Er versucht, vom Cannabis loszukommen, was in der Haft schwierig ist. Das Gericht folgt dem Wunsch aber nicht.
Berufung gescheitertMann aus dem Leverkusener Clan entkommt dem Gefängnis nicht
Ist eine Drogentherapie Grund genug, eine Gefängnisstrafe doch zur Bewährung auszusetzen? Ja, finden Stefan M. (Name geändert) und sein Anwalt Marcus Hertel. Sie sind in Berufung gegangen gegen ein Urteil, das vorigen Oktober im Opladener Amtsgericht gesprochen wurde: ein Jahr Gefängnis für versuchten gemeinschaftlichen Diebstahl – ohne Bewährung.
Denn M. hat 20 Vorstrafen auf dem Konto. Vielfach hat es der heute 52 Jahre alte Mann, der zu einer Nebenlinie der Leverkusener Großfamilie gehört, mit Spielarten des Enkeltricks versucht. So auch am 18. Juli vorigen Jahres. Im Ratherkämp sprachen er und ein Verwandter eine alte Frau an, die auf einen Rollator angewiesen ist. Man müsse dringend den Wasseranschluss kontrollieren. Stefans Rolle war, die Frau im Flur der Wohnung abzulenken, während sein Komplize im Wohnzimmer nach Geld oder Schmuck suchte. Das Kalkül, das immer wieder aufgegangen war: Alte Leute haben Wertsachen, oft auch recht viel Bargeld zu Hause.
Der Rohrbruch-Trick funktioniert nicht
Am 18. Juli 2023 indes klappte die Masche nicht: Die Frau merkte, dass sich einer der Fremden im Wohnzimmer umsah, machte Ärger und holte die Polizei. Die stellte Stefan M. und seinen Komplizen auf der Straße, durchsuchte den Leihwagen des Duos. Dabei sei M. „immer aggressiver geworden“, steht in den Gerichtsakten. Gefunden wurde indes nichts. Von daher war diese Tat eher harmlos – wären da nicht die einschlägigen Vorstrafen.
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Richterin Dorothea Pfitzner liest am Dienstag beispielhaft aus einigen Urteilen vor. Ob in Frankfurt oder Berlin: Immer wieder hat es Stefan M. mit wechselnden Komplizen entweder mit dem klassischen Enkeltrick oder mit der Wasserrohrbruch-Lüge versucht. Dabei wurde alten Leuten weisgemacht, dass es in der Wohnung unter ihnen tropfe und die Anschlüsse geprüft werden müssten. Die Beute war manchmal beträchtlich: Bis zu 15.000 Euro sind in den Akten aufgeführt. Rund ein Jahr vor den Opladenern hatten die Richter am Amtsgericht Berlin-Tiergarten für gemeinschaftlichen Diebstahl noch eine Bewährungsstrafe verhängt. Sie sahen Anzeichen, dass der Angeklagte künftig nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt kommt.
Seit Jahren ist das Clan-Mitglied kriminell
Die Prognose bestätigte sich nicht. Im Kölner Landgericht macht Stefan M. auch kein Hehl daraus, dass er mit Diebstählen und Betrügereien seit Jahrzehnten seine kümmerlichen Einkünfte aufbessert. Der in Hamburg geborene Mann hat keinen Schulabschluss und keine Ausbildung; irgendwann habe er mal bei seinem Vater gearbeitet, einem Kupferschmied, berichtet er. Seit vielen Jahren aber lebt er – wie viele andere Angehörige des Clans – „von Hartz IV“, im Moment seien das 550 Euro im Monat plus Miete, berichtet der Vater von drei erwachsenen Kindern. Seine Frau, sagt er, sei zurück in Polen.
Als er seinen Cannabis-Genuss beschreibt, staunt Richterin Pfitzner: Seit rund zehn Jahren konsumiere er jeden Tag zehn bis 15 Gramm, verteilt auf 20 Joints: „Ich habe immer viel reingemacht“, erklärt er. Deshalb seien auch die drei Wochen Untersuchungshaft nach der Tat in Leverkusen ziemlich hart gewesen, sagt er auf Nachfrage: Magenschmerzen, Schwitzen, Zittern nennt er als Symptome des Drogenentzugs. Inzwischen gehe er das Problem systematisch an, heißt es. Alle ein, zwei Wochen besucht er eine Drogentherapie. Problem: Die Einrichtung ist von der Justiz nicht anerkannt.
Da hilft es auch nicht viel, dass Pfitzner sich bei der Therapeutin erkundigt, wie zuverlässig der Klient Stefan M. so ist. Auch ein frischer negativer Drogentest hilft Stefan M. nicht entscheidend weiter: Das, was der vielfach einschlägig vorbestrafte Mann da unternimmt, ist keine echte Drogentherapie. Ihm deswegen das Gefängnis zu erlassen, das gehe einfach nicht, entscheidet Dorothea Pfitzner: Der versuchte Diebstahl im Ratherkämp zeige vielmehr, dass der Mann aus dem verzweigten Roma-Clan „nicht so richtig die Konsequenz gezogen hat“, so die Richterin.
Stefan M. berät sich mit seinem Anwalt Marcus Hertel – und zieht die Berufung zurück. Das bedeutet auch, dass er die Kosten dieses Verfahrens tragen muss. Was angesichts seiner geringen legalen Einkünfte nicht viel ausmachen dürfte.