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Mallorca-AffäreNRW-Ministerin Ina Scharrenbach kämpft um ihre Karriere

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NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU).

Düsseldorf – Sie wirkt, als wäre sie von einem schweren Schicksalsschlag getroffen worden. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach hadert mit sich selbst. Sie fragt sich, warum ihr politischer Instinkt sie damals verlassen hat. Am 23. Juli vergangenen Jahres setzte sich die CDU-Politikerin in ein Flugzeug, um ein Wochenende auf Mallorca zu verbringen. Da war die Hochwasser-Katastrophe gerade mal neun Tage her. Familien hatten Tote zu beklagen, Menschen hatten ihren gesamten Besitz verloren, viele kämpften immer noch mit den Folgen von Wasser und Schlamm.

Wer NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach in diesen Tagen trifft, begegnet einer Frau, die derzeit wohl die schwerste Phase in ihrer politischen Karriere durchlebt. Die Hoffnungsträgerin der CDU nahm auf Mallorca an einer Geburtstagsfeier teil, zu der sie die damalige Kabinettskollegin Ursula Heinen-Esser (CDU) eingeladen hatte. Auch NRW-Europaminister Stephan-Holthoff-Pförtner und die damalige Integrationsstaatssekretärin Serap Güler kamen zu dem Treffen auf die Insel, das durch Recherchen unserer Zeitung öffentlich wurde.

Die Teilnehmer werden von der Opposition mittlerweile als „Ballermann-Kabinett“ verulkt. Das „Mallorca-Gate“ trifft die NRW-CDU ins Mark. Viele befürchten, dass der Vorgang zum Sargnagel für die Chancen der Regierungspartei bei der Landtagswahl am 15. Mai wird.

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Die politische Zukunft der Ministerin steht auf dem Spiel

Das Geburtstagtreffen auf der Balearen-Insel mag unspektakulär und nicht ausschweifend gewesen sein. Dennoch entstehen alleine durch die Benennung des Vorgangs Bilder im Kopf, die die Glaubwürdigkeit der CDU schwer beschädigen. Viele in der CDU warnen vor einem Effekt wie bei „Laschet lacht.“ Im Bundestagswahlkampf hatte ein unpassendes Lachen den CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet in einen Abwärtsstrudel gezogen.

Scharrenbach weiß, was auf dem Spiel steht. Das macht die Last noch größer. Wenn NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst die Wahl verliert, wird man es ihr anhängen. Nach dem Rücktritt von Heinen-Esser steht ihre politische Zukunft auf dem Spiel. Kommt Sie mit Blessuren davon? Oder ist die Westfälin dauerhaft beschädigt?

Die 45-Jährige entschuldigte sich für die Reise. „Ich bin seit 2017 exakt einmal privat ins Ausland geflogen - zweieinhalb Tage, aber es waren schlicht und ergreifend die falschen. Ich ärgere mich unendlich über den Eindruck, den ich durch diese zwei Tage erweckt habe“, erklärte die Ministerin. Jetzt steht sie vor einer ungewissen Zukunft.

Durchbruch als „Chefanklägerin“

Dass ausgerecht Ina Scharrenbach einmal wegen einer Feier auf Mallorca ins Trudeln geraten würde, hätte wohl niemand gedacht – am wenigsten sie selbst. Die gelernte Sparkassen-Frau ist eher für einen bescheidenen Auftritt bekannt. Flugreisen sind nicht ihr Fall. Sie gehört zu den Leuten, die beim Security-Check aus der Schlange gezogen werden, weil sie nicht wissen, dass man kein Wasser mit ins Handgepäck nehmen darf. Scharrenbach mag keine schillernde Figur sein – aber sie weiß, wie man sich durchsetzt.

Ina Scharrenbach NRW Landtag

Bau-, Kommunal- und Heimatministerin Ina Scharrenbach

Sie ist in der stark von Männern dominierten Ruhr-CDU politisch sozialisiert worden. Die Platzhirsche waren nicht immer angetan von der fleißigen, aber „eiskalten Ina“, die ihre Ellenbogen ausfuhr und sich in der Frauen-Union engagierte. Der Durchbruch gelang ihr als „Chefanklägerin“ der CDU im Untersuchungsausschuss zur Kölner Silvesternacht, als sie das Politik-Versagen der rot-grünen Vorgängerregierung sezierte.

Dass Hannelore Kraft 2017 ihr Amt verlor, hat die CDU wohl maßgeblich auch Scharrenbach zu verdanken. Als „Belohnung“ berief der neue Regierungschef Armin Laschet die Politikerin als Bauministerin ins Kabinett.

Machtkampf in der NRW-CDU

Als Armin Laschet nach der verlorenen Bundestagswahl nach Berlin wechselte, entbrannte in der NRW-CDU ein Machtkampf um seine Nachfolge. Neben Hendrik Wüst wurde auch Scharrenbach als mögliche Erbin ins Spiel gebracht. In der Partei wird spekuliert, dass das Geburtstagstreffen auf Mallorca auch dazu dienen sollte, Scharrenbach zu einer Kandidatur für den CDU-Landesvorsitz zu überreden. Doch der Machtkampf fiel aus. Nach Laschets schlimmer Wahlpleite wäre ein Zerwürfnis für die CDU tödlich gewesen. Das sah auch Scharrenbach so. Sie wurde hinter Wüst auf den zweiten Platz der Landesliste gewählt.

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Gerüchte, Wüst habe Scharrenbach den Rückzug mit dem Versprechen versüßt, nach der Landtagswahl ein Ministerium mit größerer Bedeutung zu bekommen, werden im Umfeld beider dementiert. Ob Scharrenbach im Fall eines Wahlsiegs der CDU überhaupt weiter an Bord bleibt, ist eher ungewiss. In internen Gesprächen wurde ihr Bauministerium, zusammen mit dem Justiz- und dem Europaressort, schon als „Verhandlungsmasse“ einsortiert.

„Die Verantwortung endet nicht am Wochenende"

Während die Politikerin betont, sie erfahre auch viel Unterstützung, gehen manche Parteifreunde vorsichtig auf Distanz. Sie schätze die Ministerin sehr, so Sylvia Pantel, Vorsitzende der Frauen-Union in Düsseldorf, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Und ich gestehe jedem auch eine Auszeit vor allem am Wochenende zu.“ Aber es passe „natürlich nicht, dass man feiern geht und auf der anderen Seite ist eine Katastrophe, für die man auch noch zuständig ist.“

Dabei gehe es auch um den Anspruch, den man an sich selber habe. „Mein Anspruch wäre, vor allem in Krisenzeiten die Verantwortung zu übernehmen, und die endet nicht um 17 Uhr oder am Wochenende“, betont die ehemalige Bundestagsabgeordnete der CDU. Deshalb wäre sie vor allem in den Tagen nach der Flut „nicht auf die Idee gekommen, weit weg zu fahren, weil ein solches Amt als Ministerin ja auch einen ad-hoc-Einsatz von einem fordern kann“.

Ein Fehler sei auch gewesen, dass Scharrenbach ihre Reise erst spät kommuniziert habe: „Jetzt muss man nicht immer für einen Fehler zurücktreten, aber sie wird sehen und für sich selber bewerten müssen, inwieweit ihr Fehler die Partei und die Landtagswahl ihrer Kollegen gefährdet.“