Leverkusen – Dass sie in ihrer Tiefgarage einmal gemeinsam mit der Bundeswehr Karpfen fangen würden, da wäre Familie Eicker im Traum nicht darauf gekommen. Wie überhaupt die vergangenen Tage ein einziges unwirkliches Traumbild sind, seit am Mittwochnacht die Dhünn in die Schlebuscher Dechant-Fein-Straße floss.
Und wo bis heute kein Strom in den Wohnungen fließt. So ist dass Ehepaar Eicker auf einer Bierbank am Versorgungszelt vor der Kirche St. Andreas, trinkt Kaffee und isst ein Brötchen. „Wir sind so dankbar, dass es das hier gibt. In dieser Situation merkt man einmal, wie wichtig Strom ist“, sage sie. Kaffeekochen geht nicht, der Kühlschrank ist aus.
„Man kann sich ja kaum noch selbst versorgen, wobei ich sehr glücklich über unseren Gasgrill bin“, sagt Herr Eicker. Seit mittlerweile fünf Tagen versorgen Mitglieder der Kirchengemeinde, der Pfadfinder und Malteser mit reichlich Spendenunterstützung die Schlebuscher kostenlos mit Essen und Getränken.
Schon am ersten Tag, als das Wasser noch hoch in der Dechant-Fein-Straße stand, die zwischen Fußgängerzone und Dhünn verläuft, kamen Helfer mit Pizzakartons und Getränkeflaschen vorbei“, erzählt Frau Eicker, der vor Rührung über die viele Hilfe regelmäßig die Tränen in die Augen steigen.
Etwa beim Gedanken an den Mann, der nach Feierabend vorbeikam, fragte, wo er helfen könne, und der dann zwei Stunden lang mit Hingabe und einer kleiner Bürste im Keller gelagerte Legoklötze von ihrer Schlammschicht befreit hat. Nicht lebensnotwendig, aber so wurde liebgewonnenes vor dem Sperrmüll gerettet.
Kardinal Woelki zu Besuch
Das Versorgungszelt vor St. Andreas war ursprünglich nur für das Wochenende gedacht gewesen, doch bis auf weiteres bleibt es stehen, sagt Pastor Hendrik Hülz. „Wir schauen jetzt von Tag zu Tag, ob noch Bedarf da ist.“ Derzeit sei die Nachfrage nach belegten Brötchen, Kuchen und Kaffee noch hoch, ebenso die Spendenbereitschaft von Gastronomie und Anwohnern, die auch mal einen großen Topf Suppe oder stapelweise Grillwürstchen vorbei bringen.
Auch Hilferufe, die die Stadt über die Bürgerhotline erhält, werden teilweise von hier bearbeitet. „Zum Beispiel hat ein Mann angerufen, der nicht aus seiner Wohnung kann und um Batterien für sein Radio gebeten, damit er mitbekommt, was passiert“, berichtet Hülz. Ihm habe man natürlich einen Besuch abgestattet und nicht nur Batterien gebracht.
Am Sonntag war Kardinal Rainer Maria Woelki zu Besuch, um sich ein Bild von der Lage zu machen und Hilfen in zuzusagen. „Ich hab dem nur gesagt: Zieh’ Gummistiefel an“, sagt ein Anwohner, der auch wenig begeistert war vom Besuch des Oberbürgermeisters im weißen Hemd. „Das ist doch alles Schaulaufen.“ (stes)
Der stapelt sich noch am Dienstag in unglaubliche Höhen. Und zieht nicht nur die vielen tollen Helfer an. „Es sind viele Autos mit polnischem oder rumänischen Kennzeichen zu sehen und wenn die Polizei kommt, rennen die Besitzer sofort davon“, berichtet Frau Eicker. Es werde nicht nur der Müll durchsucht, auch von Plünderungen hat man schon gehört und von Menschen, die mit einem Messer bedroht wurden. Die Mutter fühlt ich daher derzeit nicht wohl, wenn sie Abends mit ihrer Tochter alleine in der dunklen Wohnung sitzt, während ihr Mann noch bei den Aufräumarbeiten ist. Oft sitzen die Nachbarn in der Dechant-Fein-Straße so auch Abends noch bei Kerzenschein zusammen, trinken ein Gläschen Wein und erzählen von der unglaublichen Gewalt, die ihre Häuser eingeholt hat. „Es gibt so viel Hilfsbereitschaft“, sagt auch Nachbarin Gabrielle Höller. „Die Leute von der Feuerwehr und von der Bundeswehr waren so wahnsinnig nett und hilfsbereit, die kann man gar nicht hoch genug loben.“ Auch die Ultras der Szene Lev waren da und haben kräftig mit angepackt. Die Feuerwehr habe sogar ihre Pumpen und Schläuche da gelassen, als sie zu dringenderen Einsätze in Opladen weiter mussten. Und die Nachbarn teilen, was sie haben. Etwa die zwei einzigen verbliebenen fahrtauglichen Autos.
Und die Bundeswehrsoldaten haben geholfen, die vielen Fische einzufangen, die aus der Dhünn in die Tiefgarage gespült wurden . „Mit Begeisterung“, erinnert sich Frau Eicker.
Jeder eingefangene und in die Dhünn zurückgebrachte Fisch wurde bejubelt. „Wenn das alles vorbei ist, dann machen wir ein großes Nachbarschaftsfest für alle Helfer“, sagt Gabrielle Höller. Hoffentlich bald, wenn der Strom zurück und der Müll entsorgt ist. Geht das den, so mit Corona? „Ach, Corona haben wir ja auch noch“, sagt Höller. Wie denn die Infektionszahlen seien, will sie dann wissen, ohne Radio und Fernsehen bekomme man ja kaum etwas mit. Und überhaupt, ist das Virus hier vollkommen in den Hintergrund getreten. In der Krise kann man eben nicht auf Abstand bleiben.