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Leverkusens Oberbürgermeister im Krisenmodus„Vielleicht übertreiben wir auch einmal“

Lesezeit 4 Minuten

Oberbürgermeister Uwe Richrath mit einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes auf Kontrollgang am Wiesdorfer Rheinufer.

  1. Wie kommt der Leverkusener Krisenstab zu seinen Entscheidungen und was sind die wichtigsten Berater für Oberbürgermeister Uwe Richrath?
  2. Uns hat der Rathaus-Chef erzählt, welche Sorgen ihn zurzeit umtreiben und wie es dazu kommen konnte, dass ein Gericht das Bollerwagenverbot kippt.
  3. Richrath sagt: "Was wir im Krisenstab entscheiden, ist nicht immer zu 100 Prozent richtig, vielleicht übertreiben wir auch einmal."

Leverkusen – Als direkt gewählter Oberbürgermeister von Leverkusen ist Uwe Richrath Dienstherr von rund 2800 städtischen Beschäftigten. Ein Managerjob, der gerade in Krisenzeiten eine Herausforderung ist. Der Rathaus-Chef spricht über seine Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie und deren Folgen.

Was hat sich mit der Corona-Krise für Sie und in Ihrem Amt geändert?

Nahezu alles. Nicht nur die persönliche Lebensstruktur ist völlig anders. Wir mussten den Verwaltungsbetrieb von heute auf morgen weithin einstellen und unter Quarantänebedingungen erst einmal die notwendige Daseinsvorsorge sicherstellen. Dazu gehörte – zur Sicherheit der Mitarbeiter – auch eine weitgehende Umstellung der Verwaltungsarbeit auf einen Notbetrieb an Heimarbeitsplätzen. Es handelt sich ja in erster Linie um eine medizinische Krise, in der wir als Kommune sicherstellen müssen, dass das Zusammenspiel von Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten und Gesundheitsamt funktioniert, dass Infektionsketten reduziert werden. Was die Entwicklung der Infektionszahlen angeht, hat Leverkusen inzwischen die geringsten Zahlen im Regierungsbezirk. Das ist ein wichtiger Orientierungswert und zeigt einen gewissen Erfolg.

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LE-UweRichrath

Im Krisenstab verlässt sich Uwe Richrath auf die medizinische Beurteilung der Lage durch die Chefärzte des Klinikums. 

Wer sind Ihre wichtigsten Berater bei Entscheidungen im Krisenstab?

Das waren und sind, was die medizinische Seite angeht, Professor Stefan Reuter vom Klinikum und Dr. Martin Oehler als Leiter des Gesundheitsamtes. Und natürlich unsere Juristen, die alle Entscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit und Umsetzbarkeit hin überprüfen. Das sind also keine Entscheidungen Einzelner, dahinter steckt ein komplexer Abwägungsprozess.

Sicherheit geht immer vor

Und dennoch kommt dann eine Verfügung heraus wie das Bollerwagen-Verbot zum 1. Mai, das vom Verwaltungsgericht einkassiert worden ist.

Was wir im Krisenstab entscheiden, ist nicht immer zu 100 Prozent richtig, vielleicht übertreiben wir auch einmal. Aber es geschieht alles zum Schutz der Menschen. Die Infektion überträgt sich nun einmal von Mensch zu Mensch, und wenn wir beobachtet haben, dass es an einigen prägnanten Punkten bei gutem Wetter zu einer Missachtung der Distanzgebote kommt und Alkohol dazu beiträgt, dass das alles lässiger gesehen wird, wäre es verantwortungslos, das treiben zu lassen. Es geht dabei auch um die Symbolkraft, um die Erinnerung daran, dass wir einander schützen müssen. Corona ist noch nicht vorbei.

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Wann wird sich das Leben in unserer Stadt wieder ein Stück weit normalisieren können?

Das vermag, glaube ich, niemand zu sagen. Wir müssen sehr genau beobachten, was die jetzt nach und nach einsetzenden Lockerungen bringen, wie sich die Infektionszahlen entwickeln und dann bei Bedarf schnell und flexibel auf die Lage reagieren. Das wird nicht einfacher dadurch, dass Infektionen sich oft erst nach zwei Wochen bemerkbar machen. Allerdings sind wir in Leverkusen, was die Testkapazitäten angeht, sehr gut aufgestellt und können beispielsweise jetzt dazu übergehen, die Einsatzkräfte in Pflegeeinrichtungen wöchentlich zu testen, um so dramatischen Zuständen, wie sie in manchen Heimen entstanden sind, zuvorzukommen.

Sitzungen nur noch mit Schutzmaske und reichlich Sicherheitsabstand – der Rathauschef lebt es den Leverkusener Bürgern vor.

Welche Resonanz erfahren Sie in Leverkusen auf Ihr Krisenmanagement?

Es gibt natürlich so manche Querschüsse und wenig hilfreiche Pöbeleien in den „sozialen Netzwerken“. Wenn ich aber in meine ganz persönlichen Netzwerke in Leverkusen hineinhöre, vernehme ich weitaus vernünftigere Reaktionen. Die Menschen besinnen sich auf ihr persönliches Umfeld, werden sehr familiär und achten auf ihre Unversehrtheit. Ich glaube, wir alle haben in den letzten Wochen viel dazugelernt.

Lockerungen auf Distanz

Auch das politische Leben soll in den kommenden Wochen allmählich wiedererwachen. Werden die Sitzungen der politischen Gremien wie geplant von Juni an wieder möglich sein? Und ist der Termin der Kommunalwahlen am 13. September noch zu halten?

Davon gehe ich zurzeit aus. Wir haben die räumlichen Möglichkeiten, Sitzungen unter den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden zu lassen. In den Parteien wird es noch rechtzeitig zu Wahlversammlungen für die Aufstellung der Kandidaten kommen. Die Entwicklung bis September bleibt dann abzuwarten.

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Und kehrt die Leverkusener Stadtverwaltung alsbald wieder zum Normalbetrieb zurück?

Das ist bei aller gebotenen Vorsicht unser Ziel. Allerdings wird diese Normalität absehbar eine andere sein. Die Digitalisierung unserer Arbeitsabläufe hat durch die aktuelle Krise einen enormen Schub bekommen. Das ist aber nicht nur im öffentlichen Dienst so. Ein flexibleres Arbeiten, auch aus dem Homeoffice wird unser Arbeitsleben stark verändern. Und es erfordert in vielen Bereichen eine neue Zukunftsplanung an. Das fängt bei der technischen Ausstattung der Mitarbeiter und bei Schulungen an und ist mit der künftigen Raumplanung für unsere Ämter noch lange nicht zu Ende.