Der Beschuldigte 37-Jährige soll Ende September vergangenen Jahres sein Zimmer in einer Bergneustädter Notunterkunft in Brand gesetzt haben.
„Ich bin angezündet worden“Bergneustädter steht wegen Brandstiftung in Notunterkunft vor Gericht
Wegen schwerer Brandstiftung musste sich ein 37-jähriger Bergneustädter am Dienstag vor der 8. Großen Strafkammer am Landgericht Köln verantworten. Der Staatsanwalt hatte Mühe, die Anklage zu verlesen, denn trotz mehrerer Ermahnungen des Vorsitzenden Richters Stephan Aderhold wurde er ständig von dem Angeklagten unterbrochen.
Der Beschuldigte soll an einem Abend Ende September vergangenen Jahres sein Zimmer in einer Bergneustädter Notunterkunft, in der sechs Parteien leben, in Brand gesetzt haben. Die Wohnung sei danach unbewohnbar gewesen (wir berichteten). Der Vertreter der Staatsanwaltschaft schilderte, dass der Mann an Schizophrenie leide und die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe. Er sei daraufhin festgenommen und in eine Klinik eingewiesen worden.
Landgericht Köln: Angeklagter hatte eine andere Sicht auf die Dinge
Der Angeklagte hatte eine andere Sicht auf den Vorfall. „Ich bin angezündet worden“, erklärte er. Er gehe regelmäßig früh schlafen und plötzlich habe es unter seiner Matratze gebrannt: „Ich habe es gerade noch in die Dusche geschafft, um mein Leben zu retten.“ Ihm sei der Wohnungsschlüssel gestohlen worden, so dass das Zimmer nicht mehr abschließbar gewesen sei und jeder Zutritt gehabt habe. Wohlgefühlt habe er sich in dem Asylheim ohnehin nicht, denn sein Zimmernachbar habe ihn bedroht und an seinem Hals Zigaretten ausgedrückt.
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Der Angeklagte verbot seiner Pflichtverteidigerin vehement, irgendetwas zu sagen, denn der habe er in der Klinik schon „gekündigt“. Auch den Vorsitzenden ließ er nicht ungeschoren: Er habe keinen Personalausweis, sagte der Angeklagte. Sein vorläufiges Dokument sei verbrannt und ohne, dass er sich ausweisen könne, dürfe überhaupt nicht verhandelt werden.
Insgesamt zehn Zeugen am ersten Verhandlungstag in Köln geladen
Insgesamt waren am ersten Verhandlungstag zehn Zeugen geladen, vier davon waren – teils entschuldigt – nicht im Gerichtssaal erschienen. Ohne ein Ordnungsgeld zu erlassen, verfügte Richter Aderhold die polizeiliche Vorführung am nächsten Verhandlungstag. Zunächst wurde der Hausmeister gehört. Der schilderte, dass er einen ganzen Einkaufswagen voll Dosenbier in der Wohnung gesehen habe.
Eine diesbezügliche Nachfrage des psychiatrischen Gutachters versuchte der Angeklagte zu verhindern: „Der kann ja nicht mal richtig schreiben.“ Der Hausmeister berichtete zudem, dass die Rauchmelder in den Zimmern regelmäßig abgehangen würden, damit sie durch Zigarettenrauch nicht auslösen.
Der bestellte Betreuer des Angeklagten rekapitulierte den Werdegang seines Schützlings. So habe dieser nach dem Auszug aus der Wohnung seiner Mutter zunächst im Zentrum für seelische Gesundheit in Marienheide gelebt, später dann in Hellersen bei Lüdenscheid. Dort habe er sich nicht wohlgefühlt, und da der gebürtige Gummersbacher unbedingt nach Bergneustadt gewollt habe, sei er Ende August in die Obdachlosenunterkunft gekommen. Er habe ihn zwar beim Kreis für das „Systemsprenger“-Projekt angemeldet, doch sei das infolge des Brandes nicht mehr zur Anwendung gekommen. Aus Hellersen sei ihm bekannt, dass er dort einen Suizidversuch unternommen habe.
Zwei Notfallsanitäter sagten übereinstimmend aus, dass sich der Mann nach dem Brand gegen eine Untersuchung gewehrt habe. Stattdessen habe er ihnen „unterlassene Hilfeleistung“ vorgeworfen – weil es auf der Fahrt ins Krankenhaus im Rettungswagen nichts zu essen gab und er dort nicht rauchen durfte. Er habe auch Selbstgespräche geführt und Beleidigungen ausgestoßen.
Ein Bergneustädter Feuerwehrmann berichtete, dass das betroffene Zimmer im Obergeschoss beim Eintreffen bis auf Glutnester völlig ausgebrannt gewesen sei, die Flammen hätten bereits auf den Dachstuhl übergegriffen. Das schnelle Eingreifen der Wehr habe ein Durchzünden und den Übergriff auf die Nachbargebäude verhindert. Der Prozess wird fortgesetzt, ein Urteil ist im März zu erwarten.