Die ganze Familie des Opfers warnte Jacqueline E. vor dem Mann aus Rheindorf-Nord. Vergebens.
Mord in LeverkusenMutter des Opfers im Landgericht Köln: „Der ist mir nicht koscher“
Der „Neue“ tat von Anfang an sehr vertraut. „Darf ich Mama und Papa sagen“, habe er schon beim ersten Videotelefonat gefragt, erinnert sich Hildegard E. am Montag. Vor einem guten Jahr hätten sich Ali L. (Name geändert) und ihre Tochter Jacqueline sich kennengelernt. Am 27. Oktober starb die inzwischen im vierten Monat schwangere Frau durch mindestens zehn Messerstiche auf der Ilmstraße in Rheindorf-Nord. Ali L. ist deshalb des Mordes angeklagt.
Im Kölner Landgericht verdichtet sich an diesem Tag immer mehr das Bild einer giftigen Beziehung, die von extremen Aufs und Abs gekennzeichnet war. Die Woche über habe oft Funkstille geherrscht, „meine Schwester war nur am Weinen“, beschreibt ihr Bruder die Lage. David E. war eine Zeit lang ganz nah dran. Wegen Stress zu Hause war er kurz bei seiner Schwester eingezogen. Was wiederum den Argwohn von Ali L. erregt habe. Der hatte zwischendurch vor dem Haus Stellung bezogen und einen fremden Mann beobachtet. Sofort habe er wissen wollen, wer das ist.
Von Beginn an totale Kontrolle
Kaum hatten sich Ali und Jacqueline in einem Chat kennengelernt, herrschte totale Kontrolle: Permanent seien die beiden online gewesen, per Video, berichtet die Mutter. Wenig später habe Ali sämtliche männliche Kontakte aus Jacquelines Telefon abgeschrieben, als sie schlief und die Leute offenbar systematisch abtelefoniert. Tagsüber scheint Ali geschlafen zu haben. Sobald er nachts aufwachte, rief er offenbar Jacqueline per Video an. „Die durfte nicht auflegen“, so ihr Bruder. Das kam allen in der Familie seltsam vor. „Das ist doch nicht normal“, so ihre Mutter.
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Verdächtig habe sie es auch gefunden, dass der Liebhaber ihrer Tochter in wichtigen Fragen offenkundig log: Eine angebliche Wohnung in Köln-Kalk gab es gar nicht. Dass das Paar sich immer nur in Hotels traf, fand sie ebenfalls seltsam. Womöglich stimme noch nicht mal der Name, argwöhnte die Mutter. Und lag damit richtig: Wie der Angeklagte wirklich heißt, erfuhr die Familie des Opfers erst nach der Tat.
„Der ist mir wirklich nicht koscher“
Auch wüste Beleidigungen blieben den Angehörigen nicht verborgen. „Der ist mir wirklich nicht koscher“, fasst Hildegard E. ihren Eindruck zusammen. Und für ihren Bruder David war klar: „Du musst einen Cut machen.“ Der zwei Jahre ältere machte sich Sorgen: „Jeder ältere Bruder schützt seine Schwester.“
Jacquelines Schwangerschaft bereitete der ganzen Familie ein mulmiges Gefühl. Auch die beiden halbwüchsigen Kinder von Jacqueline E. waren davon nicht begeistert: Sie hatten Streitereien zwischen ihrer Mutter und dem neuen Freund mitbekommen. Und, dass es ihr zwischendurch immer wieder schlecht ging.
Ein wichtiges Detail allerdings lässt sich am Montag nicht erhärten. Alis Drohung: „Wenn Du nach Leverkusen kommst, bring’ ich Dich um.“ Das hatte Hildegard E. bei der Polizei zitiert – vor Gericht bestätigt sie die Aussage ihrer Tochter jedoch nicht. Ali habe unter allen Umständen verhindern wollen, dass seine Mutter und Schwester, mit denen er die Wohnung teilte, überhaupt von der Beziehung und erst recht von der Schwangerschaft erfahren. Davon habe Jacqueline gesprochen. Eine Schwangerschaft sei nur nach einer Heirat nach türkischem Recht denkbar, und davon sei auch die Rede gewesen. Aber die Todesdrohungen „hat sie nicht ernst genommen“, sagt ihre Mutter.
Noch am Tattag, dem 27. Oktober 2023, habe sie Jacqueline gesagt, wie man vorgehen sollte: Erst das Kind bekommen, dann vor Gericht einen Vaterschaftstest erwirken, dann die Mutter von Ali L. damit konfrontieren. „Hör' einmal auf Deine Mutter“, habe sie Jacqueline angefleht. Sie tat es nicht. Ein paar Stunden später war Jacqueline E. tot. Und mit ihr das Kind.