Wird Lützerath geräumt? Falls ja: Wann und mit welchen Aufwand? Der Grüne Polizeipräsident von Aachen hält die Fäden in der Hand. Eine Begegnung mit Dirk Weinspach.
So tickt Dirk WeinspachWie der grüne Polizeichef Lützerath räumen will
Dirk Weinspach ist der Polizeipräsident von Aachen. Sollte es dazu kommen, wird der 63-Jährige die Räumung der Ortschaft Lützerath organisieren müssen. Eine Herkulesaufgabe, die heikel ist und viele Gefahren birgt.
Die grünen Minister in der Landesregierung halten große Stücke auf Weinspach. Der Polizeichef ist seit 40 Jahren Mitglied bei der Öko-Partei. „Wenn es jemanden gibt, der Lützerath halbwegs friedlich räumen kann, dann ist es Weinspach“, heißt es bei den Regierungsgrünen in Düsseldorf.
Lützerath: Hambach soll sich nicht wiederholen
Sein Büro liegt in der dritten Etage des neuen Polizeipräsidiums im Süden der Kaiserstadt. Weinspach wirkt ruhig und zurückhaltend, er wägt seine Worte, weil er weiß, dass seine Äußerungen in diesen Tagen unter genauer Beobachtung stehen. Von den Aktivisten, die hoffen, sie könnten Hinweise auf die Taktik der Polizei erhalten.
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Und vom NRW-Innenministerium in Düsseldorf. Innenminister Herbert Reul (CDU) ist schließlich der Dienstherr von Weinspach. Man kennt sich vom Räumungs-Einsatz im Hambacher Forst. Ein Einsatz, den beide Seiten in keiner guten Erinnerung haben.
Damals waren die Grünen noch in der Opposition, in Düsseldorf regierten CDU und Liberale. Die waren sich einig, mit harter Hand gegen die Baumbesetzter vorgehen zu wollen. Mit der konstruierten Begründung, die Baumhäuser seien Bauwerke, die die Brandschutzauflagen nicht erfüllen, rückte die Polizei in Legionsstärke an. Doch der Einsatz geriet zum Flop. Der BUND erreichte beim OVG Münter einen Rodungsstopp. Und das Verwaltungsgericht Köln erklärte die Räumung posthum für rechtswidrig.
„Hambach darf sich nicht wiederholen“, sagt der Mann mit den kurzen grauen Haaren. Damals hatte die Polizeiabteilung im NRW-Innenministerium die Führung des Einsatzes stark mitbestimmt und Weinspach, der wegen seines Parteibuchs als unsicherer Kantonist galt, wurde weitgehend außen vor gelassen.
„Mein Einfluss war stark begrenzt“, sagt der Polizeipräsident. Das ursprünglich geplante einsatztaktische Vorgehen der Aachener Polizei wurde damit obsolet.
Gewalt an der Schule politisierte Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach
Der gebürtige Pforzheimer ist am Erzbischöflichen Gymnasium in Bonn-Beuel zur Schule gegangen. Er engagierte sich in der Schülervertretung, machte die Anwendung von Prügelstrafen durch Lehrer öffentlich. Dass die Schulleitung ein Hausverbot erteilte und mit Rauswurf drohte, schreckte ihn nicht.
Die Erfahrung politisierte ihn. Im Bonner Hofgarten demonstrierte er gegen den Nato-Doppelbeschluss, trat schließlich den Grünen bei. „Ich bin ein Linksliberaler“, sagt er über sich selbst, „aber als Polizeipräsident entscheide ich rein fachlich“.
Dirk Weinspach setzt auf Kommunikation mit den Besetzern
Anders als viele Mitstreiter bei den damaligen Grünen sieht der Jurist seine berufliche Perspektive nicht als Strafverteidiger, sondern wird im Bereich der Inneren Sicherheit tätig. 1993 beginnt er im Düsseldorfer Innenministerium, ist zunächst mit Ausländer- und Kommunalangelegenheiten befasst. Später wechselt er zum Verfassungsschutz, wo er auch für Linksextremismus zuständig ist. Der VW-Bulli-Fahrer weiß, worüber er spricht, wenn es um die gewaltbereite Szene der Aktivisten in Lützerath geht.
Was den möglichen Einsatz angeht, lässt der Polizeichef sich nicht in die Karten gucken. „Fest steht allerdings, dass der Einsatz diesmal gut vorbereitet sein muss. Wir werden angemessen und verhältnismäßig vorgehen. Dabei setzte ich auf die Kommunikation mit den Dorfbesetzern. Anders als in Hambach ist der Widerstand in Lützerath auch stark bürgerlich geprägt. Ich setzte darauf, dass wir mit den Ansprechpartnern bei den Bürgerinitiativen in einen Dialog kommen, der den Einsatz für beide Seiten sicherer macht. Es wird von uns mit Sicherheit keinen überfallartigen Einsatz gegeben."
Experten gehen davon aus, dass die Aktivisten sich anketten werden
Es gelte der Grundsatz, transparent zu handeln, sagt der Polizeipräsident. „Vor dem Einsatz werden wir die Beteiligten und politischen Mandatsträger über das Vorgehen informieren.“ Diese Transparenz soll zur Deeskalation beitragen. „Natürlich wird es bei einer Räumung auch unschöne Bilder geben“, sagt Weinspach. Die Experten gehen davon aus, dass die Aktivisten Tunnel gebaut haben und sich anketten werden.
In einem Kompromiss von Bund, Land und RWE über einen früheren Kohleausstieg im Jahr 2030 war vereinbart worden, dass Lützerath weggebaggert werden soll. Noch gibt es in der schwarz-grünen Landesregierung aber keine Klarheit darüber, welches Haus das „Go“ für die Räumung gibt. Der Polizeieinsatz könnte der größte in der Geschichte des Landes werden. Die Vorbereitung dürfte bis zu acht Wochen dauern. Die Planer müssen Hotels und andere Unterkünfte für mehr als 1000 Beamte organisieren.
Weinspach will Zeitfenster nutzen
Das Zeitfenster schließt sich also, bis Ende des Jahres schließt Weinspach die Räumung aus. Aber bis zum Ende der Rodungssaison am 28. Februar nächsten Jahres muss der Einsatz beendet sein. Um eine sofortige Wiederbesetzung zu vermeiden, müssen bis dahin alle Bäume gefällt und die Häuser abgerissen werden. Bis Jahresende des Jahres ist die Räumung ausgeschlossen
Sollte die Entscheidung für die Polizeiaktion nicht in den nächsten Tagen getroffen werden, könnte sich die Räumung in den Herbst 2023 verschieben. „Das wäre aus polizeilicher Sicht keine gute Entwicklung“, sagt Weinspach. Die Aktivisten hätten dann noch ein halbes Jahr mehr Zeit sich auf die Räumung vorzubereiten. „Wenn es unvermeidbar ist, Lützerath zu räumen, dann ist mir ein Ende mit Schrecken lieber als ein Schrecken ohne Ende.“