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Kommunalwahl 2020Entsteht eine neue Wählergemeinschaft in Bergisch Gladbach?

Lesezeit 5 Minuten

Volles Haus bei einer Ratssitzung im Bergischen Löwen.

Rhein-Berg – Eine neue Wählergemeinschaft könnte in der Kreisstadt entstehen, falls Bürger in Bergisch Gladbach aus Verärgerung über den Inhalt des neuen Flächennutzungsplans in der Politik mitwirken möchten. Zur Kommunalwahl im Herbst 2020 könnte die neue Vereinigung antreten. Dabei ist das Phänomen Wählergemeinschaft im Bergischen nicht neu, wie ein Blick in die Kommunen beweist.

Bergisch Gladbach: Wer in der Kreisstadt über Wählervereinigungen berichtet, kommt an Heinz Lang nicht vorbei. Der Politiker, lange Jahre Ordnungsamtsleiter der Stadt mit SPD-Parteibuch, gründete nach der Pensionierung 1994 die „Bürgerwehr gegen Behördenunrecht“, die das Thema Müllgebühren aufspießte. Umbenannt in „Bürger für Bergisch Gladbach und Bensberg“ (BfBB) gelang 2004 der Sprung in der Rat mit vier Mandaten. 2009 holte man drei Sitze, spaltete sich aber in Freie Wähler (2 Sitze) und die BfBB mit Lang als Einzelkämpfer in einer Fraktionsgemeinschaft mit den Linken. Seit 2014 sind beide Gruppen nicht mehr im Stadtrat.

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Als Erbe der BfBB tritt teilweise die Bürgerpartei GL auf, die es 2014 auf ein Mandat brachte und nach einigem Hin und Her ebenfalls eine Fraktionsgemeinschaft mit den Linken bildete. Als Partei für die Interessen der Kinder und Jugendlichen ging die Kiditiative bei den Kommunalwahlen 1999, 2004 und 2009 (zwei Mandate) erfolgreich an den Start. Bei den Wahlen 2014 firmierten die Mitglieder um zur Demokrative 14, holten einen Sitz. Nachdem der Ratsherr anfangs mit der AfD kooperierte, wurde er später fraktionslos. 2014 war schon mit 570 Stimmen, umgerechnet 1,18 Prozent, ein Ratsmandat zu erreichen. Daher ist im Falle einer Kandidatur mit dem Einzug einer Anti-FNP-Initiative in den Stadtrat zu rechnen. Ob es zur Gründung einer Wählergemeinschaft kommen wird, ist noch offen. Eine 2,5-Prozent-Sperrklausel ist im November 2017 vom Landesgerichtshof gekippt worden.

Wählervereinigungen längst etabliert

Kürten: Früher galten sie bei vielen als verkappte CDU-Rebellen und Protesttruppe. Doch diese Zeiten sind vorbei, die Bürger für Bürger/Freien Wähler haben sich mit Sacharbeit etabliert. Ihre Wahlbilanz: fünfmal die zweitstärkste Fraktion bei Kommunalwahlen seit 1994. Die BfB, so die Kurzform, entstand einst aus Verärgerung über den Wechsel der Stromversorgung von der RWE zur Belkaw. Fast gleichzeitig kam beim damaligen Gemeindedirektor der Plan eines kommunalen Freizeitbads auf, das heutige Splash-Bad. Fast 4000 Unterschriften sammelten die Freien gegen den Bad-Bau, ein angeblicher Formfehler hebelte den Bürgerprotest aus. Bei der Wahl 1994 sprangen die Freien aus dem Stand auf fast 25 Prozent, 2014 waren es 19,7 Prozent. Acht Mandate hat die BfB derzeit im Gemeinderat.

Overath: In Overath traten die „Bürger für Overath“ (BfO) erstmals 2009 zur Kommunalwahl an. Die damaligen Steine des Anstoßes für die Wählergemeinschaft waren: die drohende Badino-Pleite, die Müllgebühren und die Kostenentwicklung beim neuen Bauhof-Gebäude. Wenig später stellten sie mit ihrem heutigen Ratsherrn Wolfgang Krämer einen eigenen Bürgermeister-Kandidaten auf. Im Stadtrat haben die BfO, die unter Führung von Fraktionschef Norbert Hein seit 2009 mit zwei, seit 2014 mit drei Sitzen vertreten sind, ihren Platz gefunden.

Rösrath: Über mehrere Legislaturperioden seit 1999 sitzen im Rat von Rösrath Vertreter der „Bürger für Rösrath“. Einige Turbulenzen gab es bei der BfR vor der Wahl 2004, Meldungen von einer Auflösung stimmten nicht, die BfR treten mit veränderter Mannschaft wieder an, sind dann von 2004 bis 2014 als Fraktion im Rat. 2014 reicht es nur noch für ein Mandat, seither ist Wolfhagen Beckers als Fraktionsloser im Rat. Als Verein haben sich die Bürger für Rösrath aufgelöst. Von 2004 bis 2009 saßen Vertreter der Wählervereinigung AIR („Aktive interessierte Rösrather“) im Rat, an deren Spitze kandidierten Thorsten Heinrich und Wolf-Dieter Thorwart, ehemals BfR-Vertreter.

Odenthal: Die Geschichte der alternativen Wählergemeinschaften in Odenthal beginnt mit der Alternativen Liste Odenthal, die sich vor mehr als 30 Jahren aus Protest gegen die etablierten Parteien gegründet hatte. Als sie Ende der 1990er Jahre unter politischer Schwindsucht litt, gründete sich 1999 die UWG, die Unabhängige Wählergemeinschaft Odenthal, die zeitweilig über vier Ratsmandate verfügte. Bei der letzten Wahl gewann die UWG nur noch ein Ratsmandat und verlor ihren Fraktionsstatus. Die Stimme der UWG ist seither Sigrid Grimmel, die Zukunft der Wählergemeinschaft ist ungewiss. 2009 gründete sich die Bürgerrunde Odenthal (BR0), deren Mitglieder ihre politische Heimat zuvor in der SPD hatten. Ansatz auch hier: Verkrustungen aufbrechen und das bürgerschaftliche Engagement fördern. Die BRO hält zwei Ratsmandate.

Kreistag Rhein-Berg: Seit der Kommunalwahl 2014 sind im Kreistag die Freien Wähler zur Minigruppe geschrumpft – und die einzige Wählergemeinschaft, die vertreten ist. Zwei Mandate gab es, mit 2,8 Prozent war der Anteil der Wählerstimmen marginal. Statt einer Fraktion bildet das Duo mit Werner Conrad und Hennig Rehse nur eine Gruppe.

Versammlung legt Details fest

Die Gründung einer kommunalen Wählergemeinschaft ist frei, heißt es auf dem Internetportal der NRW-Landesregierung. Es reicht aus, dass interessierte Personen zu einer Gründungsversammlung eingeladen werden. Auf dieser Versammlung müssen die Teilnehmer einen Gründungsvertrag zur Bildung einer kommunalen Wählergemeinschaft schließen. Dieser Vertrag sollte dokumentiert werden. Empfohlen wird außerdem, auf der Versammlung eine Satzung und ein Programm zu beschließen. In der Satzung legt die Wählergemeinschaft Details fest, wie ihren Namen , Voraussetzungen der Mitgliedschaft sowie die Bildung und Zuständigkeiten einzelner Gremien wie Vorstand oder Mitgliederversammlung. Das Programm enthält die politischen Kernaussagen. Nur solche Wählergemeinschaften, die Gruppen „von mitgliedschaftlich organisierten Wahlberechtigten“ nach Paragraf 15 Kommunalwahlgesetz sind, können dann Wahlvorschläge zur Kommunalwahl einreichen. (dr)