Leverkusen – Das Bild war durchaus absonderlich: Kuratorin Thekla Zell saß auf einer Schaukel, die an einem der vielen dicken Bäume des Morsbroicher Schlossparks befestigt war, und tat, das, was nahe lag: Sie schaukelte. Über ihr hing Künstler Christoph Schäfer in den Ästen und erzählte etwas zum Zusammenhang von Kunst und Natur und wie es die Menschen zusammenbringen könne, wenn beides zusammentreffe.
Drumherum im hohen Gras picknickten rund 60 Menschen und aßen von der Künstlerin Margit Czenki geschmierte Butterbrote und kleingeschnipseltes Obst und hörten und sahen zu. Und Museumsdirektor Jörg van den Berg hielt die Magie und Idylle des Moments fest, indem er konstatierte: „Das ist doch ein wundervoller Einstieg in die Zukunft dieses Parkes und des Museums.“
Womit er recht hatte und sicher sein konnte: Diese ersten Morsbroicher Kunsttage von Freitag bis Sonntag waren ein gelungener Startschuss für das nicht weniger als revolutionär zu nennende Konzept „2022: Spielzeit“. Denn es geht ja gerade darum, den ewigen und ewig gleichen Turnus aufeinanderfolgender Ausstellungen zu durchbrechen – und zwar zugunsten von Aktionen wie diesen. Von Aktionen, die die Menschen ans und ins Schloss bringen, weil sie mit einbezogen werden und diesen vor allem kunsthistorisch gesehen geschichtsträchtigen Ort mehr und mehr als einen mit Aufenthaltsqualität, Kurzweil und ästhetische Freuden sehen, an dessen Gestaltung sie mitwirken können.
Etwa wenn sie demnächst auf dem Pendant der Baumschaukel im in Zukunft dauerhaft von Schäfer und Czenki bespielten Raum im Erdgeschoss des Museums schaukeln und womöglich nachdenken und Ideen sammeln können, was Morsbroich ausmacht und wie man dieses „Was“ in Kunst umsetzen kann.
Situationen des Anreizes
Und die drei Kunsttage steckten überhaupt voller Situationen des Anreizes und der Möglichkeiten und der praktischen Auseinandersetzung mit Kunst: Der Chef etwa sprach über seine Träume und Pläne und dass es eigentlich egal ist, ob die alle realistisch sind – solange es sie gibt, ist die Kunst im Fluss und kann ein Museum wirklich zum Labor und Experimentierkasten für alle werden.
Die umtriebigen Kinder und Jugendlichen, die von Kunstvermittlerin Lucia Riemenschnitter als „Schlossgespenster“ betreut und angeleitet werden mit einem eigenen Farblabor oder regelmäßigen Treffen im eigenen „Club M“ (für „Museum“ und „Morsbroich“) können ein Lied davon singen. Oder sie können einfach Pizza backen und sich dann beim anschließenden Essen derselben gemeinsam mit Besuchenden und Künstlerinnen und Künstlern austauschen – so wie sie das nun taten.
Elektronikmusik und Farbenlehre
Derweil spielte Frank Bauer Elektronikmusik auf seinem 70er-Jahre-Moog-Synthesizer vor Erich Hausers großer, von der Sonne beschienener und dank dieser Gemengelage gar nicht mehr so kalt glänzender Skulptur aus Stahl im Park.
Und Harald F. Müller, renommierter und international anerkannter Farbkünstler aus Singen, klärte die Besuchenden über die Magie der Farben auf – nicht von ungefähr, denn: Er gestaltet das Foyer des Museums farblich neu. Hat bereits in den ersten Etagen die Wände mit Perlmuttweiß und die Decken in Zinnoberrot angemalt. Weil ein Eingang solch eines Museums „nicht leise“ sein solle, wie er sagt. Weil er sowohl einladend als auch ausladend im Sinne von nach außen wirkend daherkommen müsse.
Und wer sich dieser (Kunst-)Tage umschaut im Haus, der sieht: Müller hat vollkommen recht. Und der versteht Kunst besser. Weil sie in Morsbroich ein Stück greifbarer wird, seitdem hier ein neuer Geist weht.