Rhein-Berg – Ungläubig schaut Marcel Werner auf die Preistafel an der Bensberger Straße: „Tatsächlich, der Preis für Super E10 ist über Nacht um 35 Cent auf 176,9 gefallen. Hätte ich nicht gedacht.“ Spricht’s und fährt seinen Kleinwagen an die Zapfsäule der freien Tankstelle.
Für reichlich Überraschung, aber wenig Euphorie hat der zum 1. Juni eingeführte Tankrabatt gesorgt. Eine Autoschlange hat jedenfalls auch Werner nicht vor sich.
Beinah unbemerkt purzeln um Mitternacht an der 24-Stunden-Tankstelle in Overath-Steinenbrück die Preise. Lagen die am Abend noch teilweise über 2,52 Euro pro Liter, so steht am Morgen danach bei der drei von fünf angeschlagenen Preisen eine „1“ vor dem Komma.
Allerdings: Auch jetzt herrscht an den Zapfsäulen wenig Betrieb. Ganz anders als ein Tal weiter bei der Jaeger-Tankstelle am Overather Gewerbegebiet Hammermühle. Und das obwohl hier der Liter Super mehr als 20 Cent teurer ist als bei der Shell-Tankstelle in Overath-Steinenbrück.
„Die Macht der Gewohnheit“, sagt ein Autofahrer aus Oberberg, als er erfährt, dass die Tankstelle im Nachbartal deutlich günstiger ist. „Sonst ist es hier immer günstiger“, erklärt er. Sei’s drum, er habe eh nicht vollgetankt. Dafür wartet der Außendienstmitarbeiter einer Versicherung lieber bis zum Abend. „Dann wird’s hoffentlich wie sonst auch nochmal etwas billiger.“
Ob die Rhythmen mit günstigerem Tanken am Abend in der Rabatt-Zeit erhalten bleiben? „Das müssen wir mal schauen, wie sich das entwickelt“, sagt Clarissa Miebach, die mit ihrem Vater die bft-Tankstelle in Bergisch Gladbach-Heidkamp führt. Sie ist froh, dass alles geklappt hat: „Am späten Vormittag kam der Tankzug und wir sind wie geplant beliefert worden“, sagt die Geschäftsführerin.
Sie hatte ihre Kraftstoff-Vorräte nicht zu knapp kalkuliert, um nicht vor dem 1. Juni vielleicht sogar noch „leergetankt“ zu werden. „Auch wenn uns das natürlich mehr gekostet hat, dass wir auf Nummer sicher gegangen sind und jetzt noch Kraftstoff aus dem Mai übrig hatten“, sagt Clarissa Miebach. „Aber das wollten wir unseren Kunden nicht antun, dass es knapp geworden wäre“
Am Mittwochmorgen haben sie und ihre Mitarbeitenden nicht nur stetig Betrieb, sondern auch mit auffallend vielen glücklichen Kunden zu tun. Oft hörten sie nun: „Tanken macht wieder Spaß.“
Seit 37 Jahren nicht mehr Bahn gefahren
Seit mehr als 35 Jahren ist Markus Funke nicht mehr mit dem Zug gefahren, am Mittwochmorgen steht er auf dem Bahnsteig am Overather Bahnhof. Mit einer Reisetasche in der Hand. Aber ohne Neun-Euro-Ticket in der Tasche. „Ich hole einen Kleinlastwagen in Bayern ab, da habe ich ein normales Ticket gekauft: 102 Euro, dafür bin ich dann aber auch schon um 11 Uhr in München“, erzählt er. Und in seiner Tasche sind auch keine Urlaubsklamotten, sondern Spanngurte: „Ich muss die Ladefläche fixieren, die ist wohl lose“, weiß er über seinen Gebrauchtwagenkauf.
Viele Fahrgäste warten nicht mit ihm auf den 7.01-Uhr-Zug Richtung Köln. Eine halbe Stunde früher war das nicht anders. Und der zusätzliche Entlastungszug, der um 7.11 Uhr von Overath aus in die Domstadt startet fährt auch nicht mal halb voll besetzt mit Fahrgästen los.
„Sind immer noch viele im Home-Office“, sagt ein Zugbegleiter. Michaela Bujack aus Waldbröl ist heute das erste Mal seit langem mal wieder beruflich mit dem Zug unterwegs. Zu einem Termin in Düsseldorf. Das Ticket habe sie jedoch über ihren Arbeitgeber bekommen. „Aber nächsten Monat, wenn wir Urlaub haben, wollen wir auch ein 9-Euro-Ticket holen, um nach Köln zum Shoppen zu fahren. Das hat man ja dann schon bei einer Fahrt wieder raus“, sagt die Mitarbeiterin einer Krankenkasse.
Manuela Schönauer aus Engelskirchen reist mit Rollkoffer. In die Ferien? „Nein, zum Büro-Tag nach Köln. Im Koffer sind nur die Unterlagen, die ich sonst im Home-Office brauche“, sagt sie lächelnd und freut sich. Ihr Job-Ticket ist während der Neun-Euro-Ticket-Monate Juni bis August auch günstiger. „Da haben wir also auch was von“, sagt sie.
„Kommen Sie mal am Wochenende wieder, und gucken, wie viel Leute mit dem 9-Euro-Ticket in die andere Richtung zum Ausflug ins Bergische fahren“, rät der Zugbegleiter der Regionalbahn dem Reporter, der nach rund 25 angesprochenen Reisenden am Ende doch noch jemanden mit Neun-Euro-Ticket findet. Ghyath Kalkhoum muss zum Sprachunterricht nach Köln: „Das Ticket ist sehr gut, da komme ich jetzt viel billiger zur Schule.“
21.000 der 9-Euro-Tickets in der Region verkauft
Irgendwo sind sie – auch wenn ein Großteil wohl nicht am ersten potenziellen Gültigkeitstag genutzt worden ist: 21.000 der 9-Euro-Tickets haben die Verkehrsunternehmen im Bergischen bereits vor dem Start des vergünstigten Monatstickets an diesem Mittwoch verkauft.
17.500 der Tickets gingen allein in den Kundencentern und Bussen der Wupsi über den Verkaufstresen, wie Wupsi-Sprecherin Kristin Menzel auf Nachfrage am Mittwoch bilanziert. Hinzu kämen dann noch die Verkäufe aus der App.
Bei der Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) wurden allein im rheinisch-bergischen Teil des RVK-Verkehrsgebiets 3500 der 9-Euro-Tickets verkauft. „Innerhalb nur einer Woche und nur in den Bussen und den Kundencentern in Bensberg, Rösrath und Overath“, wie RVK-Sprecherin Diana Jerchel betont.
Dabei decken sich die Beobachtungen der Verkehrsunternehmen mit denen der Lokalredaktion: Am ersten Gültigkeitstag der günstigen Tickets, waren nur wenige damit unterwegs. Laut dem Bergisch Gladbacher Niederlassungsleiter Gregor Maul sei kein außergewöhnlich hohes Fahrgastaufkommen aufgefallen, berichtet RVK-Sprecherin Diana Jerchel auf Nachfrage. „Engpässe sind nicht gemeldet worden.“Auch bei der Wupsi habe es keine Rückmeldungen über zu volle Busse gegeben, so Sprecherin Kristin Menzel.
Bei Verkehrsplanern wie bei den Verkehrsunternehmen geht man davon aus, dass ein großer Teil der Käufer das 9-Euro-Ticket im Freizeitbereich nutzen wollen. „Mal schauen, wie es am Wochenende wird“, sagt Wupsi-Sprecherin Menzel.