Beieindruckende Worte und Bilder aus Nikopol erreichen den Leverkusener Stadtrat.
Leverkusener PartnerstadtLiveschaltung mit Zwischenfällen aus dem Bunker in Nikopol
Die einen sitzen im Luftschutzbunker. Die anderen im Ratssaal, wo Sonnenstrahlen durch die Jalousie scheinen. Die einen danken, immer wieder, aus vollem Herzen. Die anderen bedauern und ermutigen. Beide verbindet eine nach kurzen Anlaufproblemen erstaunlich stabile Internetverbindung inklusive Übersetzern. Und eine halbe Stunde später verbinden sie auch zwei Unterschriften, die auf beiden Seiten getrennt voneinander stolz in die Kamera gehalten werden.
Dass dies keine Partnerschaft auf Augenhöhe ist, ist offensichtlich. Leverkusen geht die Solidaritätspartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Nikopol ein, um die vom russischen Angriffskrieg zerbombten Stadt und ihre Menschen zu unterstützen. „Der grauenhafte, von Putin angezettelte Krieg und das Leid haben uns in Leverkusen sehr erschüttert“, sagt Oberbürgermeister Uwe Richrath zu Beginn der Schalte aus dem Leverkusener Stadtrat zum Oberbürgermeister von Nikopol, Oleksandr Sayuk. Richrath berichtet von der großen Hilfsbereitschaft in Leverkusen, was Spenden und die Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten angeht.
Sayuk: „Ihre Hilfe ist überlebensnotwendig“
Dann spricht Sayuk, der eingerahmt von Tetiana Obydenna, der ersten Bürgermeisterin der Stadt und Serhii Doroshenko, Leiter internationale Zusammenarbeit, an einem Tisch sitzt und per Videoschalte in den Ratssaal übertragen wird. Sein erster Gruß geht nach Leverkusen, der Dank aber an das deutsche Volk: „Vielen Dank für die Unterstützung der Ukrainer, die gezwungen waren, ihre zerstörten Häuser zu verlassen. Vielen Dank für die Hilfe für unsere Soldaten, die unser Land verteidigen. Danke für ihre Menschlichkeit und Empathie.“ Noch heute, mehr als ein Jahr nach Kriegsbeginn, sei es unvorstellbar, dass dieser Krieg mitten in Europa tobt. „Wir brauchen ihre Hilfe mehr als je zuvor. Sie ist für uns überlebensnotwendig.“
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Die Partnerschaft mit Leverkusen sei für ihn auf drei Ebenen von Bedeutung: Für die Integration auf kommunaler Ebene, für den Weg in die Europäische Union und als Annäherung an europäische Standards und die Demokratie. Vor allem aber „als freundschaftliche Beziehung für den Frieden.“
Vor Kriegsbeginn stand das Hallenbad kurz vor der Eröffnung
Wenn die Worte noch nicht genug Eindruck gemacht haben, übernehmen das schließlich die Bilder. Ein kurzer Film über Nikopol zeigt das Leben in einer blühenden, aufstrebenden Stadt. Ein neues, modernes Kinderkrankenhaus hatte gerade seinen Betrieb aufgenommen. Das erste Hallenbad der Stadt stand kurz vor der Eröffnung. Dann kamen die Bomben. Bilder von zerstörten Häusern, blutenden Menschen folgen und das haarsträubende Heulen der Sirenen.
„Die Nachrichten, die wir seit einem Jahr aus der Ukraine bekommen, gehen uns in den Kopf“, sagt Claudia Wiese (Grüne) danach. „Aber die Begegnungen mit Menschen sind es, die uns ans Herz gehen.“ Sie freue sich, dass aus dieser schrecklichen Situation mit der Partnerschaft noch etwas Gutes entstehen kann. Und fügt auf Ukrainisch hinzu: „Wir freuen uns sehr, sie begrüßen zu dürfen.“
Zu Beginn der Schalte hatte Richrath angekündigt, dass die gegenseitigen Grußworte übersetzt werden, die anschließende Debatte im Leverkusener Rat dagegen nicht. Bei dem, was dann passiert, wünschte man sich, das sei wahr.
Beisicht brüllt Antrag ins Mikrofon
Doch die Ukrainer verstehen sehr wohl, was Markus Beisicht von sich gibt. Mit dem rechtsextremen André Poggenburg im Rücken schreit Beisicht die Begründung für seinen Antrag in das Mikrofon, warum er eine ukrainische Partnerschaft nur unterstützt, wenn gleichzeitig eine mit einer russischen Stadt geschlossen werde. Es sind Worte, bei denen sich die Bürgermeisterinnen Heike Bunde, Zöhre Demirci und Bürgermeister Bernhard Marewski demonstrativ mit dem Rücken zum Gremium vor die Kamera stellen.
Uwe Richrath, sichtlich erregt, bekommt stehende Ovationen vom Gremium für seine Erwiderung. „Den Frieden erhalten wir, und nicht die Russen.“ Dass Beisicht hier frei sprechen und diesen Antrag stellen darf, sei Demokratie. „Aber manchmal ist Demonkratie auch für mich schwer zu ertragen“, sagt Richrath.
Sayuk ist gefasst, bedankt sich für die Meinungen im Gremium, schiebt aber hinterher: „Es sind die ukrainischen Kinder, die angegriffen werden.“ Danach fällt es Heike Bunde sichtlich schwer, wieder zur Tagesordnung des Stadtrates überzugehen.