Im Prozess gegen einen Rheindorfer kommt der psychologische Gutachter zu einem klaren Ergebnis – und zeigt für die Zukunft mehrere Wege auf.
Sexueller KindesmissbrauchGutachter hält Leverkusener für schuldfähig und sieht Gefahr
2010 hat Jan L. (Name geändert) begonnen, seine sexuellen Fantasien auf kriminelle Weise auszuleben. Er missbraucht einen Jungen im Kindesalter. 2011 folgte der zweite sexuelle Kindesmissbrauch. 2012 wird er wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger erstmals verurteilt, Anfang 2014 aus der Haft entlassen. Mitte 2014 wird Jan L. rückfällig und vergeht sich an einem entwicklungsverzögerten 15-jährigen Jungen. Nach erneuter Verurteilung wird er im Mai 2018 zum zweiten Mal aus der Haft entlassen.
Über zehn Jahre hinweg nimmt der heute 45-jährige am Programm „Kurs“ – kurz für „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“– teil. Und dennoch: Vier Monate nach Ende der Führungsaufsicht durch Kriminalbeamte über Jan L. im Rahmen des Kurs-Programms, lockt der Mann im September 2023 während eines Grillfestes wieder einen kleinen Jungen in seine Wohnung und vergeht sich an ihm.
Angeklagter ist voll schuldfähig
Alle diese Details referiert der psychologische Gutachter Philipp Massing am Mittwoch im Landgericht Köln, wo Jan L. sich wegen der Tat in Rheindorf verantworten muss. Massing hat keine Zweifel an der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Die Schuldunfähigkeit liegt nach Paragraf 20 des Strafgesetzbuches vor, wenn ein Täter „bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln“, wie es im Gesetzestext heißt. Für nichts dergleichen sieht der Neurologe, Psychiater und Forensiker Anzeichen bei Jan L.
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Etwas anderes hingegen wird im Laufe der Ausführungen des Gutachters immer deutlicher: Der Angeklagte, der, so Massing, „eine abgeschlossene und nach allen Regeln der Kunst durchgeführte Sexualstraftäter-Therapie hinter sich hat“, der im Laufe der therapeutischen Begleitungen ein „sehr umfangreiches kognitives Wissen über pädosexuelle Fantasien“ angehäuft hat, scheitert dennoch immer wieder an einem Punkt: Er schafft es nicht, die Stoppschilder im Kopf zu beachten und setzt diese Fantasien wiederholt in die Tat um.
Weder die Hafterfahrungen halten ihn davon ab, noch die laufende Überwachung im „Kurs“-Programm, noch die klare Ansage, was er beachten muss, um nicht rückfällig zu werden, als er im März 2023 aus dem Programm entlassen wird. Auch das durchaus vorhandene Bewusstsein, dass seine Taten ja nicht nur für ihn, sondern vor allem auch für seine Opfer, für die Familien der Opfer und seine eigene Familie schlimme Folgen haben, kann nichts bewirken.
Massing diagnostiziert bei Jan L. im Laufe seiner gut zweistündigen Ausführungen eine homosexuelle Kernpädophilie, die auf präpubertierende Jungen gerichtet ist. Und er sieht ein hohes Rückfallrisiko. Andererseits führe der Rheindorfer ein intaktes Arbeitsleben, es gebe neben den Sexualstraftaten keine weitere Kriminalität. Der Gutachter erwähnt positiv auch die Intelligenz des Angeklagten und schlägt als einen möglichen Weg vor, die Therapie für Jan L. „zu eskalieren“, sprich, ihn psychotherapeutisch begleitet mit antiandrogenen Medikamenten zu behandeln. Die Wirkstoffe dieser Medikamente sind in der Lage, den Sexualtrieb wirkungsvoll zu dämpfen.
Aber Massing zeigt auch einen anderen Weg auf: die Sicherungsverwahrung für Jan L. Es gebe Kriterien dafür, aber auch welche gegen die Sicherungsverwahrung. Ende Mai wird das Gericht unter Vorsitz von Thomas Stollenwerk ein Urteil sprechen.