Leverkusen – In Schlebusch könnten „Maßstäbe gesetzt werden, die es bislang in Deutschland so noch nicht gibt.“ Das zumindest verspricht Dirk Polte von Truelife Pictures. Schon vor Jahren war in der Stadtverwaltung die Idee eines „Erlebnispfades“ aufgekommen, der die bedeutenden Kultureinrichtungen Freudenthaler Sensenhammer und Schloss Morsbroich verbinden soll. Das bietet sich an, weil sie nur rund drei Kilometer auseinander liegen und der Weg idyllisch entlang der Dhünn geleitet werden kann.
Biene „Sum Sum“ sucht ihre Pollen
Da man Kinder und Jugendliche heute nur noch schwer mit bunten Schildern aus dem Haus locken kann, kam die Idee auf, das ganze per Smartphone-App attraktiver zu machen. Eine erste Demo-Version davon hat Polte nun der Bezirksvertretung III vorgestellt. Bei der Entwicklung arbeitet Truelife Pictures mit der Firma „Augmented Robotics“ zusammen, erdacht haben sie die Biene „Sum Sum“. Hält man auf dem Erlebnispfad sein Smartphone vor sich, erscheint die Biene auf dem Bildschirm, eingebettet in die reale Umgebung.
„Sum Sum“ ist ein Missgeschick passiert: Die Biene ist eingeschlafen und ein Windstoß hat alle ihre gesammelten Pollen in der Umgebung verteilt. Jetzt kann der Nutzer sich mit dem Smartphone in der Hand auf den Weg machen und die entlang des Pfades versteckten Pollen einsammeln.
Auf dem Weg erfährt er viel über die Aufgabe, Anatomie und Organisation von Bienen, die Bedeutung von Pollen, Nektar und Honig sowie über das Bienensterben und wie Bienen gerettet werden können.
Die gesammelten Pollen dienen dabei als „Währung“, mit der Zusatzoptionen wie ein ständig wachsender virtueller Blumengarten, Kostüme für „Sum Sum“ oder Spiele freigeschaltet werden können. Ein Beispiel ist „Memobee“ eine Bienen-Variante des bekannten Memory-Spiels, das sich virtuell auf dem Boden des Pfades ausbreitet. Damit soll auch sichergestellt werden, dass die App nach einmaliger Benutzung nicht uninteressant ist, sondern zur Wiederholung anregt.
Platz 74 im Smart City Ranking
Es wäre ein großer Schritt für Leverkusen, das in Sachen Digitalisierung noch einiges aufzuholen hat, sagt der aus Berlin zugeschaltete CEO von „Augmented Robotics“, Tony Nitschke: „Sie liegen im Smart City Ranking aktuell Platz 74 – mit der Einführung von Deutschlands erstem interaktiven AR-Walk würde die Stadt definitiv deutlich hochrutschen.“ AR steht für „Augmented Reality“, auf Deutsch: „erweiterte Realität“.
Hohe Entwicklungskosten
Die Bezirksvertreter sind allerdings nicht restlos überzeugt, immerhin soll die Entwicklung und Bereitstellung der App die Stadt 127.680 Euro kosten. Mit Folgekosten für Updates und Wartung von 7000 bis 15.000 pro Jahr. „Ich erwarte von der Anwendung, dass sie auch die kulturlandschaftlichen Aspekte mit aufnimmt“, sagt Roswitha Arnold (Grüne).
Die präsentierte Demo-Version könnte in jedem beliebigen Wald spielen. Das sei „absolut möglich“ verspricht Nitschke: „Wir können Sum Sum auch auf Bauwerke fliegen und darüber etwas erzählen lassen, das ist eine super Sache.“ Dennoch sei es sehr viel Geld für eine App, sagt Benedikt Vennemann (FDP): „Das wäre bestimmt eine Bereicherung. Aber könnten wir damit nicht besser das Naturgut unterstützen?“
Unglücklich ist man auch darüber, dass es für so ein zukunftsorientiertes Projekt keine Förderkulisse geben soll. „Wir haben wirklich gesucht, aber nichts Passendes gefunden“, sagt Silke Thyssen von der Stadtverwaltung. Dennoch sehen auch die Politiker den Reiz des Projekts: „Man muss auch irgendwann mal anfangen, neue Wege zu beschreiten“, sagt Claudia Wiese (Grüne).
Stadtrat muss Mittel genehmigen
Eine Sorge konnte der Entwickler den Politikern immerhin nehmen: „Die Anwendung funktioniert nur an bestimmten Stellen, die Kinder müssen auch mal hochgucken.“ Und wenn sie damit von der Konsole an die Dhünn gelockt werden und auch noch etwas über Schlebuscher Kultur und Umwelt lernen, wäre das doch eine gute Sache, beschließt eine Mehrheit der Bezirksvertretung bei Gegenstimmen von FDP und AfD.
Damit ist der Schlebuscher Erlebnispfad beschlossen – allerdings unter dem Vorbehalt, dass der Stadtrat bei der Haushaltsplanung für 2023 die erforderlichen Mittel bereitstellt.