Gewalt, Diebstahl, ein schwerer bewaffneter Raub: Ein 48 Jahre alter Mann muss trotz seiner psychischen Erkrankung ins Gefängnis.
UrteilLeverkusener kommt nicht wie gewünscht in die geschlossene Klinik
Im Prozess wirkte er immer recht guter Dinge. Aber am Dienstagnachmittag hat Jussuf L. (Name geändert) einen Verband ums linke Handgelenk. Ein Selbstmordversuch im Kölner Gefängnis. Jetzt wartet der 48 Jahre alte Leverkusener darauf, ins Justizkrankenhaus nach Fröndenberg verlegt zu werden. „Auch da werden Sie nicht hängengelassen“, sagt Wolfgang Schorn. Der Vorsitzende der 12. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht bemüht sich, dem Angeklagten Mut zuzusprechen.
Das muss er auch – nach der Enttäuschung: Von vornherein hatte Jussuf L. geradezu darum gebettelt, nicht für eine begrenzte Zeit ins Gefängnis zu müssen. Der Mann, der schon ein Jahrzehnt in der Forensik verbracht, seine Wohnung, seine Familie mit vier Kindern und mittlerweile zwei Enkel verloren hat und regelmäßig Kokain und Heroin konsumiert, wollte in eine Psychiatrie. Bis es ihm besser geht. Wann immer das sein mag. „Ich möchte eine Therapie haben, die mich weiterbringt“, betont er in seinem letzten Wort. Und, auf längere Sicht: „Ich möchte wieder Kontakt mit meiner Familie haben.“
Aber diesen „Gefallen“ können ihm die Richter nicht tun. Sie schicken ihn für vier Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Denn sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die durchaus wohl vorhandene paranoide Schizophrenie nur bei einem der angeklagten Vorfälle eine Rolle gespielt hat.
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Am 9. Juni 2023 trat Jussuf L. auf Gleis 1 des Opladener Bahnhofs einer Lehrerin aus Wermelskirchen unvermittelt in den Rücken, als sie auf den Zug in Richtung Köln wartete. Um 11.07 Uhr war das: Es gibt zwei Videoaufnahmen von der Tat. Für die wird er am Ende auch nicht bestraft; die Richter halten ihn in diesem Fall für nicht zurechnungsfähig.
Bewaffneter Raub am Bahnhof
Die anderen beiden Fälle aus diesem Frühjahr bewertet die Kammer allerdings ganz anders: Die habe Jussuf L. nicht wegen seiner Krankheit begangen, sondern wegen seiner Drogensucht. Am späten Abend des 9. Februar hatte er einen wegen vieler Knochenbrüche zu der Zeit schwer behinderten Mann am Hildener Bahnhof niedergeschlagen, nach Überzeugung der Richter ein Messer an den Hals gesetzt, ihm Geldbörse, Handy, vor allem aber vier Gramm Heroin geklaut. Dass er dem Wehrlosen seinen Gehstock entwendete, um ihm die Verfolgung zu erschweren, fand das Opfer besonders niederträchtig. Für das Gericht ist das schwerer bewaffneter Raub nebst räuberischer Erpressung. Auch wegen der Vorstrafen ahnden sie allein diese Tat mit viereinhalb Jahren Gefängnis.
Das Geschehen am 25. April im Edeka in der Pommernstraße fällt dagegen kaum ins Gewicht: Da hatte Jussuf L. drei elektrische Haarschneider und 14 Tafeln Ritter-Sport eingesteckt. Dummerweise steckte auch an jenem Donnerstagvormittag sein Brotmesser im Turnbeutel. Allerdings ganz unten und eingewickelt in einen Pullover. Dass er das Messer zücken wollte, schließen die Richter aus. Aber auch diesen Diebstahl mit Waffe habe er nicht wegen seiner Krankheit begangen, sondern weil er Geld für Drogen brauchte. „Das war Beschaffungskriminalität“, ist Richter Schorn überzeugt.
Also keine Unterbringung in einer geschlossenen Klinik, wie vom Angeklagten gewünscht. Mit Blick darauf, dass so etwas nur mit offenem Ende möglich ist, betont Schorn: „Das ist eine der schwersten Sanktionen, die man verhängen kann.“ Und deshalb sei sie nicht in Frage gekommen. Auch wenn der Angeklagte das zutiefst bedauert.