Auf der Pfarrversammlung in Refrath zum Modellprojekt Bergisch Gladbach ging es emotional zu.
„Schäme mich, katholisch zu sein“Bergisch Gladbacher Katholiken erheben heftige Vorwürfe
Ein tiefer Riss verläuft zwischen der Kirchengemeinde St. Johann Baptist und denjenigen, die im Kölner Erzbistum die Strippen ziehen. Entsprechend emotional und hart verläuft die Diskussion im überfüllten Pfarrzentrum Refrath zum umstrittenen „Modellprojekt“, bei dem die fünf Gemeinden Bergisch Gladbachs frühzeitig zum 1. März zu einer einzigen pastoralen Einheit zusammengelegt werden sollen.
Am Ende stehen sogar die Forderungen nach den Rücktritten von Kardinal Rainer Maria Woelki und Kreisdechant Norbert Hörter als designierter Leiter der geplanten Seelsorgeeinheit. Hörter war nicht im Saal. Das hatte er im Interview mit dieser Zeitung auch angekündigt. Er sagte: „Ich denke, die Gemeinde muss erst einmal vor Ort sehen: Wie gehen wir mit der Situation um? Da wird es jetzt erstmal um die Kommunikation mit Köln gehen.“
„Das Tischtuch ist zerschnitten“, sagt eine Frau und schluckt dabei, um die Tränen zurückzuhalten. Gegen die Verabredung sei die Kirchengemeinde vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Die Kritik der rund 250 Zuhörer im Saal richtet sich vor allem gegen die Art und Weise, wie das Erzbistum den Beschluss zum Modellprojekt durchboxt – ohne Vorwarnung, ohne Transparenz, ohne die Kirchengemeinde einzubeziehen. Monika Keppler-Kühn vom Kirchenvorstand kommentiert bitter: „Wir sind wirklich geschockt und entsetzt.“ Kerstin Meyer-Bialk vom Orga-Team „Runder Tisch“ empört sich: „Wir fühlen uns betrogen.“
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„Die Kommunikation ist sehr schlecht gelaufen“, gibt Weihbischof Ansgar Puff zu. Man glaubt zu spüren, dass viele im Saal durchatmen, dies endlich zu hören. An diesem Abend ist der Weihbischof Zuhörer, Prellbock und Sprachrohr in einem. Auch mit den anderen Kirchengemeinden St. Laurentius, St. Nikolaus und St. Antonius sind noch Gesprächstermine vereinbart. „Ich hoffe, dass wir zu einer guten Kompromisslösung finden, bei der sich keiner als Verlierer fühlt“, sagt Ansgar Puff. Dafür erhält er Applaus.
Aber wie es weitergehen soll, darauf kann der Weihbischof keine Antworten liefern. Er beruft sich auf seine Rolle als Bote. Aber alles, was an diesem Abend vorgetragen wird, verspricht er, werde er an Kardinal Woelki und Monsignore Markus Bosbach als Leiter der Hauptabteilung Entwicklung Pastorale Einheiten weitergeben.
Die Solidarität mit Pfarrer Kissel ist sehr groß: Aktuell stehen schon 530 Unterschriften auf der Protestliste gegen die Abberufung Kissels zum 1. März. Weitere 110 Beschwerden sind direkt an das Erzbistum geschickt worden. „Die Unterstützung tut gut. Ich bin gerührt, dass sich so viele Menschen mit mir verbunden fühlen“, dankt Kissel allen für den Zuspruch. Seinen Rücktritt habe er noch nicht eingereicht: „Ich habe den Erzbischof um ein persönliches Gespräch gebeten. Mehr möchte ich dazu im Moment nicht sagen.“
„Ich dachte, mich trifft der Schlag“, sagt eine Frau. Das „menschenverachtende Vorgehen“ werde zu Kirchenaustritten führen. Pfarrer Kissel und seinem Team sei es zu verdanken, dass in Refrath eine so engagierte und lebendige Kirchengemeinde existiere. „Die Personalentscheidungen müssen sofort rückgängig gemacht und der Modellversuch gestoppt werden“, fordert ein Refrather unter lautem Beifall. „Das Gemeindeleben wird zerstört“, betont eine Frau aus Hebborn.
Es wird der Vorwurf laut, das Ganze sei bewusst gesteuert worden: „Ich gehe davon aus, dass Kreisdechant Hörter von Anfang an in den Prozess involviert war“, meint ein Mann. Die Authentizität der Kirche sinke ins Bodenlose. Der Ansehensverlust der Kirche sei enorm: „Ich schäme mich, katholisch zu sein. Ich möchte, dass der Kardinal zurücktritt und Pfarrer Hörter von seinen Ämtern entbunden wird“, fordert Norbert Lange ehemaliges Gemeindemitglied von St. Laurentius. „Wir brauchen keinen Manager, sondern einen Seelsorger“, betont eine Frau. Dafür gibt es langanhaltenden Applaus aus dem Publikum.
„Es macht uns sprachlos, dass wir unseren geistlichen Vorstand verlieren sollen“, sagt Jürgen Honrath von der St. Hubertus-Schützenbruderschaft in Refrath. Einen reinen Machtmenschen wie Hörter könnten die Schützen als Präses nicht akzeptieren. Einer Ehrenamtlerin versagt die Stimme: „Das ist eine Verachtung unserer Arbeit, die hier geleistet wird.“ Unterstützung bekommt sie von einer Heilpädagogin: „Das ist ein Spiel zwischen Macht und Ohnmacht. Und wir werden auf ohnmächtig gesetzt.“
Schwester Barbara, sie arbeitet mit je einer halben Stelle in der Pfarrseelsorge und für ihren Orden, mahnt: „Es geht doch darum, Zukunft zu gestalten und nicht zu erdulden.“ Damit spricht sie die konstruktive Seite der Kirchengemeinde an, die sich dazu entschieden hatte, den Weg der Einsparung und Zusammenlegung zusammen mit dem Bistum zu gehen. „Aber so führt der Zukunftsweg des Kardinals in eine Katastrophe“, prognostiziert ein Zuhörer.
Der anstrengende Weg muss wohl trotzdem gegangen werden. Nach diesem Abend ist aber eines klar: Die Refrather werden sich nicht geschlagen geben. „Die meisten werden bis zum letzten Tag kämpfen“, sagt eine Frau aus dem Publikum.
Modellprojekt Bergisch Gladbach
Ziel des „Modellprojekts“, bei dem die aus den fünf Gemeinden Bergisch Gladbachs bestehende Pastorale Einheit schon zum 1. März statt zum 1. September errichtet werden soll, ist „beispielhaft pastorale Initiativen sowie ein modernes Verwaltungsmanagement zu erproben.“ Unter dem Titel #Zusammenfinden will das Erzbistum Köln seine bislang 178 Seelsorgebereiche auf etwa 65 Pastorale Einheiten reduzieren.
Als Grund für den Prozess nannte das Erzbistum die rückläufigen Zahlen bei Katholiken, Seelsorgern, Ehrenamtlern und der Finanzen. Die Kirchenvorstände und Gemeindemitglieder erfuhren erst am Wochenende 14./15. Januar überraschend durch ein in den Gottesdiensten verlesenes Proklamandum vom früheren Start der neuen Pastoralen Einheit.
Im Nachrichtenportal der katholischen Kirche, katholisch.de, warnt der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke Bischöfe davor, Pfarrer mit Verweis auf ihr Weiheversprechen zum Rücktritt zu drängen. Die Einforderung des Gehorsams zur Versetzung von Pfarrern könne laut Lüdecke sogar dazu führen, dass der Rücktritt ungültig sei. In Pfarrer Kissels Fall ist der Vorgang formal korrekt gelaufen.