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Kommentar

Pro/Contra zur Schlossgastronomie
Soll das Museum Morsbroich alles der Kunst unterordnen?

Ein Kommentar von
Lesezeit 4 Minuten
Lange Tafel mit Stühlen vor dem Schloss Morsbroich.

Bei Getränken im Schlosspark sitzen – leider nur ein Archivbild der Museumstage 2022.

Gastronomie für Schloss Morsbroich: Soll sich am Leverkusener Museum alles der Kunst unterordnen? Unsere Autoren diskutieren.

Nein, sagt Stefanie Schmidt. Sie findet, das Museum muss den Menschen der Stadt zur Verfügung stehen und nicht nur einer Handvoll Kunstexperten.

Gerade hat die Stadt einen Wettbewerb ausgeschrieben, in dem Leverkusener ihre liebsten kühlen Orte mitteilen können, um der Sommerhitze zu entfliehen. Einer meiner kühlen Lieblingsorte ist der Schlosspark Morsbroich. Die Kinder lieben es, durch die Wasserfontänen des Jeppe-Hein-Brunnes zu springen. Unter den alten Bäumen kann man wunderbar im Schatten sitzen, die Kulisse ist traumhaft. Eine grüne Oase in der Stadt. Die sich allerdings als Wüste herausstellt.

Stefanie Schmidt

Stefanie Schmidt

Stefanie Schmidt ist Redakteurin in der Lokalredaktion Leverkusen. Eigentlich wollte die Sportstudentin zur Fußball-WM 2006 nur mal kurz als Praktikantin in die Sportredaktion beim Kölner Stadt-Anzeig...

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Museumsdirektor Jörg van den Berg sagt: „Eine 170.000-Einwohner-Stadt in einem der wohl reichsten Länder der Welt sollte sich genau einen solchen Ort leisten können.“ Und damit hat er recht. Das Schloss Morsbroich mit dem Museum und allem, was dazu gehört, ist von unbezahlbarem Wert. Aber: Wenn eine Stadt sich einen solchen Ort leistet, dann muss sie alles dafür tun, dass dieser Ort auch den Menschen der Stadt zur Verfügung steht. Und nicht nur einer Handvoll Kunstexperten.

Dafür braucht es vor allem dringend eine Gastronomie. Wo man schön bei einem Kaffee sitzen kann, da machen die Menschen Ausflüge hin, da hält man sich länger auf, als für ein Foto im Vorbeigehen. Dafür braucht es auch Veranstaltungen, Hochzeiten, Feste, die die Menschen hierhin entführen. Die sich verzaubern lassen von dem Ambiente. Und dann vielleicht auch neugierig werden auf das, was sich hinter den Schlossmauern verbirgt.

Kunst und Spitzenkultur ist wenig wert, wenn die Botschaft, die vermittelt werden soll, in leeren Räumen widerhallt.
Stefanie Schmidt

Kunst und Spitzenkultur in Leverkusen – das sind ehrenwerte Ziele. Aber sie sind wenig wert, wenn niemand sie sieht. Wenn die Botschaft, die vermittelt werden soll, in leeren Räumen widerhallt. Kultur kann die Menschen verbinden. Aber nur da, wo auch Menschen sind. Und ja, knapp 8000 Besucher in einem Jahr sind desaströs.

Es geht nicht um „irgendeinen weiteren Biergarten in der Stadt“. Morsbroich muss belebt werden. Gerne mit einem stimmigen Gesamtkonzept, das die Kunst einbindend. Solange es nicht die Bürger ausschließt. Aber das Ganze darf nicht noch weitere drei Jahre dauern, wie der Museumsdirektor es andeutet. Von einem Schnellschuss zu sprechen, der unbedingt vermieden werden müsse, ist mehr als vier Jahre nach der Schließung der letzten Gastronomie reichlich vermessen.

Und wenn die Konzeption für die Räume der Remisen so kompliziert ist: Für den Beginn wäre schon ein mobiler Kaffee- und Eiswagen mit ein paar Tischen und Stühlen ein Gewinn an schönen Tagen.


Frank Weiffen meint, der eingeschlagene Weg sei alternativlos. Weil Kunst mehr wert ist als Kommerz.

Die Diskussion um Wohl und Wehe des Museums hat in Leverkusen Tradition. Es ging schon um Empfehlungen zur Schließung durch Wirtschaftsprüfer, denen kulturelle Maßgeblichkeiten logischerweise vollkommen egal sind. Um mit viel Tamtam präsentierte und bejubelte Zukunftskonzepte, die verschwanden, ehe die Zukunft halbwegs begonnen hatte. Um Parkplatz-Streitigkeiten. Um das ewige Berufen auf Besuchszahlen als einzig relevantem Wert zur Bestimmung von Erfolg und Güte eines Kulturangebotes. Und, natürlich, um das stete Rufen nach einer neuen Gastronomie. Sofort. Lieber gestern als heute. So als ob ein Biergarten die Lösung aller Probleme wäre - es gibt ja so wenige davon.

Frank Weiffen

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Diese Diskussion ist, Museumsdirektor Jörg van de Berg sagt das auch, ein Dilemma. Mehr noch: Sie ist eines Hauses wie dem Museum unwürdig. Denn in Morsbroich geht es allein schon ob der Historie in erster Linie um Kunst und Spitzenkultur. Seit 1951 schon. Das sind 72 Jahre. Und es ist wenig gewagt, zu behaupten: Vor einem solchen Hintergrund würde es an keinem anderen Ort im Land auch nur irgendein Gerede um ein Museum vergleichbarer Güte und Geschichte geben. Weil Kunst nämlich Kultur ist und Kultur die Menschen zusammenbringt und bildet. Und weil sie somit die Gesellschaft und Demokratie – der AfD-Wahlsieg in Sonneberg lässt als jüngstes Beispiel grüßen – zusammenhält gegen politische, moralische und ethische Verrohung.

Kein noch so ökonomisch gedachter Plan der externen Events und Blockbuster-Ausstellungen und glückseligen Biergarten-Atmosphäre kann auch nur annähernd so gut ein.
Frank Weiffen

Genau deshalb ist der Ansatz Jörg van den Bergs und seines Teams, die Gestaltung des Areals rund um das Museum zwingend auf dessen Historie und Aufgabe als Kulturhaus auszurichten, absolut alternativlos. Kein noch so ökonomisch gedachter Plan der externen Events und Blockbuster-Ausstellungen und glückseligen Biergarten-Atmosphäre kann auch nur annähernd so gut ein. Im Gegenteil: Er wäre vollkommen unangemessen und wertlos, weil der Bedeutung des Ortes zuwiderlaufend.

Für die Umsetzung der vom Museumschef skizzierten Pläne braucht es nun aber über das immer und überall benötigte Geld hinaus vor allem eines: Zeit. Keine Ungeduld. Keine Schnellschüsse, die eine Garantie aufs Scheitern sind. Sondern: Zeit. Die Menschen in Leverkusen sollten sie dem jetzigen Museumsteam – dem ersten seit einer gefühlten Ewigkeit, unter dem sich spürbar etwas tut – geben. Sie gewährt eine Chance, die eminent wichtig ist für diese Stadt und ihr Selbstverständnis.