Seit zwei Jahren ist Jörg van den Berg nun Direktor des Museums Morsbroich.
Museum MorsbroichDas sind mögliche Pläne für Leverkusens Schlosshof, Park und Gastronomie
Jörg van den Berg sitzt im Jagdzimmer des Schlosses. Das tut er ziemlich gerne. Hier hat der Direktor des Museums ja nicht umsonst sein „Public Office“, sein öffentliches Büro, eingerichtet, in dem er regelmäßig arbeitet, um unmittelbar in Kontakt mit den Besucherinnen und Besuchern zu kommen. Das stille Chef-Kämmerlein als Dauerzustand hat ausgedient, seit er vor zwei Jahren nach Morsbroich kam.
Überhaupt hat sich bereits einiges getan rund um das Museum: Das Konzept des „gegenwärtigen Museums“, das allen offensteht und auf stete Arbeitsbesuche von Künstlerinnen und Künstlern, immer wieder neu arrangierte Griffe in die eigene Sammlung und, vor allem, auf Teilhabe der Menschen aus Leverkusen setzt, wird fortgeschrieben. Und doch geht es in Morsbroich noch um mehr. Schon immer. Nicht erst, seitdem das Museum 2016 nach einer Empfehlung von Wirtschaftsprüfern geschlossen zu werden drohte und ein danach mit viel Brimbamborium vorgestelltes und gefeiertes Zukunftskonzept doch nur Druckerschwärze auf Papier blieb.
Vor allem geht es um: eine neue Gastronomie in den Schloss-Remisen. Gerade jetzt, in den Sommermonaten, in denen die Menschen sich mehr und länger als sonst draußen aufhalten, fällt ja auf, wenn sowas fehlt. Jörg van den Berg weiß das. Er sagt dazu salopp: „Es fällt jetzt langsam schwer, die Schnüss zu halten.“ Und meint das offenbar in jeder Hinsicht.
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Planungen seit über einem Jahr
Denn natürlich sitzen er und sein Team an einer Lösung. Für die Gastronomie. Für den Schlosshof. Für den Park. Für alles. Und zwar seit über einem Jahr. Aber: „Es ist wichtig, dass wir uns genau diese Bedenkzeit auch geben.“ Denn: „Wir müssen uns nichts vormachen: Wenn wir das richtig anpacken, dann wird viel Geld fließen müssen. Und bevor ich Geld ausgebe, möchte ich wissen, wo das Ding zum Schluss landet. Das ist für mich seriöser Umgang mit – teilweise ja auch öffentlichem – Geld.“ Soll heißen: Man müsse „wirklich“ das gesamte Bild vor Augen haben. Schnellschüsse verboten.
Doch genau diese Schnellschüsse werden immer wieder gefordert. Nach dem Motto: Gastro jetzt. Mehr Events. Die Leute müssen schließlich hergelockt werden. Jörg van den Berg hat dazu eine klare Meinung: „Wenn man jetzt sagt: Ich mache hier ein Sammlungsmuseum und das ganze Erdgeschoss wird zur Eventagentur für die Stadt – dann ist das ein anderes Konzept, als das, was wir verfolgen.“
Ihm geht es nicht um den zigsten Biergarten in der Stadt. Es geht ihm vielmehr um eine Gastronomie, in der sich ein „junges, von Essen begeistertes Team“ ausprobieren könne. „Spielerisch, leicht.“ Eine Gastronomie in den Remisen, die nicht nur „vom Restaurant bis zum angeschlossenen Gartensaal“ sondern weiter gedacht werde. Jörg van den Berg spricht von einer kleinen Bibliothek, von Co-Working-Spaces, also Gastro-Plätzen zum Arbeiten. Von einer ganzen Remisenzeile, die ohne Wenn und Aber zum Museum gehört. „Derzeit liegt ja alles auseinander“, sagt er. In Zukunft dürfe es daher „überhaupt keine Frage sein, dass jeder Museumsbesucher am Ende auch im Kunstverein war. Dass er weiß, wo er seinen Kaffee bekommt. Wo der Shop ist. Wo er seine Bücher und Kataloge kaufen kann. Und sogar wo er als junger Mensch vielleicht hingehen und sich, wenn es zu Hause zu laut ist, hinsetzen und seine Hausaufgaben machen kann.“
Ein Innenhof als Festplatz
Der Innenhof wiederum soll als Festplatz arrangiert werden. Ohne die heutigen Grasflächen und Pflasterwege. Dafür – so die Überlegungen – mit Bäumen, einer Fassadenbegrünung und Platz für zwei mobile Bühnen: Eine auf dem Jeppe-Hein-Brunnen. Eine vor der Museumsfront. Auf beiden könnten dann Konzerte stattfinden. Das wäre passender als die jetzige „Mist-Situation“ mit dem Bühnenanbau unterm Zelt hinterm Haus. Und es würde mehr Geld bringen, als es ein „mit maximal 140 Personen“ gefüllter Spiegelsaal je könne. Es wäre ein Ort der Begegnung für alle aus der Stadt gleich vor dem Haus der Kunst dieser Stadt, dessen rückseitiger Park würde, zum strukturierten Garten würde.
Wer all das als spinnert abtue, der müsse sich laut Jörg van den Berg veranschaulichen: „Genau das ist die ursprünglich vorgesehene Gestaltung dieser Anlage. Die historische Referenz spricht ganz klar für uns.“ Das sei ihm aufgefallen, als er im Zuge seiner Recherchen historische Karten des Schlosses bekommen habe. Natürlich wisse er, was mitunter als Antwort auf so etwas geäußert werde: „Dann geht aber der schöne Rasen verloren!“ Indes: „Ich sehe vor dem Schloss keinen schönen Rasen. Wenn ich in den Innenhof schaue, dann sprechen wir wohl von maximal 40 Prozent Rasenfläche, die oft zur Wasserloch- und Schlammfläche wird und zu der wir sagen: Wir wollen einen einheitlichen Bodenbelag, um dem Raum ganz einfach Kraft zu geben.“
Wichtig ist der Bezug zur Kunst
Was Jörg van den Berg wichtig ist, was bei ihm letztlich Grundlage für alles ist: Das, was gemacht wird in Sachen Gastro, Schlosshof und Schlosspark, muss zwingend im direkten Kontext zum Museum, zur Kunst stehen. Das Museum sei ein Ort der Spitzenkultur. Die müsse auch vermittelt werden. Und zwar allen Menschen. Ohne Unterschied. „Kultur und Bildung sichern die Demokratie.“ Das Museum und sein Areal sollen zum Treffpunkt werden, den die Menschen für sich einnehmen können – aber eben immer mit dem Wissen, das es sich um einen Ort der Kunst handelt.
Der Status Quo passt ihm diesbezüglich nämlich ganz und gar nicht. Es fehle genau die erwähnte Anbindung an die Kultur. Der Museumsdirektor rechnet vor: „Wir hatten 2022 an 150 Tagen eine Fremdvermietung auf dem Gelände. Vom gemieteten Zwei-Stunden-Fotoshooting bis hin zu vier Tagen „Landpartie“. Und all das wird von einem Team abgewickelt, das eigentlich ein Museum machen soll!“ Jörg van den Berg wird deutlich. Sehr deutlich sogar: „Als ich das ein paar externen Bekannten erzählt habe, haben die gesagt: „Das hört sich an wie ein Krebsgeschwür in einem Körper.“ An dieser Stelle hält er einen Moment inne. Überlegt. Das sei eine harte Formulierung. Ja. „Aber es ist auch ein Bild. Krebs will keiner von uns haben. Der zehrt an unseren Kräften. An Kräften, die eigentlich für eine andere Sache da sein sollten.“
Ein anderes Bewusstsein
Und genau darin stecke das Dilemma des Museumsteams: „Ich würde mir wünschen, dass wir ein anderes Bewusstsein dafür bekommen, was an diesem Ort geht und was nicht.“ Es sei selbstverständlich wichtig, „dass die Stadtgesellschaft in unterschiedlicher Art mit diesem Ort in Berührung“ komme. Durch Hochzeiten, Geburtstage, Empfänge, Ehrungen. Im Spiegelsaal. Im Gartensaal.
„Ich sehe aber auch, dass am Ende des Tages keine einzige Trauung hier stattfindet und kein einziger Empfang, durch den bei den Gästen ein Bewusstsein dafür entsteht, dass das ein Museum ist.“ Im Gegenteil: „Das ist für sie einfach ein Rokoko-Kitsch.“ Warum werde für solche Anlässe nicht das Forum genutzt? Oder der „barbarisch unterbewertete“ Agam-Saal, der in seiner Stilart einzigartig sei?
Leverkusen: Drei Jahre Pandemie haben Spuren hinterlassen
Übrigens: Was das alte, ad acta gelegte Zukunftskonzept von 2018, das dennoch immer wieder mal aufploppt und gerne thematisiert wird, angeht, sagt Jörg van den Berg: „Einerseits steht es für ein wahnsinniges Engagement, weil da sehr viele Menschen dran gearbeitet haben. Andererseits muss ich aber aus meiner Wahrnehmung und der meines Teams heraus sagen: Wir sehen die Anlage anders. Wir leben in einer völlig anderen Zeit. Dazwischen liegen drei Jahre Pandemie, die beschleunigt bestimmte Punkte.“
Heute gehe es um Wachstum und Nachhaltigkeit. „Und ich glaube, dass wir auf beide Fragen in diesem Konzept noch keine Antworten hatten.“ Zudem habe es sich zu stark dem Aspekt der von ihm ja gerade so kritisierten externen Events gebeugt, um das Museum zu finanzieren. „Das ist kein selbstbewusster kultureller Auftritt“, wie er Leverkusen in Bezug auf das Museum jedoch zustehe.
Polemik nicht erwünscht
Bleibt noch die Frage, welche Zeitspanne Jörg van den Berg denn anberaumt, wenn es um die Umsetzung seiner Pläne geht. Seine Antwort: „Ich habe immer gesagt, dass das bis zum Ende meiner Amtszeit oder darüber hinaus dauern kann.“ Wichtig sei ihm festzuhalten, was er den Stadtoberen bei seinem Amtsantritt entgegnet habe: „Ich gebe ihnen keine Garantie dafür, dass dieser Ort für sie billiger wird als Stadt. Ich will nur fünf Jahre nach meinem Amtsantritt keine polemische Diskussion mehr darüber hören, ob die Euros, die in Morsbroich geflossen sind, richtig investiert waren, weil ich natürlich sage: Eine 170 000-Einwohner-Stadt in einem der wohl reichsten Länder der Welt, sollte sich genau einen solchen Ort leisten können. Einen, der dieser Stadt und ihren Menschen andere, neue Impulse gibt.“
Und diese Impulse, dieser Wert lasse sich auch nicht an den gerne angeführten und tatsächlich „desaströsen“ Besucherzahlen, das gibt es zu, messen. 7793 waren es laut Angaben der Stadt im Jahr 2022, wie viele davon Eintritt bezahlt haben, veröffentlicht die Stadt bewusst nicht mehr.
Es spiele am Ende nur eine Rolle, dass das Konzept greife. Und das tue es langsam aber sicher: Die Kunstvermittlung führe unter Lucia Riemenschnitter immer mehr verschiedene Gruppe aller Art von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ans Museum heran. Der Umzug des 2021 vom Hochwasser eklatant bedrohten Sammlungsdepots stehe unmittelbar bevor – und sei alternativlos sowie durch vom Rat zugesprochenes Geld gesichert.
Dadurch würden gleichzeitig auf einen Schlag 500 Quadratmeter Fläche im Schloss und den Remisen frei, die entsprechend in die neuen Pläne mit einbezogen würden. Und in einigen dieser Räumlichkeiten würden bereits mit entsprechenden Firmen Möglichkeiten der Gestaltung diskutiert.
Jörg van den Bergs Fazit im Public Office: „Ich kann die Gegenpositionen total verstehen. Ich wäre auch gerne schneller.“ Aber: „Momentan empfinde ich es als starke Bestätigung, dass auf einmal alle sagen: „Hier geht irgendwas zu langsam.“ Denn: „Das passiert ja nur, weil wir eine Bewegung begonnen haben.“