn die Kunden keinen Grundversorgungsvertrag haben, aus dem sie mit 14 Tagen Kündigungsfrist heraus können.

Problem für die EVL ist die langfristige Beschaffungspolitik. Die „macht uns in jeder Phase fallender Börsenpreise teurer als die Billigkonkurrenz, die kurzfristig und tagesaktuell einkauft“, so Sprecher Kreidewolf. „Das hat uns im vergangenen Jahr Kunden gekostet. Dem steuern wir seit diesem Jahr mit neuen Tarifen entgegen.“

Was aber bleibt, ist die Unsicherheit bei den Kunden. Auf einen stabil hohen Strompreis zu setzen und den bis ins übernächste Frühjahr festzuschreiben ist ungefähr so, wie auf eine Titelverteidigung von Bayer 04 zu wetten. Insofern ist die Bezeichnung „Meisterstrom“ von der EVL gar nicht schlecht gewählt.

Gibt es einen Ausweg? EVL-Mann Kreidewolf macht eine Andeutung. „Wir haben gezeigt, dass wir flexibel sind.“ Sinken die Beschaffungspreise stark, würden „neue Produkte folgen, in die ein Wechsel kulant möglich ist“. Wahrscheinlich sei das zwar nicht. Trotzdem könnten sich die Kunden vom „Meisterstrom“ schnell wieder verabschieden.