Der Overfeldweg in Bürrig ist geprägt von Gewerbebetriebe, Einzelhandel – und einem Zeugen der industriellen Vergangenheit des Viertels.
Unterwegs in BürrigWo in Leverkusen Brombeerranken Strukturwandel anzeigen
Der Morgen ist grau in Bürrig. Einzelne Lieferwagen fahren auf dem Overfeldweg vorbei. Bei Rewe und Aldi ist mäßig Betrieb. Auf der anderen Straßenseite reihen sich ein Autohaus, ein Karosseriebauer und Lackierer, ein Gerüstbauer und ein Autoteilehändler auf. Kaum jemand ist auf der Straße zu Fuß unterwegs. David Kuhn steht an der Bushaltestelle Von-Ketteler-Straße mit seinem Rollator und wartet auf die 203. Zur Begrüßung sagt er als erstes, wann sie kommen soll.
Kuhn ist auf dem Weg nach Wiesdorf. Zum Frühstück. Mit Freunden? „Ich frühstücke meistens alleine. Alleine kann man hingehen, wohin man will.“ Zeit für ein Schwätzchen hat Kuhn noch, bevor der Bus kommt. Der 56-Jährige arbeitet bei einem Sicherheitsdienst. „In der Bay-Arena zum Beispiel, aber auch an anderen Orten.“ Früher sei er beim Bayer gewesen, als Staplerfahrer und mit anderen Arbeiten. Lernen durch Tun sei das gewesen, sagt Kuhn. Bis Bayer ihm gekündigt hat, vor elf Jahren. Aber er hat sofort einen neuen Job gefunden, aber eben nicht mehr in der Industrie, sondern im Dienstleistungsgewerbe.
Kuhn ist als Junge mit seiner Familie nach Leverkusen gekommen, als sein Vater seinen Job im Bergbau bei Dorsten verloren hatte, weil die Zeche schloss. Die Familie wohnte erst in der Albert-Einstein-Straße am Rand des früheren Bayer-Deponiegeländes. Die Häuser wurden in den 1990er-Jahren im Zuge der Sanierung der Deponie abgerissen. Jetzt lebt Kuhn in Bürrig.
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Der Bus kommt pünktlich. Ein junger Mann hilft Kuhn, den Rollator in das Fahrzeug zu hieven. Nieselregen setzt ein. In südwestlicher Blickrichtung reckt sich der Trichter des Wasserturms der EVL den grauen Wolken entgegen. Im Foyer des EVL-Sitzes herrscht an diesem Dienstagmorgen ebenfalls wenig Betrieb. Die nette Frau am Empfang bietet einen Schirm für unterwegs an. Aber der ist nicht nötig. Der Regen wird schnell weniger.
Gegenüber dem Sitz der EVL steht ein weiteres Bürogebäude, in dessen Keller laut großer Firmentafel vor dem Haus auch der Polsterwaffen-Spezialist und Requisitenanbieter „Ars Sica“ seinen Sitz hat. Hatte. Einen Klingelknopf hat das Unternehmen leider nicht und die Telefonnummer ist nicht mehr vergeben. Die letzten – durchweg positiven – Rezensionen bei Google sind fünf Jahre alt. Am Overfeldweg hat Ars Sica seine Ware eingepackt. Die Frage, was Polsterwaffen sind, bleibt an diesem Morgen ungeklärt.
Kinderstimmen sind auf dem Bürgersteig zu vernehmen. Die Kita-Glühwürmchen des DRK wirkt wie ein Fremdkörper zwischen den Sitzen von Gewerbebetrieben, städtischen Tochtergesellschaften und den brüchigen Resten eines Industriebetriebs. Aber die Kleinst-Kita ist mit ihren 15 Plätzen ein wichtiger Beitrag zur Familienfreundlichkeit der Arbeitsplätze bei der EVL nebenan. Die Plätze sind allein für Beschäftigte der städtischen Tochter vorbehalten.
Ein paar Schritte weiter wuchern Brombeerranken über Mauer und Metallgitter. Die ersten sind reif. Durch die Zweige des völlig zugewucherten Vorgartens ist das Wort „Ausbildungszentrum“ über dem Eingang des Seitentraktes eines größeren Gebäude-Ensembles zu erkennen. Hier war einmal der Sitz der Deutschen Babcock Leverkusen. Bis 2014, als es zu Massenentlassungen kam, arbeiteten weit über 200 Menschen für den Industrierohrleitungsbauer am Overfeldweg. Jetzt stehen irgendwelche Materialien in der einzigen offenen Halle. Zu sehen ist niemand.
Die aus Backstein errichteten Werkshallen verfallen, wie einige Meter weg von der Straße zu sehen ist, dort, wo das Gelände an die Bahntrasse grenzt. Denn an der linken Gebäudeseite geht der Rewe-Parkplatz ohne Umstände in eine Industriebrache über. Im Boden liegen Reste von Schienen, Zeugen einer Zeit, als hier Material und Produkte mit Waggons an- und abtransportiert wurden. In einer Halle steht ein übervoller Container, der Deckel ist halb geöffnet. Durch das nur noch in Teilen vorhandene Dach tropft Wasser.
Die Industrie ging am Overfeldweg, Dienstleister kamen. Und die geben Handwerkern hier Arbeit. Wie Jakob Diel. Diel bessert das Dach eines Autoteilehändlers aus. Dachdeckermeister Diel, 36, ist seit fünf Jahren selbständig. „Es läuft sehr gut. Das war das Beste, was ich machen konnte“, sagt er gut gelaunt und steigt wieder auf das Dach des Händlers. Der Gasbrenner faucht, als er die Bitumenbahnen zum Verlegen anwärmt.
Die Serie
In unserer Serie „Unterwegs in …“ werfen unsere Autorinnen und Autoren mit einem Dartpfeil auf die Landkarten von Leverkusen, Leichlingen und Burscheid. Dort, wo der Pfeil einschlägt, verbringen eine gewisse Zeit und schreiben darüber.